Es hatte eine ganze Woche gedauert, dass ich mich wieder aus der Wohnung traute. Ich war noch immer sehr vorsichtig, doch ich brauchte die Bewegung dringend – es war etwas anderes als die Möglichkeiten, die sich mir in der kleinen Wohnung boten, und ich brauchte Geld. Also musste ich ein paar meiner gestohlenen Sachen zusammenraufen und zu Ronin.
Die Türklingel bimmelte wie gewohnt, und Ronin sah automatisch auf.
„Na, wenn das nicht die kleine Tess ist. Wie läuft's?"
„Mies. War die Woche über in der Wohnung, das war mir dann doch zu gefährlich mit den Ninja im Park.", grummelte ich. Wir waren uns einig, dass man die kleine Wohnung nicht als ‚Zuhause' bezeichnen konnte, und dass es auch keinen Grund dazu gab. Er hatte mir zwar mehrfach schon angeboten, bei ihm einzuziehen (mit Miete, natürlich), aber ich hatte jedes Mal abgelehnt. Ich wollte lieber Einzelgängerin bleiben, unabhängig. Ein Seufzen entfloh mir. „Ich hab' dir ein paar Sachen mitgebracht. Sag mir nen ungefähren Preis. Ich brauch die Kohle."
„Klaro. Sieh dich so lange ruhig um, ich hab ein paar neue Dinge im Sortiment."
Ich zuckte mit den Achseln und wanderte zum nächsten Regal. Ronin fluchte leise. „Was hast du mir da denn schon wieder für einen Kram mitgebracht? Tess, das kann ich ja nicht einmal im Traum verkaufen!"
Meine Augenbraue wanderte in die Höhe. Er schrumpfte unter meinem Blick.
„Okay, okay. Ich kapier's schon, der Trick zieht bei dir nicht.", winselte er. Seine Haltung sagte alles; Einen Versuch war es ja wert gewesen. Ich lächelte schwach. Dann wandte ich mich ab, um durch den Laden zu schlendern, wie üblich, wenn Ronin seine Dinge inspizierte.„Waren die Ninja schon hier?", fragte ich wie nebenbei. Meine Stimme war ruhig, auch, wenn ich selbst alles andere als das war.
„Nein. Aber ich erwarte sie bald. Man sollte meinen, dass sie langsam verzweifeln, immerhin suchen sie schon seit einer ganzen Woche."
Ein Nicken meinerseits, dann fokussierte ich mich wieder auf die Waren vor mir. Die Türklingel läutete ein weiteres Mal, doch ich schenkte dem keine Beachtung. Bis ich die erste Stimme hörte.
„Hey, Ronin. Hast du zufällig ein Mädel gesehen, das irgendwie seltsam ist?"
Kai. Natürlich.
So viel zum Thema Glück!, stöhnte ich innerlich. Das schien mich nämlich offiziell verlassen zu haben. Wenn man vom Teufel spricht...!
„Ah, Kai. Was für eine Überraschung euch zu sehen.", meinte Ronin, als sei ich nicht im Raum und eine ihm unbekannte Kundin. Oder eher eine zwar bekannte, aber unschuldige Kundin. Also genau das, was ich nicht war. „Ich hatte schon vermutet, dass ihr demnächst zu mir finden würdet. Die Zeitungen sind ja voll von diesen ganzen Berichten um diesen Kunstdieb."
„Wohl eher ein Juwelendieb. Ziemlich diebische Elster.", warf Cole ein, und ich verdrehte meine Augen. Oh bitte... Ich habe wesentlich mehr Stil als diese bescheuerten Vögel.
„Elster oder nicht, sie ist ziemlich schwer zu finden. Nach ihrem letzten Diebstahl hat sie keine Spuren hinterlassen.", klinkte Zane sich ein.
„Also, kennst du sie vielleicht?", fragte Lloyd, mit Blick auf Ronin, der tat, als sei er beleidigt.
„Also wirklich! Denkt ihr allen Ernstes, ich würde diesen mysteriösen Dieb kennen? Ich bin ein seriöser Händler!"
Das fuhr ihm mehrere hochgezogene Augenbrauen und vielsagende Blicke ein. Sogar ich musste zugeben, dass ich mich nicht zurückhalten konnte. Ronin? Ehrlich? Da würde ich eher meine Kanne der Verbannung fressen!
Ronin schien zu merken, wie wenig ihm die Lüge abgekauft wurde, denn er ruderte zurück.
„Okay, das stimmt vielleicht nicht ganz."„Warst du nicht derjenige, der damals von uns das Schwert der Prophezeiung gestohlen hatte?", erinnerte Lloyd.
Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Schlagfertig.
„Okay, das war ich."
„Oder derjenige, der seine Seele an einen Geist verkauft hat, um an mehr Geld zu kommen?", feuerte Zane.
„Oder derjenige, der die Schriftrolle des Airjitzu gestohlen hatte?", lenkte Cole ein.
„Zane an Chen verkauft hatte, nachdem er sich von seinem Kampf mit dem Ultrabösen erholt hatte?", fügte Kai ein. Ich sah, wie Ronin bei diesem Vorwurf ein wenig zusammenzuckte. Scheinbar hatte Kai einen wunden Punkt getroffen, denn er schwieg weiterhin. Jay's nächster Vorwurf dagegen, ließ mir das Blut in meinen Adern gefrieren.
„Uns im alternativen Ninjago verraten hat, um etwas dazuzuverdienen?"
Meine Bewegungen stoppten, ich gefror an Ort und Stelle. Er erinnert sich?!
Keiner der Ninja bemerkte, als mein Blick zu ihnen herüberflog, ich Jay anstarrte als hätte ich einen Geist gesehen. Ronin dagegen schon.
„Okay, okay, ihr habt mich ja schon. Auch, wenn ich das letzte nicht bestätigen kann. Wie auch, ist ja nicht passiert in dieser Realität. Um zu eurer Frage zurückzukehren, ja und nein. Ich kenne den Dieb, aber gleichzeitig nicht."
„Wie soll das denn gehen?", blinzelte Zane. Ronin lief um seinen Tresen herum, scheinbar ohne mich zu beachten. Ich spürte seinen Blick, der kurz zu mir herüber flatterte.
„Der Dieb hat versucht, mir den neuesten Edelstein anzudrehen. Und wie sonst einen Mantel getragen. Schwarz, undeutliche Gestalt. Keine Ahnung ob Mann oder Frau. Ziemlich wortkarg. Schien eher in Eile zu sein. Verständlich, wenn man gerade etwas gestohlen hat."
Die Ninja wechselten einige Blicke, und ich atmete etwas schneller als sonst. Mein Herz klopfte, doch ich durfte mir nichts anmerken lassen. Ein... Aus... Ein... Aus...
„Klasse.", stöhnte Cole.
Lloyd schien ihm zuzustimmen, mit wenig begeisterter Miene. Jetzt, wo ich ihn von nahem sah, konnte ich auch erkennen, wieso ich Garmadon damals so an ihn erinnert hatte. Er hatte weiche, aber dennoch von Entschlossenheit geprägte Gesichtszüge, sowie einen Ausdruck in seinen Augen, bei dem ich schauerte. Es war derselbe Ausdruck, den auch ich in meinen Augen trug; von Erfahrung der Abweisung anderer und der trotzigen Stärke, die allem widersprach. Ich hatte gehört, dass er früher so war, wie ich nun; einsam, verlassen. Sah ich ihn mir nun an, hatte er es definitiv überwunden. Er war anders als ich, und doch gab es unwiderlegbare Parallelen, die in mir die Frage aufkommen ließ, ob ich auch irgendwann meinen Platz finden würde.
„Also sind wir wieder am Anfang.", fasste er ihrer aller Gedanken zusammen, ließ mich aus meinen herausschrecken.
„Tja, tut mir leid, da kann ich euch wirklich nicht weiterhelfen. Versucht's ein anderes Mal wieder, doch ich bezweifle, dass es da anders wird.", meinte Ronin, überzeugend wie nie. Ich konnte seine Lüge von hier aus erkennen, doch die Ninja schienen weniger begabt. Bis auf Lloyd waren sie aber auch nicht in ‚feindlicher' Umgebung aufgewachsen.
„Ach komm schon! Es muss doch irgendeinen Weg geben, diese Diebin zu finden!", grölte Jay genervt, und ich zuckte etwas zusammen. Die Bewegung ließ die Ninja auf mich aufmerksam werden.
„Wer bist du denn?", fragte Cole mich, als er mich bemerkte. Seine, wie auch die Augen seiner Kameraden nahmen einen Schleier an, und ich seufzte innerlich.
Nicht schon wieder...
„Wow, was macht eine schöne Lady wie du denn hier?", sagte Kai flirtend, und ich warf ihm einen angewiderten Blick zu. Bedauerlicherweise nahm er ihn durch den Schleier nicht wahr, ebenso wenig wie den Blick, den ich Ronin zuwarf. Er zuckte die Achseln.
Dein Problem., schien er zu sagen. Ich sandte ihm einen weiteren Blick zu;
Nicht hilfreich!
Ich seufzte innerlich.
Klasse...
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Enemy's daughter - A Thief's Heart | Ninjago
FanficNinjago Ff. "Also, nur um das Ganze hier noch einmal zusammenzufassen. Ich stand in Ronin's Krämerladen, in der Hoffnung, an etwas Geld zu kommen, nachdem ich mich eine Woche - eine verdammte Woche lang! - vor den Ninja in meiner Wohnung versteckt...