Ich laufe durch die Stadt. Natürlich alleine. Ich frage mich, wasdas bringen soll. Angeblich soll ich rausgehen um mich auf andere Gedanken zu bringen. Wer weiß, vielleicht treffe ich sogar Leute, mit denen ich mich anfreunden kann. Ha-ha, als obman einfach so Leute trifft, die einen "Freunde?", fragen. So was passiert nur in Büchern. Während und gerade weil ich so in Gedanken versunken bin geschieht folgendes: Ich laufe in jemanden hinein. Erschrocken reiße ich die Augen auf...
..."Oh, sorry. Alles in Ordnung?"
"Ja, alles bestens.", knurre ich unwirsch.
"Wirklich?" Erst jetzt schaue ich auf. Wow. Ups.
"Ja, tut mir leid. Ich war in Gedanken..." Mein Gegenüber lächelt mich an. Es ist ein warmes, ehrliches Lächeln, das man einfach erwidern muss.
"Sicher, dass alles okay ist?", fragt er nochmals.
"Ja.", sage ich. Was bildet der sich ein?! Ich habe diese Frage doch schon beantwortet. Er zuckt mit den Schultern, nicht ohne mir zuvor noch einen weiteren sorgenvollen Blick zugeworfen zu haben. Dann dreht er sich um. Erst jetzt bemerke ich, dass er an einemoffenen Kofferraum steht. Ich hatte wohl nur auf ihn geachtet. Ich schnaube ärgerlich. Das sieht mir so überhaupt nicht ähnlich! Ich ziehe kritisch die Augenbrauen zusammen und lege die Stirn in Falten. Ich merke erst, dass ich immer noch dastehe und ihm dabei zusehe, was er tut, als er sich wieder zu mir umdreht und mir einen verwunderten Blick zuwirft.
"Ja?", sagt er fragend.
"Tut mir leid. Ich musste nachdenken." Er lacht.
"Na, dann setz dich doch." Er weist mir mit der Hand denKofferraum zu. Erst will ich widersprechen, schließlich bekommt man als kleines Kind immer wieder eingebläut, dass man sich niemals in ein fremdes Auto setzen soll. Aber ich würde mich ja nicht in ein Auto, sondern in einen Kofferraum setzen und ich bin auch kein kleines Kind mehr! Außerdem brauche ich wirklich eine Pause und will mich hinsetzen.
"Was ist?", reißt mich seine Stimme aus den Gedanken. Seine Hand liegt immer noch in der Luft, weist mir den Platz an. Doch es scheint ein wenig förmlich.
"Sorry.", beeile ich mich zu sagen.
"Kein Problem." Ich folge also seinem Angebot und als ich mich dem Kofferraum nähere, sehe ich was sich darin befindet. Ich habe es vorher nicht sehen können, da er davor gestanden hatte.
"Wow.", stoße ich hervor. Ich drehe mich um. "Gehört die dir?"
"Ja.", sagt er stolz.
"Das ist echt eine schöne Gitarre."
Er hört wohl die Begeisterung in meiner Stimme, denn als ich mich hinsetze antwortet er: "Ich musste ziemlich lange darauf sparen." Dann setzt er sich neben mich, wohl darauf bedacht, mich nicht zu berühren. Ich muss mich immer wieder zu der Gitarre umdrehen. Sie lässt mich nicht mehr los...
"Und?", fragt er neugierig, "warum bist du hier?"
"Weil ich mich hingesetzt habe.", sage ich verwirrt. Was hat das denn zu bedeuten? Er hat es mir doch selbst angeboten... Als er anfängt zu lächeln, merke ich, dass er das wohl anders gemeint hat.
"Oh, warum ich in der Stadt bin willst du wissen, sorry - Sie?" Ich merke gerade, dass ich ihn schon die ganze Zeit duze. Er ist viel älter als ich, bestimmt fünf Jahre, vielleicht sogar zehn (Ich bin nicht gut im Schätzen), aber das Du ist mir so rausgerutscht.
"Macht nichts. Ich fühle mich immer so alt, wenn ich gesiezt werde. Mir ist es lieber, geduzt zu werden."
"Na dann." Wir lächeln uns an. "Aber zurück zur eigentlichen Frage: Warum bist du hier?"