Kapitel 12 - Die Diebin, die frühmorgendlich das Schiff verlässt

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Am nächsten Morgen entschloss ich mich, Ronin einen Besuch abzustatten. Ich hatte mich nicht verabschiedet - es war früher Morgen -, und könnte dafür später vielleicht noch Ärger bekommen.

Was soll's. Ich habe eh nicht vor, mich sonderlich gut mit ihnen zu stellen.

Sie konnten sich genauso gut gleich daran gewöhnen, dass ich kein kleines Hündchen ihres Sensei war. Ich war ein Jäger, umringt von Beute.

"Ah, hallo Tess.", begrüßte mich Ronin, als das Klingeln der Tür mein Eintreten verkündete. "Wie sieht's aus an der Ninja-Vemeiden-Front?"

"Schlecht.", antwortete ich mit düsterer Stimme. Meine Miene war, als hätte ich in eine Zitrone gebissen, die nicht nur sauer, sondern auch schlecht war. Meine Musterung von ihm war abschätzend. Vermutlich würde er gleich mehr als laut loslachen. Ich ruckte meinen Rucksack auf den Ladentisch. "Der Sensei hat mich eingefangen."

"Und?", fragte Ronin. Ich knirschte mit den Zähnen.

"Und hat mich gezwungen, nun mit den Ninja zu arbeiten und zu leben."

Einen Augenblick Stille. Dann, wie vorhergesagt...

"BAHAHAHA! Das ist nun wirklich komisch, Tess, echt jetzt! Sehr guter Witz, wirklich!" Er japste, und schnappte nach Luft. Ich sah ihn ohne Emotionen an.

Ich wusste es...

"Und jetzt Mal in ehrlich, Tess, wie läuft's?"

"Das... war die Wahrheit."

Erneutes Lachen, bis ihm die Tränen kamen. Ich beherrschte mich, wenn auch nur spärlich. Meine Zähne knirschten. "Bist du fertig?"

"Nein...", keuchte er, lachte weiter, und hörte dann endlich auf. Endlich. "Das ist einfach nur zu genial. Die Unfassbare wurde gefasst... Von einem alten Mann..."

"Ich bin auch nicht sonderlich stolz darauf.", gab ich zu, widerwillig. "Aber ich kann's nicht ändern. Du kannst dir ja vorstellen, wie sehr mir das gegen den Strich geht. Vor allem, da er mitverantwortlich für... Du weißt schon..."

Ronin beruhigte sich. "Ja, ich weiß... Aber vielleicht ist das ja eine Chance."

"Eine Chance wofür? Zu vergeben und zu vergessen?", spottete ich verächtlich, schnaubte. "Als wenn das jemals passieren würde."

Er seufzte. In seinen Augen zeigte sich ein Funken von etwas, was ich nicht ganz erkennen konnte, nur, dass es mir positiv gesinnt war. Zumindest hoffte ich es. "Falls etwas ist, weißt du, dass du zu mir kannst. Jederzeit. Egal, was ist."

"Danke.", meinte ich, etwas entspannter. Wenigstens diese Konstante blieb, während sich alles änderte.

"Und jetzt erzähl mir Mal, was da alles so abgegangen ist.", lenkte er ab. Ein Funkeln lag in seinem Blick, und ich stöhnte.

Das kann ja heiter werden.

„Sieht ja nicht sonderlich rosig aus bei dir."

„Ach ne. Hätte ich jetzt nicht erwartet."

Er hob seine Hände zum Zeichen des Ergebens. „Schon gut, schon gut. Aber ich weiß wirklich nicht, wie ich dir da helfen kann."

„Vielleicht mit einem Ratschlag."

„Was willst du hören?"

„Kommt drauf an. Wie viel kostet ein Guter?"

„10 Münzen."

„Dann lass ich's besser sein."

„Kluge Entscheidung."

Er grinste, während ich düster aus dem Schaufenster heraussah. „Hast du etwas über die Schlangen gehört in letzter Zeit?"

„Nicht einen Piep. Oder eher ein Zischeln."

„Das hatte ich vermutet."

„Tja. Ich halt' die Augen und Ohren offen, falls dir das hilft. Gegen Bezahlung natürlich."

Ein böser Blick ließ ihn zurückrudern. „Du bekommst nen Sonderpreis, keine Sorge."

Ich seufzte. Er würde sich nie ändern. „Was ist mit meinem Verfügbarkeitsstatus? Sollen wir ihn auf ‚beschäftigt' stellen?"

Ronin betrachtete mich abschätzend. „Es ist mir schon klar, dass du ein wenig zurückstecken musst, um nicht aufzufallen. Aber ich glaube, es wäre besser, ihn nicht zu verändern. Je nach Auftragsart kannst du immer noch ablehnen, doch so bleibt dir immer eine Möglichkeit offen, ein bisschen Kohle zu kassieren. Es wäre außerdem auffällig, sich genau jetzt zurückzuziehen."

„Stimmt auch wieder." Frustriert ging ich durch meine Haare, die in meinem Nacken zu einem Zopf gebunden waren. Wu hatte mich in eine unschöne Lage gebracht, und Aufträge wären unter diesen Umständen schwer zu erfüllen. Vielleicht ein oder zwei im Monat, mit Glück einen pro Woche, mehr würde bei seiner Überwachung nicht funktionieren. Er hatte meine Geldquelle lahmgelegt. Und damit meine Möglichkeit für Autonomie. Er zwang mich, mich auf sie einzulassen und zu verlassen. „Verdammt, ich hasse es. Wie soll man denn so noch arbeiten? Man kann doch keiner ehrlichen Verbrecherin-" Ronin hustete, „-einfach so den Geldhahn zudrehen, um sie gefügig zu machen!"

„Wie du siehst...", meinte er trocken. Wieder funkelte ich ihn an. „Ich sag's ja nur."

Ein Blick auf meine Arbanduhr verriet, dass es bereits acht Uhr war. Zeit, zurückzukehren, in die Höhle des Teufels. „Ronin...", jammerte ich. „Kannst du mich nicht einfach bei dir im Laden verstecken?"

„Jetzt, wo die Ninja dich haben?", er hob eine Augenbraue. „Keine Chance, Kleine. Am Ende schnappen die mich noch gleich mit."

„Ich hasse dich."

„Ich hab dich auch lieb. Geh besser, bevor sie nach dir großflächig suchen."

„Jaja..."

„Jaja heißt ‚Leck mich am Arsch!", empörte er sich, doch ich ging bereits zur Tür heraus.

„Das wäre Ja, Ja, Ja!"

Die Tür schloss sich.

Den Rucksack auf meiner Schulter kehrte ich ins Schiff zurück, gerade rechtzeitig zum Frühstück. Misstrauisch roch ich, ob zu erkennen war, wer gekocht hatte. Wenn es Cole gewesen war, würde ich keinen Bissen anrühren, selbst, wenn ich dann hungern müsste. Der Typ schaffte es irgendwie, sogar einfache Dinge wie Toast zu verkohlen... Ohne Toaster. Müsste das nicht Kais Spezialgebiet sein?

„Da bist du ja! Wir haben uns schon gefragt, wo du wieder hin bist!", hörte ich schon Jays vorwurfsvollen Ton, aber ich ignorierte ihn.

Zane. Den Wunschbäumen sei Dank.

Stumm setzte ich mich an den Frühstückstisch, der bereits üppig gedeckt war, an dem schon Wu, Kai und genannter Jay saßen. Cole kam gerade erst jetzt hinein, Nya wahrscheinlich noch in der Werkstatt oder dem Bad. Zane stellte das letzte Glas Marmelade auf den Tisch.

„Es ist angenehm dich zu sehen, Tess. Ich hörte, du warst bereits unterwegs?"

„Irgendwo muss ich ja meine Sachen loswerden, die jetzt keinen Nutzen mehr haben.", antwortete ich ihm. Bis jetzt war er zumindest nichts anderes als freundlich zu mir gewesen, also beschloss ich, ihm gegenüber Gnade walten zu lassen. Aus diesem Team dürfte er mich noch am besten verstehen.

Urgh... Wie das klang... Ich wurde weich.

„Kann ich fragen wo? Scheint ja ein echt guter Ort zu sein, wenn du so früh schon aufbrechen kannst.", fragte Kai, dem ich einen eisigen Blick zuwarf. Der Idiot hatte gerade das letzte bisschen Nutella genommen, das noch verblieben war.

„Ronin."

„Der?", fragte Lloyd, mit gerunzelter Augenbraue.

Fast sofort wurde ich verteidigend. „Er zahlt gut, na und? Ich kenne ihn nunmal länger als diese neuen Möchtegern-Ankäufer."

Ronin war einer meiner Kontakte. Diese genoßen Schutz. Herausfordernd sah ich ihn an, na los, wag es schon! Ich warte!

Anders als erwartet, sagte mein neuer Gegner nichts abfälliges mehr, lediglich; „Wir kennen ihn auch schon länger..."

Die Ninja wechselten Blicke, entschieden sich jedoch dagegen, mehr zu sagen, um mich nicht weiter zu verärgern.

Gut so.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 29 ⏰

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