Kapitel 10 - Die Diebin, die trainiert

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Wenn es eins gab, das ich hasste, war es Menschen, die schon zum frühen Morgen hin entschieden, ihrer Motivation freien Lauf zu lassen. Nur weil ich mit frühen Aufstehen zurechtkam - wie manchmal eben nötig als Diebin -, hieß das noch lange nicht, dass es mir gefiel.

Umso weniger gefiel mir also, dass jeder einzelne dieser verdammten Ninja Frühaufsteher zu sein schien. Kaum war ich aufgestanden, hatte mich durch meine morgendliche Routine geschlichen, in der Hoffnung, zumindest ein wenig Ruhe zu haben, wurde ich bereits lebendigen Gesprächen in unterschiedlichsten Lautstärken erschlagen. Mein Auge zuckte.

Hat man hier denn niemals seine Ruhe?

„Ah, guten Morgen Tess! Ich hoffe, du hast gut geschlafen?", begrüßte mich der Nindroid des Teams, worauf ich nur mit einem Grummeln antwortete. Zu viel Energie zu früh am Morgen.

Verdrossen schnappte ich mir meine Tasse Kakao, und hielt sie vor meine Nase, hoffend, wenigstens so allein gelassen zu werden, oder wenigstens wach zu werden. Von allen Seiten schossen mir „Guten Morgen!"s entgegen, oder „Gut geschlafen?"s. Meine Laune fand einen neuen Tiefpunkt.

Wenn ich nur könnte würde ich jeden einzelnen hier ermorden-!

„Na aber hallo!", hörte ich die Stimme des Igelkopfes, und hielt ein Stöhnen zurück. Ein eher arrogantes Lächeln, das er als sexy zu empfinden schien, lag auf seinen Lippen, als er sich an den Tisch lehnte, und mich mit flirtendem Blick ansah. „Wie war die Nacht? Der frühe Vogel fängt den Wurm, huh?"

„Der ‚frühe Vogel' kann mich mal.", antwortete ich kühl, in demselben Moment, in dem Wu eintrat. Ich ignorierte ihn - ebenso wie Kai - demonstrativ, und griff nach dem Brot.

Das konnte ja nur schlimmer werden.

„Also, was machen wir heute, Sensei? Schon irgendwelche Pläne bezüglich unseres Trainings?", fragte Cole, während wir aßen. Er war - wir wir alle - natürlich schon längst angezogen, üblicherweise in dem seltsamen Schlafanzug-Ding. Wu sah ihn geradewegs an, richtete seine Worte und seinen Blick aber auch an uns andere.

„Ich dachte an eine Trainingseinheit mit dem neuen Mitglied, um sie an unsere Techniken zu gewöhnen. Dadurch würdet ihr alle euch besser kennenlernen."

„Hast du gehört Tess? Wir werden uns näher kennenlernen. Irgendwas besonderes, das du über mich wissen willst?", bemerkte Kai, dem ich nicht einmal meinen Kopf zuwandte.

„Vielleicht, ob deine Idiotie angeboren ist. Deine Schwester mag ja sehr vernünftig sein, doch weder dein Verhalten, noch deine Sprache scheint auf egal welche Weise, als hättest du etwas im Kopf."

„Ouhhh! Das muss wehtun!", merkte Cole an.

„Zurückweisung auf ganz hartem Niveau!"

„Uff, sorry Bro, da hatte sie dich!"

Nya lachte, und warf mir einen Blick zu, der mich verriet, dass sie diesen Moment genoß. Hinter meiner Tasse schmunzelte ich, meine Berechnungen waren richtig gewesen. Sie fand es absolut genial, ihren Bruder an meiner Mauer abprallen zu sehen. Sie sandte mir ein funkelndes Lächeln, mit der versteckten Botschaft: Gut gespielt.

Ninja - 0, Ich - 1

Dann trank ich einen kleinen Schluck von der braunen Flüssigkeit in meiner Tasse, während mein Blick sich wieder verdunkelte.

Bei unserer ersten Begegnung hatte ich einen kleinen Eindruck vom Können der Ninja erhalten, der mir nun einen erheblichen Vorteil verschaffte. Ich kannte Teile ihrer Aufstellung, ihrer Gedanken, musste jedoch aufpassen, mich nicht durch meine Techniken zu verraten. Als Diebin hatte ich ihnen nicht allzu viel gezeigt, doch das wenige könnte dennoch einen Unterschied machen. Nicht umsonst war Zane das Gehirn des Teams.

Im Augenblick wehrte ich einige Angriffe von Cole ab, der die größte Kraft im Team besaß. Die anderen sahen zu, um im Nachhinein Verbesserungsvorschläge abzugeben. Sie waren mit ihren Parts bereits durch, nur Cole und ich waren übrig geblieben, und stellten nun die letzte Einheit des Tages dar.

Ich hatte einige Mühe, gewisse Schläge abzuwehren, doch meine Konzentration blieb geschärft wie ein Dolch, meine Sinne wie Reißzähne. Ich bemühte mich, nicht zu viel meines ursprünglichen Trainings durchscheinen zu lassen, ebenso wenig wie meine ‚schmutzigen Tricks', die ich mir in meinem Leben angeeignet hatte. Ronin hatte sie gehasst, jeden einzelnen Trick, den ich auf Lager hatte, und auch die, die er nur noch nicht kannte. Manchmal fragte ich mich, wieso er überhaupt noch mit mir zu tun hatte - Training, ‚privat' oder geschäftlich.

Ein scharfer Atemzug entwich meiner Lunge, als ich den letzten Hieb blockte, der mich beinahe von den Füßen gestoßen hätte. Ich war ein wenig kleiner als Cole, was einen Nachteil darstellte, ebenso wie der Kraftunterschied.

„Nicht schlecht.", meinte er, sein Atem genauso schwer wie meiner.

„Danke.", sagte ich schlicht, mein Herz immer noch am Pumpen von dem intensiven Training. Das letzte Mal, das ich so viel trainiert hatte, war etwas länger her, was ich nun schmerzhaft zu spüren bekam. Meine Muskeln schrien, obwohl sie eigentlich in sehr guter Form waren.

Für's Stehlen und Fliehen vielleicht, und auch noch für Parcours und Turnen... Aber wie lange hast du dein normales Training vergessen?

Nya warf mir ein Handtuch zu, damit ich den Schweiß von meiner Stirn wischen konnte. Dankbar nickte ich ihr zu, als auch eine Wasserflasche hinterherflog.

„Du hast gute Reflexe.", keuchte Cole, dem ich ein Nicken zukommen ließ. Meine Schultern zuckten.

„Wenn man eine Weile allein lebt sind sie recht praktisch."

„Hast du keine Eltern oder so?", fragte Jay, und ich gefror praktisch. Hielt mich davon zurück, die anwesenden Personen für diese Frage, und die ehrliche Antwort, die ich in meinem Herzen trug, zu töten, waren sie doch für diese verantwortlich.

„Nein.", antwortete ich, meine Stimme wieder kühl wie Eis. Sie machte Zane's Elementarkräften deutliche Konkurrenz, und sogar ich selbst war von dieser plötzlichen Kälte überrascht. „Nein, die habe ich nicht."

In meinen Gedanken sah ich die Gesichter meiner Familie, und verdammte die fehlende Kontrolle über meine Gefühle. Doch was gesagt war, war gesagt, und ich würde es definitiv nicht zurücknehmen.

„Du gehörst nicht dazu!", zischte die Gestalt, die mir sonst mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. „Du bist Schuld, dass meine Schwester nicht länger lebt!"

„Du bist anders, akzeptier das einfach.", sagte eine Zweite, von der ich es einfach nicht glauben konnte. Durch dick und dünn, und dann...?

Sie wechselten Blicke, doch ich ignorierte sie, wie sonst auch schon, und lief zurück in den Innenbereich des Flugschiffs, stellte mich unter die Dusche, und atmete durch. Denk an deine Selbstkontrolle, Tess...

„Was geht denn hier schon wieder vor?", fragte Wu, als er an mir vorbei heraustrat. Die Ninja sahen sich betreten an.

„Wir haben Tess etwas über ihre Familie gefragt...", murmelte Jay kleinlaut. Wu hielt sich den Nasenknochen.

„Ich dachte, ich hätte euch klargemacht, genau das nicht zu tun?!"

„Tut uns leid, Sensei...", ließen ihre Stimmen verlauten, während Nya nachdenklich hinter mir hersah.

Was ist ihr nur passiert...?

Enemy's daughter -  A Thief's Heart | NinjagoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt