18. Auf der anderen Seite der Türschwelle

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Gedanklich nahm ich bereits meine Beine in die Hand und sah zu, so schnell von der Tür weg zu kommen, wie es mir nur möglich war. Körperlich schaffte ich dies jedoch nicht. Wie konnte Soo-Ri mir das nur antun? Ich schaute in seine tiefschwarzen Augen, seine Haare hingen in zerzausten Strähnen in sein Gesicht. Er trug eine dunkelgraue Jogginghose, die bereits ein kleines Loch am unteren linken Bein aufwies und ein lockeres weißes T-Shirt, welches seine muskulösen Arme noch betonte. An den Füßen befanden sich einfache Hausschuhe, ebenfalls in grau. Als ich meine Musterung vollendet hatte und meinen überforderten Blick wieder seinem Gesicht zuwandte, sah ich in ihm keinen Ausdruck von Überraschung. Ich konnte ebenfalls keine Verärgerung oder Missbilligung entdecken, was mich zum Stutzen brachte. Er hatte stets den Anschein gemacht, dass er mich hasste und er dachte, dass ich ihn belästigte, was nicht stimmte. Ich wurde nicht schlau aus ihm. Wir standen bereits eine Weile so da, ohne ein Wort gewechselt zu haben. Weder er noch ich machten den Anschein, in der Lage zu sein, eine Unterhaltung zu starten. Ich riss meine letzte intakte Gehirnzelle zusammen, um einen anständigen und gleichgültigen Begrüßungssatz herauszustammeln. Er musste nicht wissen, wie sehr er mich aus dem Konzept bringen konnte. „Das sollte ich herbringen, wurde mir gesagt.“ Auch diese Nachricht nahm er gefasst auf. Wusste er davon? Hatte er mich her ordern lassen? Nein, warum sollte er das tun, damit würde er schlichtweg sich ins eigene Fleisch schneiden. Ich hielt ihm das Paket mit ausgestreckten Armen hin, welches beinahe federleicht war. Jetzt machte ich mir erstmalig ernsthaft Gedanken, was sich in dessen Inneren verbarg. Es war so leicht, dass ich nur auf Luft tippen konnte, jedoch hätte ich dafür nicht herkommen müssen. Ich beschloss, dass er mir eine Erklärung schuldig war, schließlich hatte er mich in der letzten Zeit viel zu stark gequält. Da er das Paket nicht sofort entgegennahm, sprach ich ihn auf dieses an. „Für wen ist das Paket?“ Er antwortete nicht, stattdessen verweilte sein Blick auf meinem Gesicht, was mir allmählich unangenehm wurde, weshalb ich meinen Blick abwandte. Ich wollte mich nicht in seinen träumerischen und sehnsüchtigen Augen verlieren. „Nimmst du es jetz…“ Ich konnte meinen Satz nicht beenden, als er mir das Paket sanft aus der Hand riss und sich umdrehte. Mein Mund war bereits in den Startlöchern, um ihm entgegenzuschreien, was für ein Arschloch er eigentlich war, dass er mir nicht einmal antworten konnte, obwohl ich wegen seinen Sachen nachts noch raus musste. Dazu kam ich jedoch nicht, da er seinen Kopf halb über seine rechte Schulter zu mir drehte und leise sagte „Komm rein und ziehe bitte deine Schuhe aus.“. Was? Da war es wieder. Er sagte tatsächlich „bitte“, was meine Aggressionen minderte und weshalb ich seine Wohnung betrat, obwohl er mir bereits tausend Gründe geboten hatte, dass ich lieber das Weite suchen sollte. Ich konnte aber nicht gehen, irgendwas in mir sagte, dass ich ihm folgen musste. War es die Neugierde, die Dummheit oder die Begierde? Begierde wonach? Ich musste mich eindeutig besser kontrollieren, jedoch stand ich bereits auf der anderen Seite der Türschwelle, zog meine Schuhe aus und folgte Bang Chan in das Innere seiner Wohnung.

Forbidden Love (Bang Chan X Reader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt