Prolog

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Es gibt Momente im Leben, in denen man das Gefühl hat, sie sind zu schön, um wahr zu sein.
Man spürt förmlich wie das Böse immer näher kommt und einen schwarzen Schleier über dich legt, der dir den Boden unter den Füßen wegreißt.

Genau dieses Gefühl habe ich, seit dem ich heute Morgen aus dem Bett gestiegen bin und ich werde es einfach nicht los.

Ich werfe einen kurzen Blick auf mein Handy und bemerke eine Nachricht von meinem Freund Finn.
Seine Worte bringen mich augenblicklich zum Strahlen und lassen mich alle negativen Gedanken vergessen.
Wir zwei sind jetzt schon seit eineinhalb Jahren ein Paar und überglücklich miteinander.
Wenn ich bei ihm bin, fühle ich mich zu Hause. Er zeigt mir, was es heißt geliebt zu werden und legt mir die Welt zu Füßen.
Ich kann es kaum erwarten, ihm später in die Arme zu fallen.

Ich weiß, es mag für den ein oder anderen unglaubwürdig klingen, aber ich bin immer noch genauso verliebt in ihn, wie am ersten Tag. Wir sind verrückt nach einander und würden am liebsten jede freie Minute miteinander verbringen. Ich muss zugeben, dass es wohl einige unserer Freunde etwas nervt, dass wir so aneinander hängen, aber was soll man machen?
Seine Liebe verstecken?

Auf dem Weg zu unserem Treffpunkt, an dem wir uns mit unseren Freunden verabredet haben, kommt dieses merkwürdige Gefühl zurück. Mir läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken und ich könnte schwören mich beobachtet jemand.
Gott, werde ich jetzt schon paranoid?

Ich versuche diesen Gedanken zu verdrängen und laufe weiter den abgelegenen Weg entlang, bis ich an unserer alten Halle ankomme.
Genau genommen ist es nicht „unsere" Halle.
Sie gehört einem von Finns Freunden.
Der riesige Raum ist voll mit Kartons in denen was weiß ich für Dinge gelagert werden.
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was die Jungs hier treiben. Finn nimmt mich nicht oft mit ins Innere der Halle, maximal in den Eingangsbereich.
Manchmal bin ich schon etwas neugierig, was all diese Kisten betrifft. Was dort wohl drin sein mag?
Ich schiebe die Tür zum hinteren Bereich ein Stück auf, doch bevor ich irgendwas erkennen kann, steht Finn hinter mir, wirbelt mich herum und drückt mir einen stürmischen Kuss auf die Lippen.
Sofort fangen alle Schmetterlinge in meinem Bauch an zu tanzen.

Er lehnt sich ein Stück zurück und sieht mich an. Der Blick aus seinen tannengrünen Augen ist hypnotisierend und zieht mich, wie immer, in einen Bann.
„Was hattest du denn da gerade vor, Süße?", raunt er mir mit seiner tiefen Stimme ins Ohr.
Eine wohlige Gänsehaut macht sich in mir breit. „Ich wollte bloß nachsehen, ob schon einer von euch da ist." lüge ich gekonnt.
Eigentlich war es ja nicht wirklich eine Lüge. Ich wollte tatsächlich nachschauen, ob jemand da war. Wenn ich dabei etwas gesehen hätte, was ich nicht sehen sollte, wäre das reiner Zufall gewesen.

Er sieht mich mit einem misstrauischem Blick an und es scheint, als würde er versuchen etwas aus meinem Gesichtsausdruck zu lesen.
Schließlich entspannt er sich wieder und fährt sich durch seine blonden kurzen Haare.
Er weiß, dass ich unfassbar neugierig bin, aber ich habe seine Grenzen bis jetzt immer respektiert.

„Ich hab dich vermisst, Baby", sagt er, während er mich an sich ran zieht und eine Hand unter mein Kinn legt. Mit seinem Daumen streicht er über meine Unterlippe und küsst mich anschließend erneut. Diesmal ruhiger und intensiver.

Als wir uns voneinander lösen, schnellt plötzlich das große Tor hinter Finn nach oben und auch die Tür, durch die ich vor knapp fünf Minuten noch schleichen wollte, öffnet sich.
Sie waren die ganze Zeit schon hier und haben auf uns gewartet.

Es ging alles so schnell, dass ich überhaupt nicht realisieren konnte, was sich dort vor meinen Augen abspielt.
Eigentlich kommt keiner außer uns an diesen Ort, ich dachte nicht einmal, dass ihn irgendein Außenstehender kennen würde.
Aber da habe ich mich offensichtlich getäuscht.

Ein Blick in Finns Richtung verrät mir, dass auch er keinen Schimmer hatte, was hier passiert und das macht mir wahnsinnige Angst.
Dann fällt mir wieder dieses Gefühl von heute Morgen ein und mir wird schlecht.
Ich wusste, dass irgendwas nicht stimmt.

Erst als ich versuche mich zu beruhigen und richtig hinsehe, bemerke ich mir bekannte Gesichter.
Ich weiß, dass Finn Feinde hat, auch wenn er es nicht offen zugibt, um mich zu beschützen.
Aber ich wusste bis Dato noch nicht, dass sein ehemaliger bester Freund einer von ihnen war. Und erst recht habe ich niemals damit gerechnet, dass Menschen, denen man einst vertraut war, einem das Leben zerstören können.

Wir sind Ihnen schutzlos ausgeliefert, doch das Brummen einiger Motoren gibt mir kurzerhand wieder Hoffnung darauf, dass unsere Freunde uns zur Rettung eilen.

Aber noch bevor einer von ihnen uns helfen kann, fällt ein Schuss, der das Blut in meinen Adern gefrieren lässt.
Ich drehe mich zu meinem Freund und plötzlich fehlt mir die Luft zum Atmen.
Ich sehe wie er in sich zusammen sackt und zu Boden geht, dabei starrt er mich mit glasigen Augen an und schreit nach Hilfe ohne auch nur einen Ton von sich zu geben.

Ich renne zu ihm und knie mich neben ihn, versuche wie verrückt die Blutung zu stoppen, während ich bemerke, dass um uns herum weitere Kugeln fliegen.
Ich sehe mich hektisch um und stelle fest, dass unsere Freunde eingetroffen sind und sich um die Angreifer kümmern, doch ich blende sie vollkommen aus. Mein Fokus liegt nur noch auf Finn.

Seine Atmung wird zunehmend schwächer und meine Angst um ihn immer stärker.
Ich hoffe so sehr, dass das alles nur ein schrecklicher Albtraum ist, aus dem ich jeden Moment aufwachen würde, doch diese Hoffnung löst sich mit dem nächsten Wimpernschlag in Luft auf.

„Bitte halt durch Finn, bitte! Du musst durchhalten. Die anderen haben sicher schon einen Krankenwagen gerufen." flüstere ich ihm zu und sehe mit Tränen in den Augen auf meine Hände, die im dunkelroten Meer aus Blut kaum noch sichtbar sind.
Ich schreie seit Minuten um Hilfe, doch ich habe das Gefühl mich würde niemand hören.

Ein gehauchtes „Ich liebe dich, Em." ist alles, was ich noch wahrnehme, bevor die Rettungskräfte eintreffen und mich von seinem nun bewusstlosen Körper runterziehen.
Die Welt um mich herum scheint stehen geblieben zu sein. Meine Sicht ist vor lauter Tränen verschwommen.

Von allen Seiten reden Leute auf mich ein, doch ihre Worte rauschen nur an mir vorbei. Sie sind nicht klar genug, um sie zu verstehen.
Ich fühle mich taub und leer, denn mir wird langsam bewusst, dass dieser eine Tag mein gesamtes Leben verändert hat.

Just an enemy, right? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt