☙𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟐❧

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Eine Woche wartet sie schon auf den Anruf von Grayson. Eine Woche in der sie mittlerweile schon fast die Hoffnung aufgegeben hat. Sie liegt auf ihrem relativ großen Bett mit Pummeleinhornbettwäsche und starrt Löcher in die Decke. Vielleicht hat er sie vergessen. Vielleicht ist sie ihm doch egaler als er gezeigt hat und sie sollte sich jemanden anderen suchen, der ihr helfen könnte. "Woah, my love, my darling. I've hungered for your touch. A long, lonely time", unterbricht Elvis Presley ihre Gedanken. Das Lied 'Unchained Melody' wurde vor ein paar Monaten als ihr Klingelton auserkoren, weil er sie an ihre beste Freundin Dawn erinnert. Damals hat Dawns Handy mitten im Unterricht geklingelt und somit ihren schlimmsten Albtraum wahr werden lassen. Der Klingelton war das Lied 'Unchained Melody'. Sie streckt sich zu ihrem Handy, nimmt es von ihrem Nachttisch runter und schaut drauf. Unbekannte Nummer. Ihr Herz beschleunigt sich ein bisschen. Sofort nimmt sie an und führt ihr IPhone 6s zu ihrem Ohr. "Ja?" "Bist du immer noch für deinen dummen Plan?", hört sie Graysons raue Stimme durch den Lautsprecher. "Ja." Er seufzt. "Gut, dann treffen wir uns heute um 20 Uhr an der Bank. Zieh was Freizügiges und Sexy an." "Okaaaay? Aber warum?" "Vertrau mir." Mit diesen Worten legt er auf. Schockiert schaut sie ihr Handy an. Kein Hallo und kein Tschüss. Hat der keine Manieren? Und woher soll sie was Freizügiges und Sexy bekommen? Sie schaut in ihren Kleiderschrank, der gegenüber ihrem Bett steht. Rosa Kleidchen, weißer Hoodie, ein Marvel T-Shirt, aber nichts Freizügiges. Sie schaut weiter hinten im Schrank nach. Irgendwas muss es doch geben schließlich ist sie 17 und muss einfach irgendwas mit Ausschnitt besitzen. Obwohl? Warum eigentlich? So richtig zu präsentieren gibts eigentlich nichts. Sie guckt auf ihre Oberweite runter. Eindeutig nicht. Da erinnert sie sich an die Party die sie letztes Jahr besucht hat. Damals hat sie sich ein Outfit von Dawn geliehen. Sie greift nach ihrem Handy und ruft ihre beste Freundin an. "Dawn! Sos! SOS! Ich brauche was Freizügiges und Sexy zum Anziehen!", ruft sie ins Telefon. Eine Weile sagt Dawn nichts. "Warum brauchst du es?" "Das erkläre ich dir morgen. Bitte." Elina schaut auf die Uhr 18:34. "Wäre es in Ordnung wenn ich zu dir komme? Ich habe nicht viel Zeit." Anscheinend hat Dawn ihre Verzweiflung mitbekommen, sie ist nicht umsonst ihre beste Freundin, und sagt deshalb: "In Ordnung. Bis gleich." Im Pennerlock, wie Dawn ihr Outfit bestehend aus viel zu großer Jogginghose, einem ebenfalls viel zu großem Hoodie, dreckigen Kuschelsocken und einem komplett zerzausten Messybun nennen würde, rennt Elina aus dem Haus raus. In Gedanken dankt sie allen existierenden Göttern für Dawn, die sich erstens mit Mode auskennt und zweitens ihre Klamotten gerne verleiht, um solche Desaster wie ihr jetziges Aussehen zu vermeiden. Das Mädchen rennt durch die Straßen, weil sie aus Erfahrung weiß, dass es immer sehr lange dauert ihre Freundin von einem Outfit zu überzeugen. Fünf Minuten später kommt sie nach Atem ringend bei Dawn zu Hause an. Elinas Freundin reißt die Tür auf. Als sie ihren Aufzug sieht, weiten sich ihre Augen und sie zerrt sie sofort am Arm ins Haus rein. "Oh mein Gott! Du hast es anscheinend echt eilig, wenn du dich traust in sowas raus zu gehen." Immer noch mit schnell klopfendem Herzen und außer Atem nickt sie. Elina wird in Dawns Zimmer gezogen. "Ich habe mir die Freiheit genommen und habe schon ein paar Sachen rausgelegt." Auf dem Doppelbett, das rechts von der Tür ist, liegt ein Stapel Klamotten. Leicht verzweifelt geht sie zu den Klamotten und beginnt sich Klamotten auszusuchen, in denen sie sich trauen würde vor Leute zu treten. Eine Stunde später steht sie in einem Outfit, in dem sie sich wohlfühlt und tatsächlich sogar sexy fühlt vor dem Spiegel und betrachtet sich. Sie trägt eine weinrote, langärmlige Bluse, deren linke Hälfte sie rechts und deren rechte Hälfte sie links in ihren Lederrock gesteckt hat. Der tiefe V-Ausschnitt zaubert ihr sogar einiges an nicht vorhandener Oberweite her. Der Lederrock geht ihr bis zur Mitte der Oberschenkel und hat oben eine Schleife, mit der sie ihre Taille betont. Das bisschen Spitze unten an ihrem Lederrock, ihre zwei Halsketten und die Fake-Guccitasche lassen ihr Outfit eleganter erscheinen. "Fertig", sagt Elinas beste Freundin und legt ihre letzte Haarsträhne auf ihre Schulter. Dawn hat Elina geschminkt und ihre Haare gemacht. Ihre Augen sind ziemlich dunkel geschminkt und ihr Mund passend zur Bluse rot angemalt. Ihre braunen, langen Haare fallen ihr in Wellen um die Schultern. "Dankeschön für deine Hilfe!" Die Mädels lächeln sich an. Elina läuft zur Tür, um sich noch schnell die schwarzen High Heels anzuziehen. Die Schuhe sind komplett offen, nur an ihren Zehen und ihrem Fußknöchel verläuft ein Streifen. Elina wirft Dawn noch eine Kusshand zu und macht die Tür auf. "Zeigs ihm Elina! Du siehst Bombe aus!", ruft ihre Freundin, die mittlerweile eingeweiht wurde, ihr hinterher. Gemächlichen Schrittes ging das Mädchen die Straßen entlang zu dem Treffpunkt. Sie ist aufgeregt und freut sich schon unglaublich auf den Abend. So sehr, dass sie nicht mal daran denkt den Kopf zu senken, um niemanden anzuschauen. An der Bank angekommen setzt sie sich hin und wartet auf Grayson, da sie zehn Minuten zu früh ist. Auf dem Weg hierher sind ihr erstaunlich wenige Menschen entgegengekommen. Sie wusste davor nicht, dass schon um kurz vor 20 Uhr so wenig los war. Wie auch letzte Woche sitzt sie auf der Bank und beobachtet den Sonnenuntergang, als sie Jemanden an sie herantreten hört. "Hey." Sie dreht ihren Kopf zu Grayson. "Hi." Sie steht auf. Beide betrachten sich und sie merkt, dass der Junge schlucken muss, als er sie anschaut. Aber auch er sieht nicht schlecht aus. Ach was, er sieht heiß aus. Er trägt ein schwarzes Hemd, das über seinen Muskeln spannt, eine weiße Stoffhose und weiße Air Force. Ein paar Halsketten und Ringe runden seinen Look ab. Als sie sich betrachtet haben, schaut er ihr wieder in die Augen und schluckt nochmal. "Hab nicht gedacht, dass du wirklich was heißes anziehst." "Du hast mich unterschätzt." "Ja." Stille. "Wir sollten los." Elina nickt. Grayson dreht sich um und geht nach links. Sie folgt ihm. Nach circa fünf Minuten, die sich durch das unangenehme Schweigen wie eine halbe Stunde angefühlt haben, sind sie in dem eher aberanzterem Teil der Stadt angekommen. Viele Häuser sind nicht bewohnt und durch die vielen Zeitungsartikel, die von diesem Stadtteil berichten, weiß sie, dass hier einige Kriminelle ihr Unwesen treiben. Sie gehen an einem Laden vorbei. Die große Glasscheibe ist zersplittert und drinnen liegen umgekippte Schränke herum. Ein Schatten huscht zwischen den Regalen hindurch. Eine Ratte wahrscheinlich. Schnell kommt sie näher an Grayson heran, der nicht mal ansatzweise beängstigt aussieht. Wäre sie alleine hier hätte sie sich wahrscheinlich eingeschissen vor Angst. "Wir sind da", hört sie Graysons raue Stimme. Sie stehen vor einer braunen Holztür. Langsam lässt sie ihren Blick nach oben wandern. 'Clb Mdngt' entziffert sie die leuchtenden Buchstaben, die über der Tür hängen. "Club Midnight", bemerkt Grayson ihren Blick. Stimmt, wenn sie genau hinschaut sieht sie das U und I runterbaumeln. Das H hätte man sich denken können. "Innen sieht es besser aus als draußen", meint der Junge neben Elina und macht die Tür auf. Sie treten ein und stehen in einem Flur. Sie runzelt die Stirn. Keine Bodyguards weder draußen noch drinnen. Grayson steuert auf eine Treppe zu, die nach unten führt. Schnell eilt das Mädchen ihm hinterher. Sie gehen ein Stockwerk runter und noch eins. Warum bin ich hier und warum folge ich diesem beinahe fremden Jungen hierher?, frägt sie sich. Es ist gruselig. Jedes Mal wenn ein Schatten irgendwo vorbeihuscht, kriegt sie Panik und eine Gänsehaut überzieht ihre Arme. Bis jetzt hat sie keine Spinne gesehen. Spinnen, eine ihrer größten Ängste. Plötzlich spürt sie etwas an ihrem Gesicht vorbeistreifen. Sie schreit auf. Alamiert dreht sich Grayson zu ihr um. Anscheinend tut er nur auf entspannt, hat aber auch Angst. Als er sieht, dass sie noch lebt, dreht er sich wieder um. "Wir sind gleich da", sagt er. "Bist du hier öfter? Es ist voll gruselig hier." "Ja bin wöchentlich hier und an die Atmosphäre gewöhnt man sich." Sie nickt, obwohl er sie nicht sieht. "Weißt du? Ich vertraue dir irgendwie ich meine welcher verrückte Mensch hätte sich mit einem beinahe fremden Menschen in so einen gruseligen Keller gewagt", sagt sie. "Scheiße", sagt sie, "ich werde verrückt." Überrascht dreht er ihr den Kopf zu. "Du fluchst", stellt er fest. "Natürlich fluche ich. Wir sind drei Stockwerke unter der Erde, hier leben viele Ratten und Spinnen, hier gibt es voll viele Verbrechen und das wäre der perfekte Ort um Jemanden umzubringen und dass ich dich nicht kenne, macht es nicht besser, weil ich deswegen nicht sagen kann, ob du ein Serienkiller bist oder nicht", sagt sie hysterisch. "Ich habe dich gewarnt", sagt er bloß. Beruhigend. Er stößt einen Metalltür und ihr bleibt die Luft weg. Durch ihre Rede hat sie nicht gemerkt, wie die Musik lauter wurde. Vor ihr tanzt eine große Menge an Jugendlichen in ihrem Alter zu lauter Musik. Mit großen Augen geht sie durch die Tür und lässt den Blick schweifen. Rechts ist eine Bar, an der sich Leute um die Aufmerksamkeit der Barkeeper rangeln und an der ein Whisky nach dem anderen runtergekippt wird, ebenfalls sieht sie einen Tisch, an dem johlende Jungs stehen, die ein Mädchen anfeuern ihr Shirt, oder eher Stofffetzen, auszuziehen, links sind etliche Sofas und Sessel, auf denen knutschende Pärchen sitzen, an der linken Wand sind Türen, die in irgendwelche Räume führen. Elina wendet ihren Blick nach vorne. Vorne steht eine riesige Bühne, auf der ein DJ steht. "Wow", entflieht ihr. "Willkommen in meiner Welt!"

Angel of DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt