Kapitel 6

154 9 3
                                    


Ich habe gedacht, dass ich diese Worte leise gesprochen habe, doch offenbar nicht leise genug. Denn sobald diese Worte meinen Mund verlassen haben, bemerkte ich seinen Blick auf mir ruhen. Doch anders als ich erwartet habe war dieser nicht wütend, sondern nachdenklich. "Du bist entweder sehr mutig oder sehr dumm.." er sah mir weiter kalt in die Augen. "Oder beides."

Ich schüttelte nur den Kopf. "Ich habe keine Angst vor dir, Riddle." Trotzig verschränkte ich meine Arme vor der Brust. Er hob eine Braue und sah mich höhnisch an. "Also.. dumm?" Ich schnaubte und wendete meinen Blick stur nach vorn. Ich hörte, wie die Stuhlbeine über den Boden kratzten und sah aus dem Augenwinkel, wie er wieder näher heranrutschte. "Und trotzdem, nennst du mich beim Nachnamen.", flüsterte er selbstgefällig in mein Ohr.

Ich erschrack, als ich so plötzlich seinen Atem an meinem Ohr spürte und sah ihn überrascht an. Er grinste, sodass man seine weißen Zähne aufblitzen sah und verfolgte meine Reaktion, bevor er sich wieder zu Professor Dumbledore umdrehte. Ich war verwirrt. Ich konnte Riddle irgendwie so gar nicht einschätzen. Er war clever, gefährlich und arrogant. Und obwohl ich ihn noch nie mit jemanden sprechen gesehen habe, schien ihm jeder Respekt zu schenken.

Selbst die Lehrkräfte schienen entweder beeindruckt oder eingeschüchtert zu sein. Es war unglaublich. Naja, zumindest fast alle Lehrkräfte. Ich erinnerte mich an Hermines Worte, vor einigen Jahren. Voldemort hatte nur vor einer Person Angst- nämlich vor Dumbledore. Ob auch Riddle diese Angst schon jetzt hatte? Diese.. Unsicherheit? Ich sah aus dem Augenwinkel zu ihm und bemerkte verwundert, dass er nicht dem Unterricht zu folgen schien.

Stattdessen kritzelte er irgendetwas in ein Buch. Ich zuckte mit den Achseln. Mein Blick schweifte nachdenklich zu dem Professor. Warum hatte Voldemort eigentlich so eine Angst vor ihm? Es schien mir unerklärliche. Ja, Dumbledore war mächtig, aber er doch auch? Mir kam es langsam so vor, als wüsste ich viel zu wenig über diese Zeit. Als wäre ich nicht vorbereitet genug. Egal was es war, dass ihm eine solche Angst einjagte, ich würde es herausfinden, beschloss ich.

"Kann mir irgendwer sagen, wie ich etwas verschwinden lassen könnte?", Dumbledores Augen schweiften suchend in der Klasse umher. Das war eine einfache Frage. Es war genau der Unterrichtsstoff, den ich schon letztes Jahr hatte. Ich meldete mich. Auch neben mir, zischte eine Hand nach oben. Natürlich, Riddle. Professor Dumbledores Blick glitt über Tom hinweg und blieb interessiert auf mir liegen.

"Ja, Miss Y/L/N?", ich hörte Riddle schnauben. "Das Wort dafür ist Evanesco und bedeutet so viel, wie sich verflüchtigen. Je komplizierter ein Organismus aufgebaut ist, desto schwieriger ist es, ebenjenes verschwinden zu lassen." Er nickte annerkennend und lächelte. "Das ist korrekt,  Miss Y/L/N. Zehn Punkte für Slytherin.", selbstgefällig sah ich zu Riddle der wütend auf seinen Tisch starrte. Tja, er war vielleicht clever, aber im Unterricht hatte er keine Chance. Ich war ihm ein ganzes Jahr voraus.

"Nun, gerade aufgrund des Schwierigkeitsgrades des Zaubers, werden wir mit kleinen Schritten anfangen. Zuerst, werden sie versuchen eine Feder verschwinden zu lassen. Dies sollte ihnen heute aufjedenfall gelingen. Wer diese Aufgabe zuerst meistert, gewinnt weitere zehn Punkte für sein Haus und wird ein neues Instrument zum verschwinden erhalten. Fangen Sie an." Der Professor ließ magisch einige Federn aushändigen und als meine vor mir erschien, fing ich sofort an.

Auch Riddle zögerte nicht. Er sah bemüht aus, seine Feder noch vor allen anderen und vermutlich vor allem vor mir verschwinden zu lassen. Ich lächelte leise vor mich hin. Natürlich konnte ich dies schon, doch ich durfte dies nicht zu offensichtlich machen. Also tat ich, als würde ich noch etwas üben, während ich Riddle im Auge behielt. Er versuchte es stets, doch seine Feder blieb dort liegen und verschwand kein einziges Mal.

Er hatte seine Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen und seine Lippe zu einer dünnen Linie gepresst. "Evanesco." Zischte er und bewegte seinen Zauberstab bestimmend auf die Feder. Doch erneut passierte nichts. Wütend sah er auf die Feder. Ich schmunzelte. Gerade sah er überhaupt nicht bedrohlich aus, sondern wie eine Katze, die man mit Wasser übergossen hatte. Ich wusste wo sein Fehler lag. Er bewegte seinen Zauberstab nicht zu einem vollen Kreis.

Ich sah auf meine eigene Feder und richtete meinen Zauberstab auf ebenjene. "Evanesco," sagte ich ruhig und bewegte meinen Zauberstab einmal voll im Kreis, dann deutete ich auf die weiße Feder. Sofort verschwand diese. Ich lächelte fröhlich und mein Lächeln wurde nur noch breiter, als ich Riddles zornigen und zugleich neugierigen Blick bemerkte. "Hilfe gefällig, Riddle?" Er zog angeekelt seine Nase kraus und wandte sich wieder ab. Erneut versuchte er den Zauber und erneut versagte er.

Ich machte vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. Er war mir immer noch unheimlich und unsympathisch. Doch er sah regelrecht verzweifelt aus und außerdem wollte ich ihm meinen Erfolg noch ein bisschen länger unter die Nase reiben. "Ich brauche deine Hilfe nicht." Sagte er kalt. Ich beschloss mich von seiner Attitüde nicht abschrecken zu lassen. Zumindest im Unterricht und da war ich mir sicher, würde er nichts gefährliches anstellen. "Sieht aber anders aus," er blickte mir lange und kalt in die Augen. Seine Augenfarbe war grün.

Am ersten Tag auf dem Flur, erinnerten sie mich an ein Blattgrün im Frühling. Doch ich sah nun, wo ich ihn etwas mehr kannte nichts davon. Die Farbe war ein mörderisches, auffunkelndes grün, wie die Farbe des Todeszaubers Avada Kedavra. Ich unterdrückte ein Schaudern. Ich ignorierte seinen Blick so gut es eben ging und richtete meinen Zauberstab auf seine Feder. "Du hast den Fehler gemacht, lediglich einen fast vollen Kreis auszuführen. Die Bewegung muss aber klar einen Kreis zeichnen und einen deutlichen Übergang haben. Sieh mal,"

Ich hob konzentriert meinen Zauberstab. "Evanesco," sagte ich und zog einen Kreis, bevor ich wieder einmal meinen Stab auf die Feder richtete. Und wieder einmal verschwand diese. Beide haben wir nicht bemerkt, dass uns ein paar stahlblauer Augen aufmerksam beobachtet haben. Riddle sagte nichts, sondern sah mich interessiert an. "Hervorragend. Genau so wird der Zauber druchgeführt. Wie versprochen erhalten sie zehn weitere Punkte für Slytherin und dürfen sich nächste Stunde an einer Tasse versuchen. Gute Arbeit, Miss Y/L/N."

Ich lächelte Dumbledore zu. Und als ich mich zu Riddle drehte, entging mir nicht wie sich seine Interesse mit Zorn vermischte. Jetzt hatte ich zu einhundertprozent Tom Riddles Aufmerksamkeit und ich wusste, dass er nun mehr wissen und herausfinden wollen würde.

Under Control // Tom Riddle x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt