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Ich bin ein wenig nervös und knete meine Hände die gefaltet auf meinen Schoß liegen, während ich vorsichtige Blicke zu Alistairs Wohnungstür gleiten lasse. Heute würde ich ein paar von seinen Freunden kennenlernen, was ziemlich an meinen Nerven nagt. Als Alistair meine Freunde kennengelernt hat, lief es nicht so gut und wer weiß, vielleicht sind seine Freunde auch so kritisch wie Birdie es war. Und ich bin auch nicht wirklich auf dieses Zusammentreffen vorbereitet, ich habe den gesamten Morgen und Vormittag bei meinem Freund verbracht, bis er mir irgendwann verkündet hat, dass seine Freunde bald kommen wollen, weil sie alle noch feiern gehen.

Wir haben jetzt 15 Uhr, was eindeutig zu früh zum Vortrinken ist. Meiner Meinung nach. Allerdings hat sich Dennis, der beste Freund von Alistair vor ein paar Minuten via Whatsapp angekündigt. Und gerade hat Alistair ihm die Türe geöffnet. Die Wohnungstüre fällt wieder ins Schloss und Dennis tritt in mein Sichtfeld, dass ich ihn gut mustern kann. Er ist groß und schlaksig mit blonden, dünnen Haar und keine wirkliche Augenweide. Neben ihm strahlt Alistairs Schönheit nochmal besonders. Jetzt schaut er auch zu mir und mustert mich ebenfalls kurz, ehe sich ein Lächeln auf seine Lippen schleicht. 

Ich stehe auf. Keine Ahnung warum, einfach weil ich mich unwohl damit fühle die einzige sitzende Person in diesem Raum zu sein. Unsicher lächle ich zurück und beobachte, wie Dennis auf mich zukommt und mir dann seine Hand entgegenstreckt. "Ich bin Dennis.", stellt er sich vor und ich schlage mit ihm ein, erleichtert darüber, dass er immer noch lächelt und nichts blödes sagt. "Owen.", erwidere ich und lasse mich dann wieder auf meinen Stuhl fallen, Dennis setzt sich neben mich. "Du bist also Alisters Neuer?", stellte er rhetorisch fragend fest und ich nicke nur bescheiden als Antwort. Keine Ahnung als was er mich vor seinen Freunden bezeichnet, wenn er solche offiziellen Bezeichnungen blöd findet. 

Nach Dennis treffen noch Leander und Xavier ein, einen größeren Unterschied als die beiden könnte es nicht gegen. Sie sind wie Tag und Nacht. Leander laut und ungehemmt, Xavier still und zurückhaltend. Und auch wenn alle drei überhaupt nicht mein Schlag sind, verstehe ich mich erstaunlich gut mit ihnen. 

"Kommst du später auch mit, Owen?", fragt mich Dennis, während er sich einen Joint baut. Die Luft riecht schon ziemlich nach Gras, denn vor einer viertel Stunde hatten sich Leander und Xavier auch schon einen Joint geteilt, seitdem ist Leander auch endlich ein wenig ruhiger geworden. Er kichert nun sehr viel, während Xavier nun komplett in seiner eigenen Welt verschwunden ist und gegen die Wand starrt. "Ne, ich hab noch was vor.", verneine ich ich Dennis' Frage. 

Birdie hat heute Abend Premiere als Hauptrolle im städtischen Theater, sie hat all ihren Freunden Karten besorgt uns uns herzlich eingeladen. Zwar ist das bei weitem nicht Birdies erste Aufführung, trotzdem unterstütze ich meine Freundin gerne mit meiner Anwesenheit in der ersten Reihe. Dennis fragt nicht weiter nach und ich bin ziemlich dankbar dafür. "Wann willst du denn los?", fragt Alistair unmittelbar in mein Ohr und mich überkommt ein kurzer Schauer. Mein Freund hat seit dem er sich neben mich gesetzt hat seinen Arm um mich gelegt und ich kuschle mich bereitwillige an ihn ran. "So um 17 Uhr wollte ich mich langsam mal fertig machen.", antworte ich ebenso leise und bekomme dann einen leichten Kuss auf meine Schläfe. Mir gefällt es, dass Alistair auch in Anwesenheit seiner Freunde mir gegenüber zärtlich ist. 

"Willst du auch?" Leander hält mir breit grinsend den Joint hin, den er scheinbar von Dennis abgenommen hat, ich schüttle ablehnend den Kopf. Ich habe ein Bier vor mir stehen und das reicht mir auch für den Abend. Alistair nimmt dafür aber bereitwillig den Joint entgegen und zieht dran, den Rauch atmet er direkt in meine Richtung aus. Ich weiß, dass er das macht um mich zu ärgern, also bleib ich stumm und verdrehe nur die Augen. Alistair grinst mich lieb an und gibt mir dann noch einen sanften Kuss auf die Lippen. 

Ich weiß nicht, ob es an den Dämpfen um mich herum liegt oder an dem Bier, aber nach einiger Zeit fühle ich mich immer losgelöster und entspannter, so dass ich völlig den Druck vergesse unter den ich ich mich setze, weil ich Alistairs Freunden gefallen will. Xavier erzählt gerade ruhig eine Gesichte von seiner Ausbildungsstelle und ich lausche gespannt, auch wenn es eigentlich eine ziemlich langweilige Story ist. Aber seine Stimme ist so ruhig und melodisch, dass sie einen in den Bann zieht. Nur aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, dass Alistair den Joint den er vorhin gedreht hat nun anzündet. "Du auch?", Alistair hält mir seinen Glimmstängel unter die Nase und beginnt sanft an der Stelle hinter meinem Ohr zu saugen. Ich seufze behaglich und beuge meinen Kopf so, dass Alistair besseren Zugriff auf meine Haut an. Seine Berührungen sind intensiv und die Stelle an der seine Lippen liegen prickelt erregt. Mein verstand sagt mir klar, dass ich den anderen hier jetzt keinen Softporno bieten soll, aber die heiße Erregungen breitet sich schon in meiner Lendengegend aus. 

Mit ein wenig Willenskraft reiße ich mich von Alistairs verführerischen Lippen los und nehme zaghaft den Joint aus seinen Fingern, dort wo unsere Hände sich berühren kribbelt es leicht. Vielleicht ist ein wenig Gras jetzt das was ich brauch, nur ein bisschen um die Situation hier weiter zu meistern, um von den Leuten am Tisch anerkannt zu werden. Ich bin mit Birdie den Text so oft durchgegangen, dass ich ihn schon auswendig kenne. Dann wird es wohl nicht so schlimm sein, wenn ich ein wenig high bin. Ich setze den Joint an meine Lippen und sauge die süße Droge in mich auf.

Ich weiß nicht mehr genau wie viel ich geraucht habe, aber ich weiß, dass ich eindeutig zu viel getrunken habe. Ein Bier, danach noch eins und dann irgendeine Mische. Normalerweise stecke ich Alkohol recht gut weg, aber es wird wohl einen Grund geben, weshalb man nicht kiffen und trinken soll. Nunja, was soll ich sagen, ich hab beides gemacht. 

Nach dem ersten Zug war ich so stolz auf mich, dass ich nicht husten musste, dass ich nochmal gezogen habe und nochmal und nochmal. Keine Ahnung ob ich jetzt einfach nur bekifft oder betrunken bin. Oder beides. Aber als ich auf mein Handy schaue werde ich für einen Moment wieder klar. Fünf Anrufe in Abwesenheit, zwei von Birdie, drei von Henry. 20:34 Uhr. Scheiße. Ich habe Birdies Auftritt verpasst. Fuck, fuck, fuck. 

Meine Hände beginnen ein wenig zu zittern und mir schnürt sich die Kehle zu. Mein Körper fühlt sich plötzlich nicht mehr so entspannt und leicht an, sondern zentnerschwer. Heiße Panik fließt durch meine Adern. "Alles gut?" Alistairs Mund ist unmittelbar an meinem Ohr, aber seine Stimme unendlich weit fern. Ich schüttle den Kopf. "Ich hab voll die Zeit vergessen.", erkläre ich mit gebrochener Stimme. Ich hatte nicht erzählt was ich heute noch vorhabe, keine Ahnung wieso, vielleicht war mir peinlich vor ihm und seinen Freunden zuzugeben, dass ich noch ins Theater gehe. Theater finden die bestimmt nicht besonders cool. 

"Ist das schlimm?", fragt mein Freund besorgt und runzelt ein wenig die Stirn, er sieht süß aus und für einen Moment fokussiere ich mich nur auf seine braunen Augen und beruhige mich wieder ein wenig. "Schon ein bisschen, aber jetzt ist auch schon zu spät.", murmle ich mit schlechtem Gewissen, die Aufführung ist schon längst vorbei und Birdie sitzt gerade mit ihren Freunden und den Kollegen in einer Bar und feiert das die Premiere reibungslos ablief. Und ich bin nicht dabei. Alistair zieht mich ein wenig näher an sich ran und drückt mir einen Kuss auf die Haare, keine Ahnung ob er bewusst versucht mich zu trösten, er schafft es jedenfalls. 

Ich verliere mich kurz in der halben Umarmung und versuche meine Gedanken zu ordnen. Was mach ich jetzt am besten, gehe ich direkt nach Haus, rufe ich zurück, bleibe ich hier? Wie kann ich mich am besten bei meiner Freundin entschuldigen, obwohl meine Aktion eigentlich nicht zu entschuldigen ist. Ich habe Birdie versetzt um zu kiffen. Frustriert über mich selber seufze ich. 

"Owen, du siehst so aus, als könntest du einen gebrauchen." Leander schiebt mir ein bis zum Rand gefülltes Shotglas zu, die Hälfte des Inhalts schwappt über. Keine Ahnung was das für Alkohol eigentlich genau ist, aber er ist stark und brennt in der Kehle. Es tut ein wenig gut, ich mag das warme Gefühl im Bauch nach Hochprozentigen. 

Ehe ich mich versehe trinke ich noch einen Kurzen, danach noch einen und noch einen. Keine Ahnung welche Dummheit und unvernunft mit mir durchgegangen ist, aber ich bleibe sitzen, am Tisch und ich rauche und ich trinke, anstelle mich darum zu bemühen mich bei Birdie zu entschuldigen. Denn mit benebelten Kopf lebt es sich besser, als mit den Sorgen. Und komischerweise bin ich in dem Moment vollkommen okay damit. Es gibt nur mich und den Moment, nichts anderes ist relevant, auch nicht die beschissene Zukunft in die ich mich gerade rein katapultiere. 

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