Viggo
Jeldrik grinste schelmisch, als er seine Hand nachdenklich durch den dichten Bart fahren ließ und ein Lachen zu unterdrücken schien. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Eigentlich war mein Plan gewesen, dass ich mich in meiner Wohnung schnell umzog, mir im Café um die Ecke einen Kaffee und ein kleines Frühstück holte und wieder zu Jeldrik in den Wagen stieg. Und wieder kam ich ohne Mahlzeit, aber mit einem Kaffeefleck auf meinem Oberteil.
»Man kann dich wirklich nicht alleine lassen«, kicherte er, »Wen hast du dieses Mal verärgert?«
»Niemanden«, antwortete ich wahrheitsgemäß, »Eine junge Dame ist kopflos in mich reingelaufen und hat dabei versehentlich ihren Kaffee über mich gekippt. Alles gut«
»Ich bin gespannt, wie du das nachher im Interview erklärst«, erwiderte Jeldrik und kniff dieses Mal skeptisch die Augenbrauen zusammen, »Jesper wird dich aufziehen, das ist dir hoffentlich klar?«
»Was macht dich sicher, dass ich mein Oberteil nicht wechsel?«, stellte ich die Gegenfrage, worauf Jeldrik schnaubte.
»Du bist mein kleiner Bruder. Muss ich mehr sagen?«
Wohl kaum. Jeldrik kannte mich mein ganzes Leben. Er war sechs Jahre älter als ich und kannte meine Macken, seit ich ein kleiner Junge war. Nur weil ich einen großen Kaffeefleck auf dem Pullover hatte, bedeutete es nicht, dass ich den Aufstand probte. Und es gab während eines Interviews schlimmeres, als ein eingesautes Oberteil.
Jeldrik deutete mein Schweigen richtig und startete den Wagen wieder, ehe wir uns auf den Weg in Richtung Station machten.»Also«, begann Jeldrik schließlich, »Eine junge Frau?«
»Ja«, erwiderte ich, »Sie war...interessant. Ihr war die ganze Situation so unangenehm. Sie wollte die Reinigung bezahlen«
»Wie zuvorkommend«, lächelte Jeldrik nun und bog rechts an einer belebten Ampel ab.
»Ich glaube sie ist Tänzerin«, erklärte ich und Erinnerungen meiner Mutter blitzten auf.
Sie war Eiskunstläuferin, doch auch dafür nahm sie Ballettunterricht. Ich kannte die Form von Bodys, wie jenen, den die Unbekannte hervorgeholt hatte.
Jeldriks Miene schien ebenfalls, als würde er ebenfalls kurz in Erinnerungen schwelgen. Er gab sich der Erinnerung allerdings nur kurz hin, da er sich auf den Verkehr konzentrieren musste.
Auch wenn wir nicht oft darüber sprachen, aber wir vermissten unsere Mutter sehr. Sie hatte ihre Enkeltöchter nie kennengelernt, geschweige denn ihren Schwiegersohn. Sie war auch nicht auf der Hochzeit ihres ältesten Sohnes anwesend oder hatte den weiteren Verlauf seiner Eishockey-Karriere verfolgt.»Wie kommst du darauf?«, fragte Jeldrik mit einer hörbar dünnen Stimme.
Ich dachte daran, wie verzweifelt sie ausgesehen hatte, als ihre Hand über meine Brust gerubbelt hatte, um den Fleck zu minimieren. Ihre Augen hatten vor Scham geglänzt und es schien, als wollte sie sich in Luft auflösen wollen.
Ihre Augen.
Ich hatte von solchen Fällen der Genmutation gehört. Zwei verschiedene Augenfarben. Sie hatte ein blaues und ein grünes Auge, welche durch ihre blasse Haut und die dunkelbraunen Haare betont wurden.»Sie hat zwei verschiedene Augenfarben«, platzte ich heraus, während ich so über sie nachdachte.
»Das sagt kaum, dass sie Tänzerin ist«, wunderte sich Jeldrik und bog erneut rechts ab.
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Being Loved
Lãng mạnDazu verdammt ein Leben im Schatten ihres Bruders zu führen, gibt es nur eine Sache, die Linnea sich neben dem Ballett in ihren kindlichen Träumen wirklich wünscht: Liebe und Geborgenheit. Doch als junge Frau hat sie sich längst damit abgefunden, da...