Kapitel 3

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Bella

Ich stürme in Dads Büro ohne anzuklopfen. Ich weiß wie sehr er das hasst, aber auf dem Weg hier her ist meine Wut so sehr angestiegen, dass ich es keine Sekunde länger aushalte.

„Qu'est-ce que ça devrait?!" [Was soll das?!] rufe ich gereizt als ich den großen Raum betrete. Dad sitzt mit dem Rücken zu mir und scheint die wunderschöne Aussicht auf Los Angeles zu genießen. Im ersten Moment scheint es natürlich seltsam, dass die französische Mafia ihr Hauptquartier in Amerika hat, aber eigentlich ist es gar nicht so dumm. Amerika ist ein viel größeres Land, die Gesetze sind nicht so streng, es ist einfacher Dinge hinein zu schmuggeln, wir können legal Waffen besitzen und man kann viel besser Geschäfte machen.

Er flucht leise und dreht sich zu mir um. Wütend deutet er mir, mich zu setzen und leise zu sein - den Hörer des Telefons am Ohr. Ich tue beides nicht. „Papa, je suis sérieux, à quoi pensiez-vous de faire de Draco un élément permanent?" [Dad ich meine es ernst, was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, Draco schon zu einem festen Bestandteil zu machen?] Wenn ich wütend oder aufgebracht bin kommt mein französisch immer durch, oft ist es nur der Akzent aber bei Dad gebe ich mir gar nicht erst die Mühe und spreche direkt französisch.

„Bella pas maintenant!" [Bella nicht jetzt!] zischt er. Er wendet sich wieder zu seinem Gesprächpartner am Telefon. „Nein gar kein Problem...nein nein, alles gut bei mir...ja natürlich habe ich Zeit das mit Ihnen in Ruhe durchzugehen."

Wütend reiße ich ihm den Hörer aus der Hand. Er erstarrt und funkelt mich an. „Bella, was soll das?!" „Lustig, genau das hab ich dich auch gefragt." schieße ich zurück. Er seufzt resigniert. Er weiß, dass er in diesem Zustand keine Chance hat und mir einfach alles erklären sollte. Er atmet noch einmal tief durch, um sich zu beruhigen, bevor er mir antwortet. „Na schön, was ist los?" „Lopéz hat mir grade frech ins Gesicht gesagt, dass ich ihn gar nicht feuern kann, weil du ihn angeblich schon fest eingestellt hast." „Ja, das habe ich." Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich bohre meine Nägel so tief in meine Haut, bis ich mehr Schmerz als Wut spüre.

„Et depuis quand ne discutons-nous pas de quelque chose comme ça avant ? Il est toujours dans sa formation. Où est-il censé avoir la motivation pour s'entraîner correctement alors qu'il n'a rien à perdre de toute façon?" [Und seit wann sprechen wir so etwas nicht vorher mit einander durch? Er ist noch in seiner Ausbildung. Woher soll er denn bitte die Motivation haben, richtig zu trainieren, wenn er eh nichts zu verlieren hat?] ich bemühe mich in einem ruhigen Ton mit ihm zu reden, aber man hört deutlich, wie sehr meine Stimme zittert.

„Beruhig dich, Bella. Ich habe ihn fest angestellt, weil ich hier der Chef bin, falls du es vergessen hast. Außerdem kenne ich seine Qualitäten und bin mir sicher, dass er das Training nicht schleifen lassen wird. Und falls dem doch so sein sollte, kannst du ja noch mal zu mir kommen." Er redet mit mir, als wäre ich einer seiner Geschäftspartner. „Verdammt, Dad! Was ist denn so besonders an ihm? Es gibt massenhaft andere Männer wie ihn." frage ich verwirrt. Tränen der Wut und Enttäuschung steigen in meine Augen, seit wann entscheiden wir so etwas nicht mehr zusammen? „Es ist meine Entscheidung, wen ich einstelle und wen nicht."

„Setz dich bitte, Bella. Ich möchte noch etwas mit dir besprechen, wo du eh schon mal da bist." „Natürlich, Dad. Was kann ich für dich tun?" frage ich gereizt und ein wenig ironisch, er irgnoriert es einfach und fährt fort. „Ich habe einen Auftrag für dich." Meine Kinnlade klappte nach unten. Und ich vergesse beinahe meine Wut. Aber nur beinahe. Trotzdem versuche ich sie einigermaßen zu verdrängen, bevor er sich das mit dem Auftrag noch mal anders überlegt.

Erwartend sehe ich ihn an. „Ich möchte, dass du mit ein paar deiner Männer zu einem Lagerhaus fährst, das circa 40 Minuten von hier entfernt liegt und ein paar Dokumente für mich findest." Meine Vorfreude ist wie weg geblasen. „Dad, ich bin nicht der Osterhase." „Der versteckt ja auch die Sachen und sucht sie nicht." „Wie du meinst."  „Bella es ist mir egal, ob du willst, ich dachte es tut dir vielleicht gut, hier mal wieder raus zu kommen, aber wenn du nicht willst, schicke ich jemand anderen." Ich nicke resigniert „Na schön, ich machs", das reicht ihm, um fortzufahren.

Vielleicht ist der Auftrag ja doch gar nicht so schlecht.

„Die Lagerhalle befindet sich circa 50 Kilometer entfernt und ist gut mit dem Auto erreichbar." Ich muss lachen. „Was ist denn jetzt schon wieder so lustig?" fragt er und ich weiß genau, dass sein Geduldsfaden kurz vorm reißen ist. Also mache ich weiter. „Das hört sich an, als würdest du Werbung für ein Hotel machen." „Pass auf, sonst kannst du die Nacht tatsächlich in einem Hotel verbringen." sagt er warnend, aber ich kann mir mein Grinsen einfach nicht verkneifen. So ist es mit Dad und mir immer. Ich mache irgendwelche blöden Sprüche und er droht mir mit irgendwas. Im Endeffekt findet er es aber auch immer lustig, wenn er sich wieder beruhigt hat, und seine Drohungen macht er auch nie wahr.

„Auf jeden Fall war es früher mal eine Lagerhalle. Es sind zwei Stockwerke. In dem oberen befinden sich Büros und in dem unteren, das, was von den Lagersachen noch übrig ist." „Wann sollen wir da hin fahren? Morgen?" „Nein, das ist zu früh. Die Dokumente werden da erst in zwei Wochen hingebracht." „Und warum bringt der Typ, der die da hin bringt, die Papiere nicht direkt zu uns?" Verwirrt sehe ich ihn an. „Das ist ja der Punkt: Die Dokumente sind eigentlich nicht für uns bestimmt. Also müssen wir, oder eher du, sie holen, bevor es wer anderes tut."

„Ok. Und weißt du circa, wo im Gebäude sie sein werden?" „Nein, ich weiß nur, dass sie irgendwo in dem Gebäude sind." „Ok, also fahren wir da in zwei Wochen und einem Tag hin?" „Du hast es erfasst."

Er gibt mir noch die genaue Adresse, die mir nichts sagt, und ich verlasse Dads Büro. Ein prüfender Blick auf die Uhr verrät mir, dass das Training der Jungs schon vorbei ist. Also mache ich mir gar nicht erst die Mühe noch einmal zum Trainingsraum zu gehen. Stattdessen beschließe ich, Leon, dem Jüngeren meiner beiden älteren Brüder, einen Besuch abzustatten. In den letzten Tagen hat er sich seltsam glücklich? zuvorkommend? höflich? verhalten und ich hab mir vorgenommen, ein bisschen nachzuhaken.

Bei seinem Zimmer angekommen klopfe ich an die Tür und Leon öffnet sie mir sogar. Ich hatte ein genervtes „Herein." erwartet. Also war das eine angenehme Überraschung für mich. „Was willst du, Bella?" „Ich will mich nur mal mit meinem Bruder unterhalten. Seit wann ist das denn verboten?" Er schnaubt nur, lässt mich aber herein.

Während er sich auf sein Bett fallen lässt, lasse ich mich auf seinem Schreibtischstuhl nieder. „Also, was willst du wissen?" fragt er lustlos. „Ich will gar nichts wissen, ich will mich einfach nur mit dir unterhalten." „Komm schon, Bella, ich kenne diesen Blick. Du willst dich nicht einfach nur unterhalten. Du willst etwas wissen. Also spuck's schon aus." „Na gut, erwischt." Beschwichtigend hebe ich meine Hände. „Hast du neuerdings eine Freundin?" frage ich betont vorsichtig. Er sieht mich überrascht an.

„Was?! Eine Freundin? Nein, hab ich nicht? Wie kommst du überhaupt auf sowas?" „Naja, also erstens, wirkst du in letzter Zeit glücklicher als sonst und zweitens, meinst du ernsthaft, ich hätte die Haargummis, die hier überall rumliegen, nicht bemerkt?" Ich sehe ihn herausfordernd an und er wird rot. Mein großer Bruder, der sonst immer einen auf "ach so taff" macht, wird doch tatsächlich rot. Ich muss mir mein Lachen so hart verkneifen, dass ich das Gefühl habe, gleich zu platzen. Aber ich weiß ganz genau, dass er mich rausschmeißen und mir nie wieder was erzählen würde wenn ich jetzt anfange zu lachen. Also lasse ich es lieber.

„Naja ...sie ist jetzt nicht direkt meine Freundin...aber...es gibt da schon ein Mädchen..." stottert er herum. Jetzt stottert er also auch noch. Dieses Mädchen muss ihm ja echt den Kopf verdreht haben. „Du musst mir alles erzählen." Aufgeregt und abwartend zugleich sehe ich ihn an.

„Ich erzähle dir gar nichts und jetzt raus mit dir, du weißt schon viel zu viel. Und wenn du das jemandem erzählst, bring ich dich um, das schwöre ich dir." „Ist ja gut. Aber jetzt mal ernsthaft, wenn du jemanden zum reden brauchst, bin ich für dich da." „Danke, Schwesterherz." Ich erhebe mich und verlasse das Zimmer. Leon hat also eine Freundin. Den ganzen Weg zu meinem Zimmer kann ich einfach nicht mehr aufhören zu grinsen und komme mir fast so vor, als wäre ich hier die, die verliebt ist.


Es gibt übrigens auf Spotify eine Playlist zu dem Buch ;) sie heißt „broken like glass" und ist von Drachenfeuerfee :)
Love u <3

Broken like glass || PausiertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt