Gefallen

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Ein immer lauter werdendes Summen riss Samantha aus dem Schlaf und als sie in ihrem Unterbewusstsein das Geräusch zuordnen konnte, zwang sie sich, hellwach zu werden. Schnell sah sie aus dem Fenster.

„Was ist das?", wollte Trish mit zittriger Stimme wissen und sah ängstlich zu der Brünetten.

„Flugzeuge", antwortete Stuart für sie und lehnte sich nach vorne, da Leah immer noch schlief.

Samantha schluckte bei Trish's ängstlichem Anblick, sagte jedoch nichts. Sie wusste, was geschehen würde und wollte keines der Kinder weiter damit belasten. Doch Trish war bereits dabei die Beifahrertür zu öffnen.

„Warte!", hielt die Bogenschützin sie zurück und öffnete gleichzeitig das Handschuhfach.

Nach kurzem Kramen holte sie ein paar Kopfhörer daraus hervor und gab sie Stuart mit dem Auftrag sie Leah anzuziehen. Danach nickte sie zustimmend und Trish stieg aus. Die Brünette konnte es keinem der Kinder verbieten, auszusteigen, um sich das Bevorstehende anzusehen.

Sie tat es Stuart gleich und ging, im Gegensatz zu den beiden, direkt zum Bus, um erneut auf dessen Dach zu klettern. Mit einem Ächzen zog sie sich hoch, klopfte die Hände an ihrer Hose ab und richtete sich auf, den Blick gen Himmel gerichtet. Die Positionslichter der Jets hoben sich deutlich von der Schwärze des Nachthimmels ab und zeigten ihr, dass mehrere die Stadt anflogen. In dem Moment, als sie fünf zählte, kamen Trish und Stuart ebenfalls auf das Dach.

Ihr Blick wanderte nach rechts und links die Straße hinunter. Fast alle waren aus ihren Wagen gekommen, um zu sehen, was genau dies zu bedeuten hatte. Sie hatten alle keine Ahnung. Samantha sah wieder zu den schwachen Umrissen der Skyline Atlantas. Die Jets flogen einmal über die Stadt hinweg, drehten auf der anderen Seite nur, um ihnen direkt entgegenzufliegen.

Das erste Militärflugzeug erreichte erneut die Hauptstadt. Sekunden später türmte sich unter ihm eine Flammenwolke auf, welche die Hochhäuser in grelles Licht tauchte und immer weiter in die Höhe stieg. Der Knall der Explosion war auf die Entfernung trotzdem ohrenbetäubend, sodass Trish aufschrie und von Stuart festgehalten werden musste.

Samantha's Beine begannen bei dem Anblick der in Flammen stehenden Stadt zu zittern. Tränen stiegen ihr in die Augen, als die restlichen Jets über die Hochhäuser flogen und einer nach dem anderen seine Bombe fallen ließ. Jede Detonation erschütterte alles um die Stadt herum, bis zu ihnen auf die Straße, welche bereits Meilen entfernt war. Die Flammen schossen dabei immer höher die Wolkenkratzer hinauf, während im Umkreis vereinzelt kleinere Explosionen zu sehen waren.

Rechts und links der Straße konnte die Brünette Angstschreie sowie verzweifeltes Schluchzen hören und auch sie war kurz davor, auf dem Dach des Busses zusammenzubrechen. Der Anblick und all die Geräusche um sie herum waren zu viel. Niemand konnte all dies ertragen, ohne verrückt zu werden. Dieser Anblick ließ ihre Hoffnung auf Rettung schwinden, da sogar die Regierung die Hoffnung aufgegeben hatte, diese Seuche zu stoppen. Keiner der Obrigkeiten war wohl mehr daran interessiert, die Bevölkerung zu retten.

Samantha wischte sich bei diesem Gedanken die Tränen aus ihrem Gesicht. Nun war die Zeit gekommen, in der die beiden Erwachsenen versuchen mussten, alleine einen sicheren Ort zu finden. Nun würde der Kampf ums nackte Überleben beginnen und die Bogenschützin würde alles dafür tun, diese Kinder am Leben zu erhalten.

*

Nachdem sich der Stau aufgelöst hatte, fuhren sie so lange, bis der Bus aufgrund von mangelndem Sprit liegen blieb. Danach musste Samantha eine passende Lösung finden, in der alle Kinder einen Platz hätten. Also versuchte sie, auf der Karte ein geeignetes Plätzchen zu finden. Als sie einen kleinen Hof in der Nähe ihrer Position entdeckte, machte sich die Brünette sofort auf, den Ort auszukundschaften.

Allerdings kam sie nicht weit, da eine Absperrung des Militärs sie am Weiterfahren hinderte. Es grenzte fast schon an ein Wunder, als ein Lieutenant ihr ein Lager versprach, welches nicht nur Schutz, sondern auch Verpflegung bot. Von neuer Hoffnung beflügelt, brachte Samantha sie an diesen Ort. Es glich einem Paradies: Essen, Wachposten und sogar provisorisch errichtete Mauern hielten die Beißer davon ab hineinzukommen.

Sie lebten sich ein, halfen mit und ehe sie sich versahen, geschah das Schlimmste, was hätte passieren können. Eine der Mauern hielt dem Druck einer Horde Beißern nicht stand. Knall auf Fall brach Panik aus. Das Militär begann wild durch die Meute zu schießen, trafen nicht nur Untote, auch unschuldige Männer, Frauen sowie Kinder.

Die Untoten, die es durch den Kugelhagel schafften, schnappten sich jeden, der sich nicht verteidigen konnte. Für sie war es ein Festmahl. Das ganze Szenario dauerte eine Ewigkeit, in der Samantha verzweifelt versuchte die Kinder in Sicherheit zu bringen. Doch es gelang ihr nicht. Ein paar wurden von Beißern erwischt, welche sie gleich darauf von ihrem Leid befreien musste. Andere fielen den Kugeln des Militärs zum Opfer. Cory war selbst mit Beißern beschäftigt und konnte nicht helfen.

Noch dazu wurde sie ständig von Leah umklammert, was ihr zusätzlich das Helfen erschwerte. Als endlich Stille einkehrte, konnte die Bogenschützin erst das Ausmaß der Attacke sehen und versuchen zu begreifen, was überhaupt geschehen war. Die Verluste gaben ihr jedoch den Rest. Zu viele unschuldige Kinder hatten ihr Leben lassen müssen. Das Schlimmste: Die meisten wiesen Schusswunden auf. Dies hatte sie so wütend gemacht, dass sie die Soldaten am liebsten genauso erschossen hätte wie sie es mit den Kindern getan hatten.

Aus diesem Grund saß Samantha für sich alleine auf einem Hochsitz ganz in der Nähe des Lagers, um darüber nachzugrübeln was sie hätte besser machen können. Doch jedes Szenario endete in ihrem Kopf gleich.

„Mach dir keine Vorwürfe", holte Cory sie aus ihren Gedanken, als dieser zu ihr heraufkam. „Du solltest nicht in der Vergangenheit leben, das bringt niemandem etwas und vor allem nicht Leah!"

Bei dem Namen zuckte Samantha leicht zusammen. Cory setzte sich neben sie und legte aufmunternd eine Hand auf ihre rechte Schulter.

„Komm mit zurück zu den andern, die brauchen dich eher als der Hochsitz hier."

Der Koch schaffte es, ihr ein zaghaftes Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Die Brünette atmete einmal tief ein und aus. Im Innern wusste sie, dass Cory mit dem, was er sagte, richtig lag. Doch sie fühlte sich schuldig. Auch wenn sie für den Angriff nichts konnte, dachte sie, sie hätte mehr Leben retten müssen. Nun waren von einst 25 Kindern 16 übrig und die meisten hatten einen Schock erlitten.

„Du hast dein Bestes gegeben und gut gekämpft. Mehr konntest du nicht tun", sagte Cory, nahm die Hand von ihrer Schulter und stand auf.

Samantha nickte langsam. Er hatte recht. Sie musste sich zusammenreißen und stark bleiben für alle, die noch da waren. Vor allem für Leah.

Zurück im wieder notdürftig aufgebauten Lager, welches nur spärlich von Soldaten bewacht wurde, lief die Bogenschützin zu ihrem Adoptivkind. Leah sah sie mit nach unten gezogenen Mundwinkel an, als sie das geräumige Zelt betrat. Es verwandelte sich jedoch sofort in ein breites Lächeln, da die Brünette das Mädchen in eine lange Umarmung zog. Leah drückte sie, so fest sie konnte, da die Kleine ihre Adoptivmutter die letzten zwei Wochen viel zu selten gesehen hatte.

Und auch Samantha wurde in diesem Moment bewusst, wie sehr sie die Kleine vernachlässigt hatte, nur um in Selbstmitleid zu versinken. Dies durfte ihr auf keinen Fall mehr passieren, ansonsten würde sie die einzige Person in ihrem Leben, welche die Brünette noch hatte, verlieren.

„Ich werde immer auf dich aufpassen!", flüsterte sie und gab dem Mädchen einen Kuss auf die Stirn.

Leah grinste sie fröhlich an und antwortete: „Ich pass auch auf dich auf."

Fremde FamilieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt