Dienstag. Ich kam wieder zur Schule, 3 Tage nach Sakis Beerdigung. Es war Mittagspause und ich wollte mich zu Rui, Nene und Emu setzen. Auch wenn sie mich nicht beachteten und ständig grundlos kicherten und mich nicht einweihen wollten, war es besser als keine Gesellschaft zu essen. Als ich mich also grad in Richtung des üblichen Tisches bewegte, erwartete ich nicht, was ich gleich sehen würde. Hatte ich nicht schon gesagt, dass Nene und Rui sich seltsam nahe kamen? Jetzt saßen sie nebeneinander auf der Bank und knutschten sich gegenseitig ab, als gäbe es kein Morgen. Aus Schock ließ ich mein Tablett fast fallen, fing es aber noch rechzeitig auf, bevor es zu Boden stürzen konnte und die Aufmerksamkeit aller in der Cafeteria Anwesenden auf sich ziehen konnte. Nach dem Schock war das erste Gefühl, was in mir aufsprudelte, Wut. Ich war so wütend, ich hab mich so betrogen gefühlt, und all das vermischte sich mit der unterdrückten Wut die ich wegen den letzten Tagen bereits fühlte, in denen Rui mich behandelte wie Luft. Zornig stürmte ich zum Tisch, packte Rui am Kragen und verpasste ihm prompt eine Ohrfeige. Geschockt schauten Nene und Emu mich an.
"Hey? Was zum Teufel soll das?" schrie Rui mich an.
Ich kämpfte mit den Tränen und wusste nicht, was ich sagen sollte. All die Gefühle stiegen mir zu Kopf. Ich war noch nie so wütend. Ich hätte Rui niemals zugetraut, dass er mich so verraten könnte, und gerade wo er wusste, was ich gerade durchmachte.
"Was fällt dir ein?" schrie ich mit zittriger Stimme. "Wie kannst du mir das antun?!"
Rui schaute mich an und guckte dann nach unten. Ich sah ihm an, dass er sich ein Lächeln verkneifen musste. "Was kann ich dafür?" sagte er leise und schaute dann wieder hoch zu mir, kein Anzeichen von Reue in seinem Gesichtsausdruck. Nein, er grinste schon fast. „Was kann ich dafür, wenn du einfach nichts verstehst?" fragte er und ich wusste nicht, wie ich antworten sollte. Es war kurz still, ehe er fortfuhr. „Verdammt... Weißt du... Es hat sich viel verändert, während du weg warst, und ich-" „Viel verändert?!" platzte es aus mit heraus. „Rui, verdammt nochmal, es waren zwei Wochen!" brüllte ich. Eher er etwas sagen konnte, drehte ich mich um und stürmte aus der Cafeteria raus. In dem Moment war mir schon klar, dass jeder unseren Streit mitbekommen hatte, aber das war mir egal. Während ich weglief, hörte ich Emu und Nene kichern, doch ich blendete es aus. Dass ich noch Unterricht hatte war mir ebenfalls egal. Ich wollte einfach nur noch nach Hause.
Zu Hause angekommen, rannte ich in mein Zimmer und knallte die Tür laut zu. Dann saß ich eine Weile auf meinem Bett. Die Wut klang ab und verwandelte sich immer mehr in eine tiefe Trauer. Ich versuchte zu weinen, um irgendwie meine Emotionen zu verarbeiten, doch ich konnte nicht. Schon bald wurde mir klar, dass ich keine Trauer oder Wut fühlte. Ich fühlte mich einfach - leer.Danach ging ich nicht mehr zur Schule. Ich war so verwirrt, ich wusste nicht mehr was ich fühlte. Irgendwie wollte ich Rui wiedersehen, ich sehnte mich nach seinem hübschen Gesicht und seinen weichen Haaren. Doch ich konnte ihm nie verzeihen. Wie konnte es nur sein, dass ich innerhalb so kurzer Zeit die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren hatte?
Nach ein paar Tagen bekam ich eine Nachricht. Natürlich nicht von Rui, aber von Akito. Ich war früher mit ihm gut befreundet, aber wir haben uns irgendwie auseinandergelebt.
Hey Tsukasa, am Samstag ab 18:30 ist bei mir Hausparty, du musst nichts mitbringen, aber ich würd mich freuen wenn du kommst. Du weißt ja noch wo ich wohne, oder?
Bis Dann! Akito :)Ich hatte wirklich ewig nichts mehr von ihm gehört. Zuerst kam es mir komisch vor, aber ich dachte, es wäre wohl ein Aufmunterungsversuch seitens Akito. Er hatte sicherlich mitbekommen, was passiert war. Zunächst zog ich es garnicht in Erwägung, zu dieser Party zu gehen, weswegen ich mein Handy weglegte. Doch später am Tag spielte ich doch mit dem Gedanken, hinzugehen. Ich hatte wohl erwartet, dass es mir besser geht, wenn ich alte Freunde wiedersehe.