Kapitel 4

7 2 0
                                    

"Hey Sam!"

Alessandro jumpte hinter ihr in den Zeichensaal. Sam schaute kurz zurück, richtete dann jedoch ihre Staffelei. Atemlos blieb er neben ihr stehen.

"Was gibt's, Alesso?"

Bewundernd musterte er ihren schlanken Hals, der wieder einmal verführerisch unter ihren herabhängenden Locken hervorblitzte. Wie immer hatte sie ihre Haare schnell zu einer Banane hochgesteckt, und wie jedes Mal fielen vereinzelt Strähnen heraus.
"Hast du morgen schon was vor?"

Sam überlegte angestrengt, aber ihr fiel keine Ausrede ein. Also schüttelte sie ihren Kopf und schraubte verbissen weiter an ihrer Staffelei.

"Morgen ist die Feier meiner Cousine Sandra....und ich hab mich gefragt ob du mich begleitest?" Hoffnungsvoll sah er sie mit seinem Dackelblick an.

Sam seufzte, da würde sie wohl nicht drum herum kommen. Zu oft hatte sie nun schon abgelehnt. Sie blickte zu ihrem Studienfreund Alessandro, der abwartend mit seiner Mappe neben ihr stand.

"Na gut, weil du's bist."

Alessandro konnte sein Glück nicht fassen und umarmte die verdatterte Samantha, drückte ihr einen Wangenschmatzer auf. "Danke!" flüsterte er und begab sich fröhlich an seinen Platz.

Samantha musste lächeln. Was war das denn?
Sie arbeitete weiter konzentriert an diesem neuen Projekt. Die Aufgabe die sie gestellt bekommen hatten war schwer umzusetzen. "Malen sie Ihr Innerstes!" hatte Professor Giovanni gesagt. Wie sollte sie ihr Innerstes auf Papier bannen?! Wo das gerade sowieso alles durcheinander geraten war.

Das sie mit Anthony künftig eine Wohnung teilen musste ging ja noch, aber das sie ihn für ihren Vater ausspionieren sollte, war allerhand. Am Wochende waren sie bereits umgezogen, Marc hatte nicht schlecht gestaunt als er die Wohnung betreten hatte.
Die Wohnung lag etwas ausserhalb der Stadt, in einem alten Fabrikgebäude, mit riesigen Fensterfronten. Samantha hatte nicht einmal gewusst das in diesem Gebäude Wohnungen vermietet wurden.
Als sie das erste Mal mit Anthony dort gewesen war, hatte sie sofort ein gutes Gefühl gehabt. Man betrat die Räumlichkeiten durch eine schwere Eisentür, gelangte dahinter sofort in einen grossen lichtdurchfluteten Raum, rechter Hand befand sich eine offene Galerie, linker Hand eine Küchenzeile mit Theke. Kurz vor der Zeile führte ein schmaler Flur zum Bad und dem dahinter liegenden Zimmer.
Das einzigste abschließbare Zimmer hatte sich natürlich sofort ihr Bruder geschnappt. Hieß, sie hatte sich im offenen Raum ihre Malecke einrichten müssen und würde auf der Galerie schlafen. Was für Samantha jedoch kein Problem darstellte. Vorerst musste das gehen, später würde sie sich einen Job suchen. Denn von ihrem Vater abhängig sein, wollte sie immer weniger
~~~~
Routiniert hatte Marc die neue Wohnung der Geschwister Brescone nach Gefahrenquellen abgesucht. Er war nicht ganz zufrieden, wollte er Samantha doch in Sicherheit wissen. Er würde noch einen Sicherheitsriegel besorgen, Anthony war wirklich oft unterwegs, und das Kidnapping von Samantha hatte ihn ziemlich aus der Bahn geworfen.
Nachdem er sämtliche Werkzeuge und den Verriegelungsmechanismus besorgt hatte, machte er sich auf den Weg. Der abenteuerliche Lastenaufzug quietschte und ächzte während er den Weg nach oben fuhr. Das Gitter war auch nicht mehr das Neueste und ließ sich nur schwer beiseite schieben. Ölen, notierte er sich gedanklich.

Marc klopfte hart gegen die Eisentür, eine Klingel konnte er nirgends entdecken. Ohne groß Nachzudenken öffnete Anthony die Tür und begrüßte ihn. "Du machst auch jedem gleich auf, was?" wunderte sich Marc und trat ein.

"Dir auch einen schönen Abend", antwortete Anthony sarkastisch. Als er Marcs Utensilien sah, zog er eine Augenbraue nach oben und schüttelte den Kopf. "Panzerriegel? Echt jetzt?!"

"Du solltest nicht nur an dich denken", brummte Marc ärgerlich und hielt Ausschau nach Samantha. "Wo ist Michelangelo?"

"Sie ist im Bad, macht sich zurecht. Willst du was trinken?"

"Hast du 'n Bier?"

"Klaro."

Gezielt griff Anthony nach zwei Flaschen im Kühlschrank und köpfte die Kronkorken.
Er überreichte Marc ein Bier und sie stiessen nach alter Feierabendmanier mit den Flaschen klirrend an. Nach einem zügigen Schluck fing Marc an den Türriegel anzubringen. Anthonys Handy klingelte, er entschuldigte sich und verzog sich in sein Zimmer.

Nach einer Weile ging die Badezimmertür auf und Marc hörte tappsige Schritte auf ihn zukommen. Samantha hatte geduscht und kam nun nur mit einem Handtuch bekleidet heraus, rubbelte ihre Haare mit einem anderem Tuch trocken.
Marc kniete vor der Haustür und versperrte halb den Flur, so dass Samantha ihn nicht rechtzeitig bemerkte und in ihn hinein lief. Schwankend hielt sie vor Schreck das Handtuch an der Brust umklammert, und hätte Marc sie nicht mit beiden Händen an den Hüften festgehalten, wäre sie gestürzt.
Perplex starrte sie ihn mit offenen Mund an, keiner Regung fähig. Marc empfing ein süßer Duft aus Kokos und Vanille, und diese betörende Mischung vernebelte ihm kurz die Sinne.
Er fing sich als erster und erhob sich, so dass Samantha ihn nun von unten anstarrte.
Seine Hände lagen noch immer auf ihrer Taille und seine Augen hafteten fest an ihren. Sein Blick glitt eine Etage tiefer und sein Gesicht zierte ein amüsiertes Grinsen.

"W-was...t-tust du hier?" Stotterte Samantha ohne sich zu rühren.

Marc nahm seine Hände von ihr. Er deutete auf die Tür. "Ich bringe einen Sicherheitsriegel an."

In dem Moment wurde Samantha bewusst das sie nichts weiter als ein feuchtes Handtuch trug und lief rot an. Mit gesenktem Kopf tappste sie zu ihren bereit gelegten Klamotten, riss sie an sich und verschwand wieder in Richtung Bad.

Schmunzelnd arbeitete Marc weiter, Gott die Kleine sah sowas von sexy aus. Was für sinnliche Lippen, und sie roch so gut. Er hatte Mühe sich auf die letzten Schrauben zu konzentrieren.

Samantha zog sich mit zittrigen Knien ihre Unterwäsche und das schwarze Etuikleid an. Was zum Teufel brachte sie so durcheinander? Diese blauen Augen hatten sie anders als sonst angesehen, so als ob er sie das erste Mal richtig angeschaut hätte. Sie lächelte, Marc war aber auch attraktiv geworden. Seine norwegischen Vorfahren konnte man eindeutig erkennen. Diese kühle Iris, die kräftige Statur, diese blonden Haare. Samantha seufzte laut, wie er sie angegafft hatte. Sie musste kichern als ihr das bewusst wurde.
Sie bändigte ihre Haare mit einem schwarzen, breiten Band und legte Mascara auf.

Die Schultern straffend trat sie in den Raum und fand Marc an der Theke gelehnt sein Bier trinkend.
Er verschluckte sich fast, als er sie sah. Hustend stellte er das Bier ab und Samantha eilte ihm zu Hilfe, klopfte ihm kräftig auf den Rücken. Abwehrend hob er die Hände, "schon gut, schon gut."

Grinsend holte Samantha ihre schwarzen Pumps hervor und schlüpfte vor seinen Augen hinein.
Sie drehte sich vor ihm und schaute ihn mit schräg gelegtem Kopf an. "Was meinst du?" Provozierte sie ihn.

Marc traute seiner Stimme nicht und räusperte sich erst einmal. "Du siehst zauberhaft aus", brummte er und sein Blick sprach Bände.

"Danke", zwinkerte sie ihm erfreut zu, griff nach ihrer Jacke und dem Schlüssel und verschwand durch die schwere Eisentür.

"Pass gut auf dich auf", flüsterte er ihr noch hinterher. Sie hinterließ einen mehr als verwirrten Marc.

Versteckte BotschaftenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt