10 - [Auf Wiedersehen]

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,,Lass uns gehen" Sagte ich zu Leya, während ich schon im Rahmen der Tür stand.

Stille hatte sich im Raum ausgebreitet. Ich war schon dabei meine Jacke anzuziehen, als Cataleyas Augen auf meine trafen.

Ich wollte mich entschuldigen, doch sie schüttelte sofort ihren Kopf.
,,Es war wichtig, dass du ihm die Wahrheit gesagt hast" Versicherte sie mir, doch etwas stimmte nicht.
,,Ich wünschste nur, ich hätte gewusst, wie sehr es dich doch belastete"

Sie sprach nicht von dem Treffen, sondern von unserer Vergangenheit. Das ich meinen Spitznamen nicht bevorzugte, weil er besser klang, sondern, weil er mich nie bei diesen nannte.

Ich konnte die Reue erkennen, wann immer sie meinen richtigen Namen verwendete.

Müde lächelte ich sie an. Ich hatte meine gesamte Energie verloren. Mir war nicht bewusst gewesen, wie anstrengend es eigentlich war, all diese Worte auszusprechen.

Ich ließ meine Stirn auf ihre Schulter fallen. Tief atmete ich ein und aus. Ich fühlte mich leichter, als hätten sich die Ketten, welche mich zum Grund des Meeresboden zogen, endlich gelöst.

Ich vernahm zwei leise Stimmen, welche undeutlich aus der Küche kamen. Mir wurd klar, dass ich noch immer in diesem Haus mit ihm war.

,,Gehen wir" Wisperte ich in Leyas Halsbeuge.
,,Geh du vor, ich geh unsere Koffer holen" Flüsterte sie zurück und sah lächelnd die Treppe hoch.

Ich war ihr dankbar. Ich hätte wahrscheinlich zu Hause Jacob geschrieben und ihn gefragt, wann er sie vorbei bringen würde.

Ich nickte und öffnete die Haustür. Ungeduldig versuchte ich den Autoschlüssel aus meiner Jackentasche zu kramen, bis ich ihn endlich fand.

Völlig erschöpft ließ ich mich auf dem Fahrersitz nieder und startete schon mal den Wagen. Sofort ging das Radio an, welches noch immer, schlechte Lieder spielte.

Ich nahm mein Handy aus der anderen Tasche meiner Jacke und verbindete es mit dem Radio. Sofort vernahmen meine Ohren die Stimme von Maria Brink.

Ich hatte nie wirkliches Interesse an ihrer Band gezeigt, bis ich in Steves Landen anfing zu arbeiten und er jeden Tag ihre Songs spielte.

Ich verliebte mich in ihre Stimme und musste Cataleya einfach ihre Lieder vorspielen.

Zusammen sangen wir mit, kauften ihre Alben und zwangen Jacob die Musikvideos mit uns zu gucken.

Ich liebte diese Momente einfach.

Ich fühlte mich ruhiger, ich lachte sogar etwas, während mein Kopf von dem Lenkrad gestützt wurde.

Ich glaube, ich verstand nun, warum Leya, Jacob und Zane meinten, dass ich in Therapie gehen sollte.

Mir war selbst nicht klar gewesen, wie belastend meine Gefühle ihm gegenüber waren.

Ich hatte mich diesen gestellt, trotzdem fühlte ich eine Leere, welche von Schuld gefüllt wurde.

Es war nicht meine Schuld, warum dachte ich das also immer noch?

Es war überwältigend, einfach viel zu viel auf einmal. Ich wollte ihm nicht vergeben, und trotzdem möchte ich es irgendwie - den Wunsch endlich eine einigermaßen normale Familie zu haben.

Eine Familie, die ich Cataleya ebenfalls geben wollte - in der sie sich ebenfalls wohl fühlen konnte.

Scheiße!

Selten war mein Selbsthass so spürbar, wie in diesem Augenblick. Ich zitterte beim atmen. Ich fühlte die heißen Tränen hinterlaufen.

Ich hörte, wie die Haustür aufgerissen wurde. Schnell hob ich meinen Kopf und wischte heimlich die Tränen weg.

,,Brauchst du Hilfe?" Fragte Jacob, als Leya zum Kofferraum lief. Sie lachte. Sie wollte etwas sagen, doch traute sich nicht.

Er stand im Rahmen der Tür und beobachtete jeden ihrer Schritte. Ohne Jacke und ohne Schuhe trat er heraus und lief auf meinen Wagen zu.

Ich spürte die Anspannung in mir. Cataleya bemerkte ihn nicht und Jacob stand fassungslos vor der Tür.

Leya öffnete den Kofferraum. Mein Blick schweifte kurz zum Rückspiegel. Sie sah angestrengt aus.

Kurz trafen unsere Blicke aufeinander, doch stur starrte ich wieder zu ihm.

Er machte sich nicht die Mühe mich anzusprechen, sah mich aber traurig dafür an.

Ich wollte weg sehen, doch ich konnte nicht. Seine alleinige Präsenz versetzte mich in eine Art von Schockstarre.

Der Kofferraum fiel zu und langsam trat Cataleya ihn entgegen. Ihre Fingernägel krallten sich so stark in den Stoff ihrer Hose, dass sie hätte reißen können.

,,Cataleya, richtig?" Sprach er sie an. Sie sagte nichts, sah ihn dafür aber in die Augen.

Ich war beeindruckt. Für sie war Augenkontakt unerträglich. Die Augen sind das Tor zur Seele, meinte sie. Die Blicke waren furchtbar. Am meisten fürchtete sie sich vor diesen.

,,Meine Tochter hasst mich" Ich war genau neben ihnen, aber er sagte es nicht zu mir. Bewusst sprach er mit Cataleya.

,,Jacob erzählte mir oft bei seinen Besuchen, wie miserabel es ihr ging. Und das ist alles meine Schuld, das weiss ich. Ich war ein grauenhafter Vater - ich war nicht einmal ein Vater"

Ich hasste seine Worte. Wenn er es wusste, warum änderte er nie etwas?

,,Du machst sie offensichtlich glücklich, und das ist alles, was ich für sie möchte. Du bist die Stütze für sie, die ich niemals war und wahrscheinlich niemals sein werde. Tu mir bitte einen einfachen Gefallen, pass auf meine Tochter auf und mach sie glücklich"

Er klang aufrichtig ehrlich.

Seine Stimme war gebrochen und seine Augen waren feucht. So kannte ich ihn nicht.

Er brüllte viel, war stur und wollte immer recht behalten, sowie das letzte Wort.

,,Sie sollten den Mut haben, es ihr selbst zu sagen - das schulden sie ihr. Und sie müssen sich keine Gedanken machen, ich werde immer auf sie aufpassen"

Leyas Stimme ertönte aus dem Nichts. Sie hielt ihre Hand gerade ausgestreckt und wartete, bis er sie ergriff.

,,Auf Wiedersehen" Gab sie leise zur Verabschiedung von sich, bevor sie sich zu mir setzte.

Perplex fuhr ich aus der Einfahrt, doch kam aus dieser sofort wieder zum Stehen.

Geschockt sah ich Cataleya an, welche erst jetzt ihre Worte realisierte. Ihr Kopf war gesenkt und wurde von ihren Händen gehalten, in welche sie lachte.

,,Das war..." Ich wusste nicht, was ich sagen wollte. Ich war genauso überwältigt, wie sie.

,,Es tut mir leid, Ava" Sie lehnte sie zu mir und zog mich in ihre Arme. Ich konnte meine Gefühle nicht in Worte fassen.

Alles drehte sich, doch irgendwie war die Zeit stehen geblieben.

,,Leya..?"
,,Mmh?"
,,Ich glaube, Therapie ist vielleicht doch nicht so schlecht" Wisperte ich lachend.

Ich realisierte, wie viel ich eigentlich aufzuarbeiten ich hatte, auch wenn ich das nicht einsehen wollte.

Er war bereit sich zu ändern, und obwohl ich immer noch sauer, wütend und verletzt war, wollte ich seine Veränderung akzeptieren.

Ich wollte diese Beziehung.

,,Ich bin stolz auf dich" Hörte ich sie sagen, bevor ihre Lippen auf meine trafen.

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