Kapitel 29

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Sobald Milan und Lia außer Hörweite waren, wandte sich Lexa an mich. »Bitte entschuldige meine Schwester. Sie vergisst gern, dass die Welt nicht nur aus Blümchen und Regenbögen besteht.« Witzigerweise hatte Lia ein Blümchenkleid an. Aber ich hing noch meinen eigenen Gedanken hinterher und mein Blick den beiden, die sich jetzt irgendein alkoholisches Getränk einschenkten und sich vermutlich weiterhin stichelten. »Läuft da was zwischen ihnen?«, fragte ich und wunderte mich im selben Augenblick, weshalb mich das interessierte.

Lexa zog erst eine Braue hoch, dann lachte sie. »Die beiden? Haha, nein, das wüsste ich. Sie sind eher wie Geschwister.«

»Hast du einen Partner?«, wollte ich wissen, wenn wir schon mal bei diesem Thema waren.

»Nein. Momentan bin ich auch nicht an einer Beziehung interessiert«, gestand sie. »Wie steht's mit dir?«

Ich senkte den Blick auf mein Glas. »Leider nein.« Sie verstand zum Glück, dass ich nicht darüber reden wollte und stellte mir stattdessen andere Fragen.

Wir unterhielten uns über alles Mögliche, von Männern bis hin zum Essen. Irgendwann wechselten wir auf das Sofa, da sich dieses Gespräch vermutlich noch in die Länge ziehen würde. Eigentlich war Lexa total in Ordnung und auch sympathisch. Wir verstanden uns auf Anhieb gut, das hätte ich tatsächlich nicht erwartet. Zwar machte sie auf hart, aber dahinter steckte etwas ganz anderes, als ich anfangs vermutet hatte. Ihr Ziel war es nicht cool zu wirken, denn ein Erlebnis ihrer Vergangenheit, hatte sie verändert, etwas zerstört, was vorher da gewesen war. Diese Tatsache erinnerte mich an mich selbst, wahrscheinlich mochte ich sie aus diesem Grund so schnell. Sie hatte viel durchgemacht, deshalb ließ sie auch niemanden nah an sich ran. Vor allem da sie jetzt die älteste in der Familie war, trug sie viel Verantwortung. Als Lexa sieben Jahre alt war, starb ihr älterer Bruder, was sie wirklich mitgenommen hatte. Lia war erst zwei, wodurch sie sich nicht an ihn erinnern konnte. Sie brauchte es mir nicht zu sagen, denn das war eindeutig. Sie hatte Angst, dass es sich mit ihrer Schwester wiederholte. Mich nahm das alles ziemlich mit. Wenigstens fiel es mir dadurch leichter, zu verstehen, wie sie heute war.

Wir quatschten den restlichen Abend miteinander, bis ich bemerkte, wie müde mich der lange Tag gemacht hatte. Ich erzählte gerade von meiner Schwester. »Maddy hatte mir zwar angeboten, bei ihr vorübergehend zu wohnen, aber ich wollte sie nicht schon wieder belasten. Auch, wenn sie sich über meinen Besuch freuen würde ... Ich bin erwachsen! Ich kann mich um mich selbst kümmern. Manchmal glaube ich, dass sie denkt, ich gerate wieder auf die falsche Bahn, weshalb sie mich in ihrer Nähe haben will.« Ich seufzte.

»Sie sorgt sich eben nur um dich, ich spreche hier aus Erfahrung«, meinte Lexa mit einem Lächeln, welches mehr traurig als fröhlich wirkte. »Aber ich kann verstehen, warum du nicht bei ihr schlafen willst.« Ihr Verständnis zu meiner Entscheidung fühlte sich gut an. Vielleicht hatte ich einfach mal jemanden gebraucht, mit dem ich über alles reden konnte. Und Lexa ebenfalls. Sie war nicht aufdringlich und wollte nicht alles aus mir herausquetschen, was mir wirklich an ihr gefiel. Ich hätte da schon ganz andere Freundschaften gehabt, die, wie ich heute weiß, keine besonders guten waren. Lexa dagegen hörte mir manchmal einfach nur zu und kommentierte nicht groß, aber das störte mich nicht.

»Sie wohnt eine Stunde von hier entfernt«, fuhr ich fort. »Und ich würde sie nur ungern spät abends stören. Sie würde nur Fragen stellen. Eigentlich wollte ich mir eine andere Unterkunft suchen, aber es ist schon ziemlich spät. Ehrlich gesagt, ... weiß ich nicht ...«, begann ich anzudeuten, als sie den Satz für mich zu Ende führte. Es war mit etwas unangenehm, zu fragen.

»... jetzt weißt du nicht, wo du schlafen sollst«, stellte sie fest. »Keine Sorge, da wir uns sowieso demnächst wieder sehen, kannst du auch gleich hier schlafen. Bestimmt haben wir noch ein Bett frei. Lia wird schon nichts dagegen haben.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, als wäre meine Bitte nichts Großes.

Arrival of the unknownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt