augenblick - verweile doch

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Ich entschied mich für ersteres. Wann bekommt man schonmal die Chance mit seinem Idol an einem Tisch zu sitzen? Ich nickte schüchtern und nahm auf dem Stuhl gegenüber von ihm Platz. „Zeig mir nochmal dein Tattoo, es sah echt hübsch aus." sagte er mit tiefer Stimme, welche mir eine Gänsehaut über den gesamten Körper jagte. Zögernd streckte ich ihm meinen Arm entgegen. Er nahm meinen Arm und legte ihn vorsichtig auf seine andere Hand. So viele Gefühle schossen gleichzeitig durch meinen Körper. Ich konnte gar nicht fassen, was gerade passiert. Till Lindemann, der Mann über den ich seit meiner Jugend schwärme, berührt gerade mein Handgelenk.

Er merkte mir scheinbar meine Nervosität an, „Du brauchst keine Angst haben, ich würde dir niemals etwas antun wollen." teilte er mir mit sanfter Stimme mit. „Ich weiß, es ist nur so, dass du..." ich zögerte. „Dass ich was?" fragte eher ruhig, während er immer noch intensiv das Tattoo beäugte. „Dass du mir so viel bedeutest, ich meine, dass ihr mir so viel bedeutet. Seit dem ich eure Musik entdeckt habe, verbringe ich jede freie Minute damit. Ihr habt mich einfach bewegt, besonders du, mit deinen Gedichten und all den Lyrics die du geschrieben hast. Ihr begeistert mich wie nichts anderes auf dieser Welt. Deshalb bin ich einfach nur ziemlich nervös, nicht weil du mir Angst machst." Er hatte seinen Blick inzwischen auf mich gerichtet und sah mir in die Augen. Ich bemerkte seinen leicht kühler gewordenen Blick, zog meinen Arm zurück und fügte ganz schnell „Ich wollte aber niemals so aufdringlich, wie gewisse andere Fans sein. Deshalb hab ich ja versucht so neutral wie möglich zu bleiben, als ich dich erkannt habe. Ich bin ein wirklicher Fan und nicht weil ich dich attraktiv finde oder einfach mit dir ins Bett will, ich liebe wirklich die Musik und die gesamte Band." hinzu.

Ich fühlte mich dumm. Dumm, weil mir sofort klar wurde, wie viele Frauen ihm das wahrscheinlich schon vorgehalten haben, aber in Wirklichkeit doch nur mit ihm ins Bett wollten. Ich konnte seine Reaktion verstehen, er war wahrscheinlich auch erschöpft, erschöpft ständig von Tausenden Frauen angeschmachtet zu werden. „Es tut mir leid Till, aber ich meine es wirklich ernst. Ich weiß nicht wie ich dir das beweisen sollte, aber es ist ehrlich so. Mir ist gerade klar geworden, wie oft du das schon gehört haben musst, deswegen kann ich deine Reaktion verstehen. Ich will nur, dass du weißt, dass ich wirklich dankbar für euch und eure Musik bin."

Seine Lippen verformten sich wieder zu einem Lächeln. „Dann ist ja gut.", kurze Pause. „Das heißt aber du findest mich attraktiv?" fragte er mich mit einem süffisanten Unterton. „Ich, ähm-" stammelte ich. „Mia kannst du mal bitte kommen?!" rief Klara leicht aufgebracht. Ich stand sofort auf, um meiner besten Freundin zur Hilfe zu eilen. „Tut mir leid, Till." hauchte ich ihm noch entgegen. Ich vernahm im weglaufen noch ein tiefes „Schon gut, ich kann warten."
„Was ist denn lo-" ich stockte als ich die Schlange Menschen sah, während ich in Richtung Tresen abbog. Sie lächelte mich entschuldigend an, ich zuckte jedoch nur mit den Schultern und formte ein „Schon gut" mit den Lippen.

Nachdem wir die Masse an Menschen bedient hatten atmete Klara genervt aus. „So viel Kundschaft haben wir doch normalerweise nie an einem Montag Morgen." Ich nickte ihr zustimmend zu, so viel Kundschaft war zu letzt an einem Feiertag in dem kleinen Café gewesen. „Und? Erzähl!" bat Klara. Ich erzählte ihr in Kurzform was passiert ist und was wir gesagt haben. „Oh man, sorry dass ich dich genau da rufen musste!" Ich zuckte kurz mit den Schultern, „Ist doch nicht deine Schuld." „Willst du nochmal zurückgehen?" fragte sie mich jetzt. „Denkst du ich sollte?" fragte ich sie unsicher. „Bist du eigentlich blöd? Er hat dich gebeten, dich zu ihm zusetzen und er hat dir gesagt, dass er auf dich warten wird. Natürlich solltest du!" Lächelnd nickte ich ihr zu und machte mich auf den Weg zu Till's Tisch.

Till sah sofort von seinem Handy auf, als ich dabei war mich wieder zu ihm zu setzten. „Hey." hauchte ich leise, mehr fiel mir nicht ein. Die Präsenz dieses Mannes machte mich einfach verrückt, so eine Aura und so eine Ausstrahlung hab ich selten erlebt. Eigentlich noch nie, wenn ich ehrlich zu mir bin. „Hey. Hast du alles erledigt was deine Kollegin von dir wollte?" fragte er leicht neckend. „Mhm, es war nur plötzlich super viel los." antwortete ich ihm. Ein kehliges lachen, „Ich dachte schon sie lässt dich gar nicht mehr zu mir." Entschuldigend lächelte ich ihn an „Tut mir leid, ich wollte eigentlich auch nicht gerne so lange wegbleiben." Innerlich ohrfeigte ich mich sofort für diese Aussage. Wie offensichtlich will ich es ihm denn noch machen? Till lächelte mich warm an, doch der ruhige Moment wurde schnell unterbrochen. Durch das klingeln eines Handys. Durch das klingeln meines Handys? Ich machte große Augen und griff panisch in meine Schürze. „Alles gut, beruhig dich. Es ist meins." flüsterte er mir schnell zu. Ich beruhigte mich augenblicklich, als er mir versicherte, dass es sein Handy war. Er nahm den Anruf entgegen und lehnte sich gelassen in den Stuhl zurück.

„Moin! Alles klar Scholle?" sprach er in sein Handy. „Was? Ehrlich jetzt? Wie geht es ihm?" stieß er plötzlich panisch hervor, während er sich aufsetzte. „Klar, ich mache mich sofort auf den Weg. Keine 10 Minuten, ich verspreche es dir." „Bis gleich!" Mit panischem Ausdruck im Gesicht starrt er mich kurz an. Sein angespannter Kiefer war deutlich zu erkennen. Diese einschüchternde Präsenz, die dieser Mann sowieso schon an sich hat, wurde nun durch eine eiserne Kälte in seinem Blick unterstrichen. „Was... was ist passiert?" stammelte ich unsicher. „Ich- Paul, er... Ich muss sofort zu ihm! Richard meinte es gab einen Unfall, als sie beim Aufbau der Bühne schauen wollten wie alles läuft." erzählt Till mir aufgebracht. „Dann los, fahr sofort zu ihnen!" erinnerte ich ihn, an sein Verspechen mit Richard. „Es tut mir leid, ich wollte nicht, dass es heute so endet." teilte er mir gekränkt mit. „Mach dir keine Sorgen wegen mir. Freunde gehen vor, das ist absolut verständlich, Till!" „Du bist ein Engel, Mia." hauchte er mir entgegen, während er mir etwas in die Hand drückte, aufstand, seine Jacke nahm und nach draußen eilte.

Ich sah ihm hinterher, bis die Ladentür sich hinter ihm schloss, und er so für mich nicht mehr sichtbar war. Eine plötzliche Leere umhüllte mich. Ich starrte auf den mittlerweile leeren Teller. Vermutlich hatte er gegessen, als ich Klara aushalf. „So muss die Begegnung mit meinem Idol enden?" fragte ich mich selbst. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich noch immer etwas in der Hand hielt, was er mir in Eile zusteckte. Ich öffnete meine Hand und zum Vorschein kam ein Zettel. Eher ein Knäuel von Zettel, so zusammengedrückt war dieser. Ich zog ihn vorsichtig auseinander und konnte mein Glück kaum fassen, als ich sah was darauf geschrieben stand. „Ich würde mich sehr freuen, wenn du heute Abend mit mir ausgehst. Wenn du nicht willst, musst du selbstverständlich nicht, aber wenn doch, meld' dich bitte bei mir. Meine Nummer:..." Ein riesiges Lächeln machte sich auf meinen Lippen breit. Till Lindemann hat mir gerade seine Nummer gegeben. Das kann doch nur ein Traum sein, oder? Dann dachte ich an Paul zurück und meine Stimmung wurde wieder betrübter. Wie es ihm wohl geht? Ich mag den kleinsten Mann der Band super gerne, wie albern er manchmal ist zaubert mir oft ein Lächeln ins Gesicht. „Hoffentlich ist es nicht allzu schlimm..." dachte ich, während ich aufstand und mich wieder zum Tresen bahnte, um Klara alles zu erzählen.

Am Ende bist du ganz allein, doch wir werden bei dir sein.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt