Kapitel 1

283 15 1
                                    

„Ich hab dich vermisst.", murmelte ich in Charles Ohr, nachdem ich ihm in die Arme gesprungen war. „Das weiß ich doch. Was denkst du weshalb ich hier bin?", antwortete er mir mit einem schelmischen Grinsen, als er mich wieder auf dem Boden abstellte. Spaßeshalber schlug ich ihm auf die Schulter. Er lachte mich nur aus und erwiderte dann: „Nein, ich hab dich natürlich auch vermisst." In seinen Augen sah ich den Schalk, aber auch ein Stück Ernsthaftigkeit. Ich wusste natürlich, dass er nur Spaß macht, also spielte ich sein kleines witziges Spiel eben kurz mit. „Na gut, das will ich dir mal gerade so glauben Mister Leclerc." Ich bat ihn, in meine Wohnung hinein. „Nein, ich bin natürlich hier, um dich zu besuchen. Ich dachte, es wäre eine schöne Überraschung, wenn ich hier einfach auftauchen würde.", beantwortete er mir meine Frage von vorhin. „Also die Überraschung ist dir auf jeden Fall gelungen." Antworte ich darauf nur mit einem Lachen.

Wir gingen ins Wohnzimmer, wo mein halb leerer Pizzakarton noch lag. „Ich freu mich natürlich, dass du hier bist. Wie lange bleibst du?", fragte ich ihn. Ich wusste natürlich, dass er nicht lange bleiben konnte, da sein nächstes Rennen schon in einer Woche wäre. Und er musste ja immer schon ein paar Tage vor dem Rennen vor Ort sein. Seit 4 Jahren fuhr er nun schon für Ferrari und er war gar nicht mal so schlecht. Bisher habe ich ihn noch nie zu einem seiner Rennen begleitet. Ich würde ihn ja gerne vor Ort unterstützen, aber ich konnte nicht. Ich habe mir selbst noch nie ein Rennen im Fernsehen angeguckt. Die Erinnerungen, die damit hochkommen sind einfach zu schmerzhaft und ich weiß nicht, ob ich damit umgehen kann. Den ganzen Vorfall von damals habe ich nie wirklich verarbeitet. Das weiß auch Charles.

„Ich muss in 3 Tagen los, also am Mittwoch. Da geht mein Flieger um 22:00 Uhr von hier. Aber ich dachte mir, vielleicht kannst du ja mitkommen.", den letzten Teil sprach er nur vorsichtig und zögernd aus. Ich hielt in meiner Bewegung inne. Er wusste doch, dass ich mir geschworen hatte, nie wieder eine Rennstrecke zu betreten oder auch nur ein Rennen im Fernsehen anzugucken. Ich sah ihn entgeistert an, bevor er weitersprach: „Octavia, ich weiß, das ist alles schwer für dich und du hattest es geschworen aber...", kurz hielt er inne und blickte mir vorsichtig in die Augen, bevor er doch weitersprach, „Komm schon. Du hast mir doch versprochen, dass du mitkommst, wenn du mehr Zeit hast und du hast dein Studium beendet, also wäre doch jetzt die ideale Gelegenheit dafür." Ich wusste ja, dass er sich mehr als alles andere wünschte, dass ich mitkommen würde. Aber ich wusste nicht, ob ich das konnte, ob ich das aushalten würde. Anscheinend konnte er meine Antwort schon in meinen Augen sehen, denn nun sah ich Enttäuschung in seinem Blick. „Ich weiß, du hast Angst Octavia, aber es ist das erste Rennen der neuen Saison und ich hätte dich gerne jetzt endlich mal dabei und würde dir auch gerne meine Teamkollegen vorstellen, meine Freunde. Und du hattest versprochen mal mitzukommen. Mittlerweile hast du deinen Abschluss seit einem halben Jahr. Also genug Zeit hättest du, da du eh noch keinem Job nachgehen wolltest. Trotzdem findest du jedes Mal eine Ausrede, wenn ich dich frage...", währenddessen sah er mich aus traurigen Augen an. Die Enttäuschung hat man deutlich in seiner Stimme gehört.

Irgendwie konnte ich ihn ja auch verstehen. Die Formel 1 ist seine Leidenschaft und ich als seine beste Freundin habe mir noch nicht mal eins seiner Renten im Fernsehen angeguckt. „Charles, ... Ich- Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Da würden zu viele Erinnerungen hochkommen. Ich will mich nicht daran erinnern. Ich will nicht, dass alles wieder hochkommt. Ich kann das nicht. Es tut mir leid." Ich senkte meinen Blick als ich die aufkommenden Tränen spürte. Es tut mir leid für ihn. Und ich fühlte mich auch schlecht, aber ich konnte einfach nicht. Das letzte Rennen, auf dem ich war, war Jules Rennen in Japan und das werde ich niemals vergessen.

Ich merkte, wie ich die Tränen nicht mehr aufhalten konnte und mir ein leises Schluchzen entwich. Im nächsten Moment hatte Charles mich schon in eine Umarmung gezogen. Nach kurzer Zeit beruhigte ich mich wieder und er flüsterte: „Ich finde, gerade wegen Jules solltest du wieder zu Rennen gehen. Es war auch seine Leidenschaft und er hätte sicher nicht gewollt, dass du nur wegen ihm nie wieder zu einem gehst. Er hätte gewollt, dass du glücklich wirst. Und vielleicht hilft es dir, das Ganze von damals besser zu verarbeiten, findest du nicht?" Irgendwo hat er ja recht. Jules hätte gewollt, dass ich wieder zur Rennstrecke gehe und dabei zugucke, was damals seine Leidenschaft war.

Er löste sich und blickte mir in die Augen. Ich sehe das Mitleid in ihnen. „Ich habe dir schon ein Ticket plus Hotelzimmer besorgt. Es ist alles geregelt. Du musst nur noch ja sagen.", sagte er vorsichtig, während er mich hoffnungsvoll ansah. Er wusste, zu diesem Blick konnte ich nicht nein sein. Ich möchte nicht mehr ständig in der Vergangenheit leben. Jules hätte gewollt, dass ich Charles in so einem großen Moment in seinem Leben unterstützte. Und vielleicht kann ich so ja wirklich alles besser verarbeiten und endlich mit dem ganzen Thema von damals abschließen.

Bevor ich meine Entscheidung noch mal ändern könnte, stimmte ich ihm schnell zu. Ich konnte diese Freude in seinem Gesicht sehen. So glücklich sah er schon lange nicht mehr aus und das machte auch mich glücklich. Er ist mein bester Freund.

Er zog mich in eine stürmische Umarmung und ich musste anfangen zu lachen. Alle Tränen von vor ein paar Minuten waren verflogen und ich merkte, wie so langsam die Aufregung kam.

The Last Race ~ Max Verstappen ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt