Kapitel 5

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Auch nach fünf Minuten blieb alles still. Die Raumschiffe waren gelandet, doch mehr geschah nicht. War überhaupt Leben an Bord?

Ich konnte nicht aufhören, zu starren. Waren das wirklich außerirdische Raumschiffe? Irgendwie wollte das nicht in mein Gehirn rein gehen. Sie kamen von einem anderen Planeten und landeten sozusagen vor meiner Haustür. Vielleicht war ich die erste, die es gesehen hatte. Die Erde war groß. Die Chance dagegen, dass sie genau hier aufkamen, war klein oder besser gesagt, sie ging gegen Null. Und doch war es passiert.

Es vergingen zwei weitere Tage, in denen sich nichts rührte. Die Medien berichteten ununterbrochen über die Ereignisse. Hubschrauber flogen ein oder machten Luftaufnahmen. Soldaten hatten den Strand umstellt. Niemand konnte ans Wasser, weshalb auch meine Stimmung kippte. Konnten diese dämlichen Aliens nicht einfach woanders parken?!

Mittlerweile wusste ich auch, wo die anderen drei Raumschiffkugeln gelandet waren. In Frankreich und irgendwo bei Italien. Es gab keine anderen Gesprächsthemen mehr. Die ganze Welt redete nur noch über Aliens. Und es nervte. Es gab auch noch andere Dinge im Leben!

Anfangs war ich zwar noch aufgeregt, aber langsam verlor ich die Geduld. Wenn die Außerirdischen schon herkamen, sollten sie sich gefälligst zeigen. Jeden Tag fraß ich den Ärger und den Frust in mich hinein, weil ich nicht zum Meer konnte. Ich wollte schwimmen, das Salzwasser über meine Füße schwappen lassen oder einfach entlang der Wellen spazieren. Das war doch nicht zu viel verlangt. Klar, ich könnte eine kilometerweite Strecke zurücklegen, bis er nicht mehr abgesperrt war, doch dann hatte ich das Gefühl, ich würde etwas verpassen, sobald ich weg war. Außerdem musste ja irgendjemand die Raumschiffe im Auge behalten. Sollte was geschehen, war ich nicht da, um mein Zuhause und das Meer zu beschützen. Es wäre sonst, als hätte ich es im Stich gelassen. Auch wenn mir bewusst war, dass ich nicht viel ausrichten konnte, doch es war beruhigender, zu wissen, dass man alles getan hatte, anstatt nur von außen zuzusehen. Sonst würde ich mir ewig Vorwürfe machen. Es war allein eine Kopfsache.

Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, blieb ich. Der Blick, hinaus auf die Weiten des Meeres, half auch ein wenig. Außerdem sollten wir im Haus bleiben. Zumindest alle in näherer Umgebung. Es sei denn, wir evakuierten uns selbst. Deshalb änderte ich meine Meinung trotzdem nicht und blieb.

Also, wie ging es nun weiter? Wir alle warteten darauf, dass etwas geschah. Doch niemand unternahm etwas. Sie redeten alle nur über die Bedrohung der Außerirdischen, die gestoppt werden muss, aber es wurde nur abgewartet. Abgewartet, dass jemand den ersten Schritt machte. Wie lange sollte das noch dauern? Bestimmt warteten sie, bis die Aliens es zuerst tun würden. Das könnte noch dauern ... Sie waren sowieso in der Unterzahl, ich verstand einfach nicht was das sollte. Alle Hebel waren gezogen. Alles war vorbereitet, vor allem für einen Angriff. Und was taten sie? Nichts, nur abwarten. Aber ein Kampf war mir auch nicht lieber.

Ich konnte auch nichts anderes tun. Der Strand war abgesperrt - genau genommen könnte man die Schilder und das Flatterband leicht überwinden, wenn da nicht die Wachposten besetzt wären. Doch sie begannen einen größeren Zaun aufzustellen, wie man ihn von Baustellen kannte. Zwar könnte man sie dennoch irgendwie wegheben, aber ich wusste nicht, wie schwer sie waren, um das allein zu tun. Das hieß also, niemand konnte rein oder raus. Es sei denn ...

Ein Klingeln riss mich aus meinen Gedanken. Ich nahm an und hielt mir die Kamera vors Gesicht. »Hi, Maddy«, sagte ich. War klar, was jetzt kam.

»Hi. Bei dir ist alles gut?«, fragte sie sofort ohne weitere Umschweife. Medina wollte damit hauptsächlich nicht wissen, wie es mir mental ging, sondern ob sich etwas bei der Aliensache getan hatte. Wenn es so wäre, sollte ich auf der Stelle zu ihr kommen. Für sie blieb ich eben die kleine Schwester. Insgeheim war ich dagegen und würde es vielleicht nicht machen, aber um meine Schwester zu beruhigen, hatte ich es ihr so versprochen, bis ich eine andere Unterkunft fand. Wäre ich dann ein Alienflüchtling? Die Vorstellung, auf dem eigenen Planeten vor nicht auf diesem Planeten geborenen Lebewesen weg zu laufen, ist irgendwie komisch. Allgemein glaubte ich es immer noch nicht. Außerirdische waren auf der Erde gelandet. Und das direkt bei meiner Wohnung. Noch hatten sie sich nicht gezeigt, aber früher oder später würden sie das tun, es sei denn, sie flogen vorher wieder weg. Aber wozu waren sie dann erst gelandet? Kein Treibstoff mehr?

Maddy hatte Angst um mich, weil sie in meiner Nähe waren und ich immer noch Zuhause blieb. Das bereitete mir ein schlechtes Gewissen, zwar stritt sie ab, sich große Sorgen zu machen, aber ich war immerhin ihre Schwester, mir konnte sie nichts verheimlichen. Deshalb hatte ich vorgeschlagen, jeden Tag zu telefonieren. Dann wusste sie, dass es mir gut ging und ich noch lebte.

»Keine Sorge, es tut sich absolut nichts. Viele zweifeln sowieso an, ob überhaupt Aliens auf dem Raumschiff sind. Vielleicht haben sie ja Recht«, sagte ich schulterzuckend. Hoffentlich glaubte sie daran.

Überlegend schaute Medina mich an und setzte ein zuversichtliches Lächeln auf. »Ja vielleicht. Sei trotzdem vorsichtig und bleib im Haus.«

»Ich wüsste nicht, wohin ich sonst gehen sollte«, scherzte ich, um die Stimmung aufzulockern.

Maddy schüttelte den Kopf. »Ist ja alles abgesperrt oder geschlossen bei dir.« Ihre Stimme klang wehmütig. »Verrückte Zeiten.« Ich nickte. Eine kurze Pause zwängte sich dazwischen, in denen jeder seinen eigenen Gedanken hinterher hing. Ja, es waren komplett verrückte Zeiten, aber vielleicht hatten wir am Ende aus einer Mücke nur einen Elefanten gemacht. Trotzdem. Vorsichtig war besser als Nachsicht.

»Es wird schon nichts passieren. Das ist es bis jetzt nicht. Wenn da Leben in den Kugeln wäre, hätten sie sich längst gezeigt.« Aufmunternd sah ich sie an. Das glaubte ich zwar selbst nicht ganz, aber solange ich so tat, als würde ich, konnte ich damit meine Schwester hoffentlich etwas beruhigen.

Tatsächlich fand Medina diesen Gedanken gar nicht so abwegig und nickte zustimmend. »Hast ja Recht.«

Nach unserem Telefonat warf ich einen Blick aus dem Balkonfenster. Unschuldig, wie eine Sehenswürdigkeit, lagen die Kugeln in der Landschaft. Wie eine wunderschöne Skulptur reflektierten sie das Sonnenlicht. Wellen umspülten sie, als wären diese nichts Besonderes. Gischt spritzte auf und traf auf das Metall, wo sie wieder runterfloss. Was waren diese Kugeln wirklich? Diese Frage beschäftigte mich noch eine ganze Weile.

Würden die Außerirdischen sich tatsächlich nicht zeigen oder gab es sie gar nicht? Waren es einfach nur Metallkugeln? Weltraumschrott? Ich musste es wissen.

Wer würde etwas tun? Wer tat etwas - sollte ich eher fragen. Die traurige Antwort war: Niemand. Und wieso? Weil sie Angst hatten und nicht wussten, was auf sie zukam. Wir warteten nun schon Tage auf eine Weiterentwicklung der Dinge, aber würde sie kommen? Wenn wir alle nur warteten? Jeder wollte Antworten, taten aber nichts dafür. Geraten die Objekte dann wieder in Vergessenheit? Weil wir sie ignorierten und weiterlebten, nur weil nichts geschah? Oder würden wir jeden weiteren Tag mit dieser Angst leben? Vielleicht war das auch das Ziel der Außerirdischen, um dann zuzuschlagen, wenn wir es am wenigsten erwarteten und unvorbereitet waren.

Doch ich hatte das unendlich lange Warten in der Ungewissheit so satt! Dummerweise konnte ich es nicht selbst in die Hand nehmen. Letztlich musste ich ja bloß an den Wachen vorbei. Sie waren an den Wegen zum Strand runter positioniert. Selbst, wenn ich keinen Trampelpfad oder einfach quer durch die Gräser ging, könnten sie mich sehen. Es spielte keine Rolle, ob ich das erste Hindernis überwinden konnte, unten am Strand patrouillierten zusätzlich Aufseher, deren Aufgabe es war, die Kugeln zu beobachten und jede kleinste Bewegung zu melden. Falls doch jemand am Wasser langlief, mussten sie diejenigen wegschicken. Es gab keinen Weg. Nur wenn ich die Wächter k.o. schlug, aber so dringend war mein Wissensdurst dann auch wieder nicht. Zumal war die Chance, dass ich es überhaupt schaffte, sehr gering.

Allerdings kannte ich alle Schleichwege zum Meer hinunter. Es gab auch einen, der fast direkt am Wasser endete. Die restlichen Meter müsste ich über Steine klettern, aber das war kein Problem für mich. Sport hatte schon immer zu meinen Stärken gehört.

Und weiter? Dann war ich immer noch nicht bei den Kugelschiffen, schließlich waren mehrere Meter Wasser dazwischen, die ich nur mit Schwimmnudel oder einem Schwimmtier schaffen könnte und direkt an Felsen bei Wellengang ins Wasser zu gehen, war zu gefährlich. Sonst würde ich drauf gehen, bevor ich überhaupt den Aliens begegnet war.

Da schoss mir etwas in den Sinn. Moment, wie spät war es?

Alienwar - Ist das der Untergang?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt