Kapitel 20

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Wincent

Es dämmerte schon, als ich zu Hause ankam. Wirklich unglaublich, wie schnell die Zeit eigentlich vergangen war. Da ich davon ausging, dass sowohl meine Mutter als auch meine Schwester noch schliefen, versuchte ich die Wohnungstür möglichst leise hinter mir zu schließen. Doch nachdem ich die Schuhe ausgezogen hatte und mich eigentlich kurz ins Bad schleichen wollte, trat mir meine Mutter in den Weg. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und musterte mich kritisch. „Du sollst dich nach dem Aufstehen mal bei Marco melden. Der war ganz verwirrt, als der vorhin vor der Tür stand und du nicht da warst. Er hatte dich so verstanden, dass du nach Hause gehen wolltest. Du hattest dein Handy vergessen und er wollte es dir vorbeibringen", erzählte sie, „Jetzt stell ich mir die Frage: Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Marco war vor vier Stunden hier!" Ich wusste nicht, ob ich ihr jetzt wirklich die Wahrheit sagen konnte. Nachdem, was sie so über Liz gesagt und gedacht hatte. „Hab noch wen getroffen und mich ein wenig verquatscht", murmelte ich schulterzuckend und wollte mich an ihr vorbeidrücken. Aber da hatte ich die Rechnung ohne meine Mutter gemacht. „Halt! So kommst du mir ganz sicher nicht davon! Hast du mal nach draußen gesehen? Die Sonne geht schon auf. Dein bester Kumpel steht vor der Tür und geht davon aus, dass du hier bist. Ich versteh das nicht! Bringst erst vor Kurzem so ein wildfremdes Mädel hier mit, die dann auch noch hier übernachtet. Jetzt das. Was ist los mit dir? So kenn ich dich nicht!" „Boar! Kannst du mal aufhören, mich zu nerven? Ich bin verdammt müde und will einfach nur in mein Bett", genervt drückte ich sie weg. „Nein Wincent! Ich will wissen, was mit dir los ist? Alles nur wegen diesem Mädchen?" „Mum! Verdammt jetzt schieb doch nicht alles auf Liz! Was ist eigentlich dein Problem mit ihr? Nur weil sie lila Haare hat? Meine Fresse! Du gehst mir so auf die Nerven!", ging ich sie nun an, um sie dann auch endgültig wegzuschieben und an ihr vorbei in mein Zimmer zu stürmen. Die Tür knallte ich hinter mir zu. Ich war wirklich genervt. Sonst interessierte es sie doch auch nicht, wann ich nach Hause kam und mit wem ich unterwegs war. Konnte es nicht einfach dabei bleiben? Was war denn ihr Problem mit Liz? Sie kannte sie doch gar nicht! Frustriert ließ ich mich auf mein Bett fallen und seufzte. In ein paar Monaten wurde ich achtzehn. Volljährig. Ich musste ihr doch wohl nicht mehr ständig bis ins kleinste Detail erzählen, mit wem ich unterwegs war. Außerdem wusste ich ja, dass die ein Problem mit Liz hatte. Das hatte sie ja mehr als deutlich gemacht. Erklären konnte ich es mir einfach nicht. Was hatte Liz ihr denn getan? Dabei war doch eigentlich Liz diejenige, die irgendwie zu bemitleiden war. Was war das denn für ein Leben? Wenn man von den eigenen Eltern nicht ernstgenommen wurde und so in eine Richtung gedrängt werden sollte, die man selbst einfach nicht wollte. Das war doch scheiße! Wie wehr musste man darunter leiden? Und Liz zeigte ja deutlich, was sie von dem Ganzen hielt. Es war ja eigentlich wenig verwunderlich, dass sie so rebellierte. Wer würde das denn nicht? Umso schlimmer war es doch, dass sie dennoch keinerlei Gehör bei ihren Eltern zu finden schien. Was musste das für ein trauriges Leben sein? Sicher hatten ihre Eltern ordentlich Geld. Aber Geld war nun offensichtlich nicht alles. Was brachte es dir, wenn du materiell alles haben konntest, aber die wichtigeren Dinge fehlten? Dinge, die man nicht mit Geld kaufen konnte?

„Wincent?", meine Tür wurde vorsichtig geöffnet und meine Schwester steckte ihren Kopf in mein Zimmer. „Hm?" „Kann ich reinkommen?", fragte sie unsicher. „Klar. Aber wieso schläfst du nicht?", murmelte ich. „Hab dich und Mama streiten gehört ...", gab sie zu. Ich seufzte nur: „Es ist alles gut Shay. Du musst dir keine Gedanken machen, okay?" „Aber ... ist das wirklich alles wegen dem Mädchen?", meine Schwester setzte sich zu mir aufs Bett. „Nein! Liz hat damit nichts zu tun", zuckte ich mit den Schultern, „Wenn du älter bist, verstehst du das sicher." Wobei ich den Gedanken, dass meine kleine Schwester irgendwann bis zu den frühen Morgenstunden unterwegs sein würde, lieber weit verdrängte. „Aber du magst die, oder?" „Wie kommst du denn jetzt darauf?", runzelte ich verwirrt die Stirn. „Na ja man merkt das. Ist sie deine Freundin?" „Ach Shay", ich seufzte, „Ich mag sie. Aber doch nicht so! Wir sind nicht einmal befreundet. Das ist einfach alles ziemlich kompliziert ..."

Betonherz - Mein Herz war mit Zement bedecktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt