Kapitel 3: Die Gang

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»Beeil dich, Steph, wir haben nicht ewig Zeit.« Der Mann im dunkelblauen Parker wandte sich von der zierlichen Frau am Safe ab und trat an das Fenster des Großraumbüros.

»Jaja! Ich mach ja schon so schnell ich kann, aber dein Scheiß Safe öffnet sich nun mal nicht von allein. Wäre alles leichter, wenn der nicht so verdammt alt wäre.« Sie richtete noch einmal das Zopfgummi ihrer glatten, ebenholzfarbenen Haare und arbeitete sich anschließend mit ihrem Stethoskop weiter durch die unzähligen Zahlenkombinationen. Ihre schwarze Lederjacke quietschte bei jeder Bewegung ihrer schmalen Schultern. Sie wusste, dass Trevor langsam ungeduldig wurde und wie er werden konnte, wenn er seinen Willen nicht bekam. Schon seit der Ausgrabung in Guatemala wusste sie das nur zu gut.

Alles hatte mit kleinen Gaunereien zwischendurch begonnen. Hier und da ein paar verschwundene Fundstücke. Es tat niemandem weh und besserte die eigene Portokasse etwas auf. Doch dann eskalierte es erstmalig. Trevor erschoss einen ihrer Helfer, weil dieser nicht schnell genug an einer Ausgrabungsstätte war. Nicht dass es einen besonderen Grund dafür gegeben hätte, es störte ihn lediglich, dass er sie warten ließ. Der Mann hatte noch seinen Rausch von letzter Nacht ausgeschlafen statt pünktlich am verabredeten Treffpunkt zu sein, das war alles.

Dann kam Malaysia. Ein seltsamer Typ war wenige Wochen zuvor in Trevors Stammbar aufgetaucht und hatte sich zu ihm, Stephanie und den anderen gesetzt. Er hatte das Charisma eines Rockstars. Auf den ersten Blick charmant, doch je länger man ihm zuhörte, desto überheblicher und rechthaberischer wirkte er.
Stephanie fuhr es immer kälter über den Rücken. Sie traute diesem Fremden nicht über den Weg. Doch Trevor hing wie ein verliebter Junge an seinen Lippen und seinen warmen Worten darüber, dass er alle Geheimnisse der Welt kennen und sie mit Trevor teilen würde. Alles, was Trevor dafür tun musste, wäre sich der Ausgrabung von einem gewissen Dr. Moresk anzuschließen. Stephanie wusste nicht warum, aber sie wollte unter keinen Umständen an der Sache beteiligt sein. Es war demnach einer der wenigen Aufträge, die Trevor ohne sie durchgeführt hatte. Er sprach nie darüber, was dort genau passiert war und das musste Trevor auch nicht. Stephanie brauchte sich die Geschichte von dem sensationellen Fund des Dr. Moresk und seinem kurz darauffolgenden Unfall nur zusammenreimen.
Moresk hatte ein altes Grab gefunden. Den Inschriften zufolge die Ruhestätte von Shennong. Dieser brachte den Menschen Ackerbau und Kenntnisse über die Kräutermedizin bei. Woher Shennong dieses Wissen hatte, blieb jedoch fragwürdig. Manche hielten ihn für einen reisenden Scharlatan, andere für einen Gott, der von den Sternen kam. Was immer das Geheimnis hinter Shennong war, Stephanie ging davon aus, dass es Trevor befähigte zu tun, was immer er wollte. Sie mochte sich nicht einmal ausmalen, wo seine Grenzen lagen und wagte es daher nur noch selten, ihm zu widersprechen.

»Ich hab's gleich«, hauchte Stephanie konzentriert und schielte dabei zu Billy, der links von ihr mit angewiderter Grimasse seine schmierigen Finger über das Bücherregal streichen ließ. Sie verstand nicht, was Trevor an ihm fand und wollte auch gar nicht wissen, wo er diesen Typen nun aufgegabelt hatte. Er war seit ein paar Wochen dabei und damit der Neue in der Gang. Ein schießwütiger Exzentriker mit texanischem Akzent. Er erinnerte sie entfernt an einen Outlaw aus schlechten Cowboy-Filmen mit drittklassiger Besetzung. Sie mochte weder seine Art noch das billige Rasierwasser, das seine kaum merklichen Dreitageflusen benetzte. Sie kannte außerdem niemanden, der seine Haare mit dieser Menge Pomade frisierte, wie er es tat. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man denken, er sei in einen Laster voller Drogerieprodukte gefallen und keine von der guten Sorte.

Trevor richtete den Kragen seines dunkelblauen Parkers und starrte suchend aus einem der Fenster. Der Knall von eben beunruhigte ihn und dass er dessen Ursprung nicht ausmachen konnte, machte das Ganze nicht besser. Zudem wurde er das Gefühl nicht los, von irgendwo her beobachtet zu werden. »Melvin, sicher, dass wir keinen versteckten Alarm ausgelöst haben?«

Tales from Haven 2: VerlorenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt