Kapitel 1 Unterwürfig

1.9K 41 7
                                    

"Unterwürfig."

Das war meine Antwort, aber glücklicherweise ging sie unter in dem Geschrei von Anna und Barbara, als es an der Haustür klingelte. Ich blieb auf der Couch sitzen, mir gegenüber Neda.

"Endlich! Die Pizza ist da!"

Sie sprangen auf, und ich war froh, dass sie meine Antwort nicht gehört hatten. Ich hätte sie gar nicht beantworten sollen, aber der Alkohol hatte meine Zunge gelöst, und das Wort war mir schneller entfahren, als es mein Verstand zurückhalten konnte.

Die Antwort auf die Frage: "Wie bist du im Schlafzimmer? Dominant oder unterwürfig?"

Anna und Bärbel, meine WG-Mitbewohnerinnen, hatten es nicht gehört, und das war auch besser so. Sie waren lieb, und ich mochte sie wirklich. Wir verstanden uns prächtig, waren ein erstklassiges Trio.

Durch die Pandemie und die Lockdowns waren wir zu richtig guten Freundinnen geworden. Unsere Freitagabende im Wohnzimmer mit Brettspielen, Junkfood und viel Alkohol waren legendär. Aber manchmal, vor allem wenn der Alkohol sie verführte, ritt sie auch der Teufel. Dann konnten sie einen (also mich) unglaublich nerven mit ihrer distanzlosen Art, die keine Grenzen kannte. Betrunken war ihnen nichts tabu, vor allem alles, was mit Sex zu tun hatte.

In diesem Moment hatte das Junkfood mich jedenfalls vor ihrem Spiel und einer peinlichen Beichte gerettet.

Aber da war noch Neda. Sie war gerade erst bei uns eingezogen, und ich hatte bislang keine große Gelegenheit gehabt, sie wirklich kennenzulernen. Ich hatte lediglich zwei Sätze mit ihr gewechselt.

"Ich bin Neda!" hatte sie sich vorgestellt. "Eine stolze Perserin!", und dann hatte sie mir ihre Hand gereicht, wie man einen Fremden begrüßt.

"Okay", hatte ich erst gedacht, da ist jemand aber sehr von sich überzeugt. Aber ihrem Satz war ein breites Lächeln gefolgt, und ihre tiefschwarzen Augen hatten voller Wärme geleuchtet. Im nächsten Moment, sie hielt mein Händeschütteln noch, hatte sie mich zu sich gezogen und mich herzlich umarmt. Sie war mir ein Rätsel, und ich hatte keine Ahnung, was "stolze Perserin" bedeuten sollte. Sie sprach perfekt Deutsch, allerdings mit einer sanften und manchmal etwas leisen Stimme.

Sie war so eine, die man vorschicken könnte, wenn man über einen vereisten See gehen müsste, aber nicht wusste, ob das Eis trug. Sie würde da ganz vorsichtig rüber schleichen und auf jedes Knacken des Eises achten. Sie würde sicherlich über den See kommen, so bedacht und vorsichtig war sie. Ich Trampel würde sofort einbrechen und ertrinken. Mit anderen Worten, sie war sehr sensibel, zart. Wie so eine echte Frau, so eine, die bei bestimmten Typen gut ankommt.  Zurückhaltend. Stilles Wasser. So in der Art.

Neda studierte irgendwas auf Ingenieurin und hatte die Uni gewechselt, was sie in unsere WG geführt hatte.

Bärbel und Anna kamen zurück mit den Pizzas und zwei großen Flaschen Lambrusco. Es wurde ein netter Abend. Wir aßen, tranken, lachten und vergaßen das "Beichtspiel", das wir zuvor gespielt hatten, in dem jeder fünf Fragen auf einen Zettel aufschreiben sollte, die man dann aus einem Hut fischen und wahrheitsgemäß beantworten musste. Es war ohnehin nicht so meins gewesen.

Die Mädels schauten sich noch einen Film an, aber ich hatte keine Lust und zog mich in mein Zimmer zurück. Ich hatte eigentlich noch etwas für die Uni zu tun. Aber der Alkohol hatte mir die Konzentration geraubt, und so vertrödelte ich die Zeit mit Tiktok, musste aber immer wieder an das eine Wort denken. Es war nicht das Wort, das mich beschäftigte, sondern die Tatsache, dass ich geantwortet hatte. Ich hatte mich eigentlich noch nie so richtig mit dem Thema beschäftigt, wie ich im Schlafzimmer war. Aber da es eine geschlossene Frage mit nur zwei Optionen war, hatte ich mich entscheiden müssen. Offenbar gab es etwas in mir, dass diese Frage schneller beantworten konnte als mein Verstand. Auf Tiktok rotierte ein Musikclip immer wieder im Kreis, aber meine Gedanken wanderten weiter um das „Unterwürfig", bis ich dabei einschlief und davon träumte, dominiert zu werden. Und ich musste gestehen, dass es ein Traum war, der ein ganz warmes Gefühl in mir hervorrief.

Meine Herrin NedaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt