Es war Samstagabend, und ich machte mich fertig. Das heißt, ich zog mir irgendein T-Shirt an, was noch nicht dreckig war, und eine einfache Jeans. Bei Akito zu Hause klingelte ich und wurde sofort von ihm begrüßt, ich freute mich sogar, ihn wiederzusehen. Doch mit jemandem hatte ich nicht gerechnet. Als ich reinkam, sah ich Rui, mit einem Getränk in dem einen und Nene im anderen Arm. Er bemerkte mich zuerst nicht, doch als er mich sah, drehte er sich sofort wieder weg, so als ob er mich nicht gesehen hatte.
Während der Party redete ich mit ein paar alten Freunden. Allem im Allem war die Stimmung ganz lustig, auch wenn ich versuchte Rui und Nene aus dem Weg zu gehen, was schwer war, da fast jeder über sie redete. „Sind sie nicht ein süßes Pärchen?" „Die beiden passen ja so gut zusammen!" So etwas musste ich mir ständig anhören, so als ob jeder meine und Ruis Beziehung vergessen hätte. Nach einer Weile (und einigen Fluchtversuchen vor Rui) suchte Akito mich auf. Er bat mich, mit ihm und ein paar anderen Wahrheit oder Pflicht zu spielen, ein Spiel, was ich bestimmt seit der 5. Klasse nicht mehr gespielt habe. Dabei waren außer Akito noch An, Kohane, Toya, Haruka und - zu meinem Erschrecken - Rui, Emu und Nene. Die drei klebten wirklich aneinander wie die Pest. Wir setzten uns alle in einen Sitzkreis, und ich versuchte möglichst viel Abstand zu Rui und seinen beiden neuen besten Freunden einzunehmen. Dann legte An eine Flasche in die Mitte. „So, wir drehen der Reihe nach die Flasche, und der linke Sitznachbar ist dran mit Fragen, verstanden?" erklärte sie und alle nickten. Die Flasche wurde ein paar Mal gedreht, zu erst war Akito an der Reihe, dann Kohane, dann Emu und dann An, bevor der Flaschenhals schließlich in meine Richtung zeigte. Neben mir saß Akito. „Okay Tsukasa, legen wir los, Wahrheit oder Pflicht?" Nach kurzen Überlegen antwortete ich: „Wahrheit." „Okayy..." sagte Akito und blickte zu Rui, dann zu Emu. „Wie fühlt es sich an, seine kleine Schwester umgebracht zu haben?" Mein Herz setzte für einen Augenblick aus. Verwirrt schaute ich Akito an. Ich konnte die Frage irgendwie nicht verarbeiten. Alle schauten mich an. „Es heißt, sie sei an irgendeiner Krankheit gestorben, dabei glaube ich, dass du sie einfach abgemurkst hast, du kranker Psycho." Dann fingen alle rhythmisch im Chor an zu rufen: „Psycho! Psycho! Psycho!" Ich wollte irgendwas sagen, aber ich konnte nicht. Das einzige, was ich in dem Moment tun konnte, war wegrennen. Während ich lief, hörte ich wie An, die einzige die sich nicht an den Rufen beteiligt hatte, versuchte die anderen zu stoppen. Dann hörte ich alle lachen. Ich rannte irgendwo hin, wo mich erst mal keiner sah.
Ich bin ja so naiv. Ich hatte wirklich gedacht, dass mich andere Leute anders behandeln würden. Aber die Welt ist überall gleich. Ein kalter, grausamer Ort, wo die einzige Freunde in der Pein anderer besteht. Egal wo man hingeht, dieser endlose Alptraum hört nie auf. In dem Moment wurde mir klar, was der einzige Ausweg war.