Red Dahlia (2016)

BLAIR, Samstag 13. Dezember

Blairs Eltern waren inzwischen nach Deutschland gekommen, sie waren die ersten, die Blair erwarteten, nachdem sie aus Victors Keller befreit worden war. Die beiden schlossen ihre Tochter in die Arme und wollten sie sofort mit nach Hause nehmen. Blair wollte eigentlich nicht länger in Deutschland bleiben, aber im Flur von Victors Haus stand jemand, der nicht ins Bild passte.

»Was machst du denn hier?«, fragte Blair und löste sich aus der Umarmung ihrer Eltern. Sie kam auf Hannes zu, der im Türrahmen stand und irgendwie erleichtert wirkte.

»Ich muss mit dir reden, bevor du wieder nach Hause fliegst.« Blair warf einen Blick zurück auf ihre Eltern, die nicht begriffen, was er von ihr wollte.

»Dann sag es mir.« Hannes schüttelte den Kopf.

»Nicht jetzt. Nicht hier.«

»Wo dann?«

»Du musst mit mir kommen.« Blair zog die Augenbrauen zusammen.

»Ich bin gerade aus meiner Gefangenschaft befreit worden und jetzt will mich schon wieder jemand mitnehmen.« Hannes lachte und Blair glaubte, ein Stück seines alten Ichs in seinen Augen wiederzuerkennen.

»Deine Eltern können ruhig mitkommen, ich entführe dich nicht.« Blair seufzte. Sie wollte nirgendwo hin, aber sie war zu neugierig, um nicht mit Hannes zu kommen. Im Hausflur öffnete sich eine Tür und ein verwirrt dreinblickender Mann mit Bierbauch kam heraus. Das musste Victors Vater sein, Blair hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Einer der vielen Polizisten im Haus kam auf ihn zu, um ihn über die Situation aufzuklären. Victor selbst wurde von zwei anderen Beamten aus dem Keller gezerrt. Als er Hannes erkannte, wurde sein Blick hasserfüllt, als wollte er sich rächen.

»Du hast mir einiges zu erklären.«, bemerkte Blair. Sie konnte ihre Eltern dazu überreden, mit Hannes mitkommen zu dürfen. Sie musste ihnen nur versprechen, um spätestens fünf Uhr Nachmittags wieder bei Dahlia zu Hause zu sein.

»Bitte verklagt niemanden.«, bat sie die beiden, bevor sie ging. »Dahlia kann nichts dafür, genauso wenig wie die Schule.«

Ihr Vater schnaubte.

»Bekommen wir zumindest unser Geld wieder zurück?«

»Vielleicht. Wie auch immer, ich muss jetzt gehen.« Sie folgte endlich Hannes, der mit dem Auto gekommen war und Blair die Tür aufhielt. Sie fragte nicht, wo er sie hinbringen würde, sie war nur froh, dass dieses Drama endlich vorbei war. Sie würde so viel zu erzählen haben, wenn sie zurück zu Hause war. Sie blieb nicht allein mit Hannes im Auto, auf seinem Weg blieb er in einer bekannten Straße stehen und gabelte Dahlia und Rabea auf.

»Blair!« Dahlia setzte sich nicht auf den Rücksitz wie Rabea, sie riss die Beifahrertür auf und fiel Blair um den Hals.

»Ich hatte so Angst! Ich hab gedacht, ich sehe dich nie wieder!« Blair klopfte ihr auf den Rücken.

»Jetzt bin ich ja wieder da.« Dahlia löste sich aus der Umarmung.

»Jetzt will ich aber wissen, was passiert ist.«

»Setz dich erst mal hin.«, forderte Hannes sie auf. »Du wirst alles früh genug erfahren.«

Hannes brachte sie an einen Ort außerhalb der Stadt, zu dem sie eine ganze Weile fahren mussten. Blair kannte sich hier nicht aus, Rabea und Dahlia schienen auch verwirrt zu sein, zumindest schauten sie die ganze Zeit neugierig aus dem Fenster. Schließlich blieb Hannes auf dem Parkplatz vor einem Gebäude stehen, das aussah wie ein Krankenhaus. Das war es wahrscheinlich auch und Blair wurde klar, was sie hier vorhatten. Die Mädchen gingen Hannes nach, der sich hier auszukennen schien. Die Eingangshalle sah wirklich aus wie in einem gewöhnlichen Krankenhaus, nur dass sie um einiges kleiner und bis auf ein paar Menschen leer war. Hannes sprach die Frau an der Rezeption kurz an, anschließend winkte er die Mädchen zu sich und gemeinsam gingen sie die Treppen nach oben und ein paar Gänge entlang, bis er vor einer Tür stehen blieb. Er klopfte zweimal und öffnete vorsichtig die Tür. Dahinter verbarg sich ein hell erleuchtetes Zimmer mit einem Bett direkt neben dem Fenster, auf dem Kenny saß. Er schien bereits auf sie gewartet zu haben.