Die Veränderung

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*Und so tat sich etwas in mir. Aus einen Depressiven, Ungläubigen und kalten Menschen wurde ein Mensch mit purer Freude am Sein, mit hoher Empathie und voller Liebe. Eines Tages ging ich raus zum rauchen und ich traf auf eine ältere Dame, sie sah sehr traurig aus. Sie war ebenfalls eine Patientin allerdings von einer anderen Station. Ich setzte mich zu ihr und ich fragte sie was sie bedrückt, ich fragte sie nicht einfach so was sondern aus den tiefsten Herzen und aus purem Interesse. Sie erzählte mir das sie ihren Mann über viele Jahre pflegte und ihn betreute, da er schwer Krank war. Im Grunde drehten sich ihre ganzen letzten Jahre um die pflege ihres Manns, sie konnte allerdings nur zuschauen wie es ihm schlechter und schlechter ging. Eines Tages kam sie nach hause und fand ihren Mann tot im Bett liegen. Dieser Schock saß Tief in ihr, denn jedes mal wenn sie nun die Wohnung betritt sieht sie ihren Mann noch immer Tod im Bett. Sie weinte als sie mir alles erzählte.* 

 Als ich ihr zuhörte ließ mich von nichts ablenken und ich dachte nichts. Es war still in mir, aber was ich in mir war wahrnahm war die Traurigkeit, ihre Traurigkeit. Es zerbrach mir das Herz und ehe ich mich versah weinte ich ebenfalls. Ich weinte mit ihr. Ich hatte das Bedürfnis sie in den Arm zu nehmen also fragte ich sie, sie stimmte zu und so saßen wir Arm in Arm da und weinten gemeinsam was das Zeug hielt. Ich kannte diese Frau nicht und sie mich nicht, wir sahen uns das erste mal und nun sitzen wir da und weinen gemeinsam Arm in Arm. Schon komisch das ich das Bedürfnis hatte sie in den arm zu nehmen, da ich es sonst kaum aushielt wenn mich jemand umarmte den ich kannte und dem ich nahe stand, da ich so viel Nähe nicht zulassen konnte, aus Angst verletzt zu werden. Ich trug also ständig eine Mauer mit mir rum. Doch jetzt umarmte ich jemand fremdes und ich hatte die Mauer diesmal nicht um mich. Wir beteten noch gemeinsam und anschließend erzählten wir noch weiter bis ich mich irgendwann verabschiedete und zur Therapie ging.

Ich fühlte mich so tief verbunden mit einer fremden Person wie nie zuvor, ich nahm ihre Gefühle war und es war als gäbe es keine Grenze mehr zwischen diesen Menschen und mir. Es gab kein Ich und Du sondern nur ein Wir. Auch gab es keine Scham gegenüber einer fremden Person oder diesen Abstand den man sonst gegenüber anderen hat, diese gewisse Schutzmauer. Es war bemerkenswert. All das war nicht vorhanden.

Und solch eine Erfahrung durfte ich Tage später noch einmal erleben, ebenfalls an den selben Ort wie zuvor. Beim rauchen im Raucherhäuschen. Dort saß eine übergewichtige junge Frau, mit fettigem Haar und sie schaute ebenfalls sehr traurig drein. Ich ging mit den anderen Patienten an den Häuschen vorbei und wir setzten uns auf eine Bank. Die Patienten lästerten über die Person was das Zeug hielt, ich schwieg und überlegte ob ich zu ihr gehen soll. Jeder machte einen Bogen um sie und niemand Gesellte sich zu ihr, sie saß ganz alleine und traurig da. Während ich nachdachte, hörte ich nebenbei die Mitpatienten die sich immer noch lustig machten und ich merkte wie es mir reichte und ich ging zu den Mädchen. Ich setzte mich neben ihr und mir stieg ein unangenehmer Geruch in die Nase. Ich bemerkte es, doch konzentrierte ich mich auf das Gespräch mit ihr, ich war ganz drin im Gespräch und so aufmerksam, dass ich überhaupt nicht den Geruch oder die Person wahrnahm. Es war als sah ich durch alles hindurch, als wären alle Äußerlichkeiten nicht da, sondern nur ihr Sein, ihr Kern, die Wesenheit die in jeden von uns steckt. Ich sah nur noch ihre Seele. Also im Übertragenen Sinne, ich konnte nicht durch ihren Körper schauen, als hätte ich einen Röntgenblick. Und so verlor ich mich in dem Gespräch, und später merkte ich,  auch sie hatte ihren Rucksack zu tragen und wie sich herausstellte hatte es alles einen Grund wieso sie zum Beispiel ungepflegter war. Sie hatte viel zu leiden in ihren jungen Jahren und hatte es wirklich nicht einfach, hinzu kamen ungünstige Lebensumstände. Kein Mensch sollte mit weniger Würde behandelt werden als andere, das wurde mir bewusst. Es berührte mich wieder einmal zu tiefst. Sie spürte, dass jemand ihr wirklich zuhörte. Ich habe gemerkt, dass es wirklich was ausmacht , wenn jemand von ganzem Herzen und mit aller Aufmerksamkeit zuhört. Man kann sich fallen lassen und man fühlt sich wirklich gesehen und gehört, außerdem öffnet man sich viel mehr und lässt jegliche Schutzmechanismen fallen, die man sonst aufrecht erhält.

So erzählten wir und bevor ich mich verabschiedete hatte ich den Drang sie zu Umarmen was ich auch tat und als ich ging warf ich ihr noch ein paar aufmunternden Worte entgegen. Sie lächelte nun sichtlich erleichtert und ich ging. 

Ich war erstaunt, all das hätte ich vorher nie getan. Ich wäre bei den Mitpatienten geblieben und hätte wahrscheinlich mit gelästert oder zumindest hätte ich ja und amen gesagt. Sonst bin ich ein Mensch der viel denkt und somit auch viel bewertet. Ich hätte sie in einer Schublade gesteckt und ich hätte einen riesen Bogen um sie gemacht oder ich hätte mich geekelt. Doch so war es nicht, diese Liebe dich in mir trug, gab ich weiter, ich ließ sie andere Menschen spüren und diese Liebe war in der Lage den Menschen zu sehen. Sie sah nicht die Person, wie sie aussah, wie sie sich gibt und so weiter, dass spielte keine Rolle. Die Liebe ist  wie ein Feuer das Lichterloh in mir brannte, und es war teilweise so groß, dass es alles und jeden um sich herum ansteckte. Und so lernte ich immer mehr die Menschen zu sehen, ihr wahres Gesicht, die unschuldige Seele die hinter all den Masken hinter Angst, Kummer und Schmerz und sonst was  steckte.

Die letzten Tage kapselte ich mich etwas von den Mitpatienten ab, da ich merkte das es mir nicht gut tat. Ich merkte das mir die Themen über die  sie sprachen zu Oberflächlich sind, hauptsächlich wurde gelästert oder es wurde sich über irgendwen oder irgendwas aufgeregt. Ich konnte und wollte nicht mitreden. Außerdem merkte ich das ich jetzt ganz andere Themen in meinen Leben hatte, Themen mit denen ich mich mit niemanden austauschen konnte. Also zog ich mich zurück. 

Ich ärgerte mich über die Mitpatienten, denn ich fand es unfair und gemein, dass sie so über andere Reden. Ich sprach sie auch öfter darauf an. Ich war enttäuscht von den anderen. Doch durch die Erfahrung mit den Mädchen konnte ich nun auch in sie schauen. Und so sah ich all die Unsicherheiten und Ängste und hatte Mitgefühl mit ihnen und die Wut verpuffte sich und wurde zu Liebe, ich hatte wirklich tiefstes Mitgefühl mit ihnen. Sie waren keine bösen Monster, niemand ist es.

Ein paar Tage später, gab es dicke Luft im Zimmer. Ich spürte, dass was nicht stimmte, als ich ins Zimmer kam. Also fragte ich was los ist. In den Moment platze es aus der Mitpatientin raus, sie warf mir Dinge an den Kopf die sie störten und die sie schon länger mit sich selbst ausmachte, weshalb sie förmlich wie eine Bombe explodierte. Ich war geschockt von der Wucht der Emotionen und musste mich kurz sammeln. Ich wurde wütend, denn ich fand es unfair, doch ich ließ mir von meiner Wut nichts anmerken und antwortete stattdessen ruhig und gelassen und suchte nach einer Lösung. Doch um so ruhiger und gelassener ich antwortete um so wütender schien es sie zu machen. Somit wurde sie lauter und gemeiner. Ich schluckte alles runter. Als wir zu keiner Einigung kamen verließen wir das Zimmer und ich zog mich in einen ruhigen Zimmer zurück und setze mich auf das berühmte Fensterbrett und sprach mit Gott. Ich sprach so lange bis ich mich beruhigte und nun wusste, wie es weiter gehen soll. Innerlich war ich nun wieder still, ruhig und gelassen und voller Liebe. Also anstatt groll zu hegen, kaufte ich was süßes und gab es ihr, während ich mich bei ihr entschuldigte. Glaubt mir es fiel mir sehr schwer, zwischendurch dachte ich, ich habe ne Meise. Aber ich blieb ständig in Verbindung zu Gott und ich fragte ihn ständig ob es das richtige ist und ich erhielt die Bestätigung. Am liebsten hätte ich mich verteidigt, meine Wut rausgelassen oder noch Tagelang nen Groll gehegt, aber ich tat es nicht, denn das hätte Jesus schließlich auch nicht getan. Als ich mit den Friedensangebot  zu ihr kam, war sie sichtlich irritiert. Ich glaube sie hatte nicht damit gerechnet das ich Friedvoll ihr entgegenkäme sondern als hätte sie einen Gegenschlag erwartet. Es war jedoch ein tolles Gefühl, viel besser, als wenn ich mich ausgetobt hätte, um auf mein Recht zu pochen. Nun war es so friedlich, die dicke Luft schien wie weggepustet, als hätte es sie nie gegeben. Mit einer kleinen Geste kann man alle negativen Emotionen wegpusten und Liebe und Frieden schaffen. Und das coolste war, es war danach so locker zwischen uns. Später trafen wir uns sogar Privat nach dem wir entlassen wurden. Wer hätte das gedacht?

Aus der Dunkelheit ins Licht Und Wieder Zurück?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt