den Augenblick - von Zeit befreien

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Meine Selbstmitleidsphase wurde allerdings nach ein paar weiteren, langen Minuten unterbrochen. Ich vernahm ein lautes hämmern, öffnete daraufhin meine Augen, doch sah erst nichts, was dieses Geräusch verursacht haben könnte.

Ich setzte mich auf und drehte die Musik erheblich leiser. Da - schon wieder.
Bevor ich nun gänzlich aufstand wischte ich mir meine Tränen vom Gesicht und wickelte mich in eine Decke. Meine Augen waren vom weinen etwas angeschwollen und mein Kopf dröhnte leicht.

Als ich realisierte, dass das hämmern von meiner Haustür kam, blieb ich wie angewurzelt stehen. „Das darf nicht wahr sein.", dachte ich mir, während ich zur Tür schlich und versuchte unauffällig durch das Guckloch zu schielen. Kein Zweifel, diese breite, dunkle Statur, welche ich erblickte, gehörte zweifellos zu dem Mann, mit dem ich vor knapp einer Stunde verabredet war.

Sollte ich mich jetzt freuen? Ich meine, über den Anblick dieses Mannes freute ich mich eigentlich immer, jedoch war diese Situation gerade so absurd, dass ich nicht wusste, was ich fühlen sollte. „Mia! Mach bitte auf, ich weiß dass du da drin bist!", rief er lautstark, während er nochmal gegen die Tür hämmerte.

Ich erschrak und wich ein paar Schritte zurück, da ich nunmal unmittelbar hinter der Tür stand. Außerdem hatte ich Angst, dass er die Tür sofort durchboxen würde. So stark wie dieser Mann war, wäre es sicherlich kein Problem für ihn.

Ich nahm also all meinen Mut zusammen und trat erneut an die Tür heran, drückte die Klinke herunter, öffnete sie ein kleinen Spalt und schaute vorsichtig hindurch. Gerade so sah ich noch, wie er erneut mit der Hand ausholte, sie aber sofort zurückzog, als er mich bemerkte. Sein Blick wurde schnell merklich ruhiger.

Till trat einen Schritt näher an mich, ich wich jedoch ebenso einen Schritt zurück. „Ich-", fing er an, stoppte jedoch abrupt. Sein Kiefer spannte sich an und in seinen Augen veränderte sich etwas, für mich nicht genau definierbares. „Du... du hast geweint?", fragte er nun, fast schon in Flüsterton. Ich blickte schnell auf den Boden, als ich realisierte, dass wahrscheinlich meine ganze Schminke verschmiert meine Wangen herunterlief. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, „Nein" wäre vermutlich nicht richtig, wenn es mir förmlich ins Gesicht geschrieben steht - also antwortete ich gar nicht auf seine Frage.

„Mia bitte sprich mit mir. Ich wollte doch auch n-", versuchte Till sich zu erklären. „Na klar." unterbrach ich ihn - meine Stimme nur ein klägliches krächzen. „Bitte lass es mich wenigstens erklären.", sagte er nun, woraufhin ich ihm erneut in die Augen blickte. Sein Blick war so stark und durchdringend, dass ich ihn kaum stand hielt.

Jedoch wollte ich auf keinen Fall nachgeben und noch schwächer wirken, als ich es eh schon tat. „Lässt du mich rein?", fragte er vorsichtig. Ich zog meine Augenbrauen hoch, woraufhin er „Meinetwegen können wir auch immer noch ausgehen oder wohin auch immer du möchtest, ich dachte nur, du willst vielleicht lieber hier bleiben.", hinzufügte.

Dieser Anblick von ihm war komisch. Komisch, weil dieser Mann aussieht wie ein Schrank und er sonst so gut wie unverwundbar wirkte. Jetzt jedoch ganz klein und verletzlich schien.
Till hatte zwar trotzdem diese unübersehbar durchdringende Präsenz, jedoch zeigte er eine weiche Seite von sich.

Innerlich wusste ich schon immer, dass er herzensgut, ruhig und auch angreifbar war, jedoch ist es nochmal etwas anderes, wenn man es am eigenen Leib erfährt.

„Gib mir 10 Minuten und wir können gehen.", sagte ich nun mit einem selbstgefälligen Unterton. Ich lasse mich von dem Kerl nicht unterkriegen. Und das sollte er auch ruhig wissen. Auch wenn ich empfindlich bin, besonders wenn es um ihn ging, konnte er nicht mit mir machen, was er wollte.

Ich grinste ihn fälschlicherweise mehr als übertrieben an, guckte jedoch augenblicklich wieder neutral, um ihm zu verdeutlichen, dass mir nicht egal ist, was er mit mir machte und ich auch Spielchen mit ihm spielen konnte, wenn ich wollte.

Am Ende bist du ganz allein, doch wir werden bei dir sein.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt