134 Tage vorher

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Ein letzter Zug und dann schnipste ich meine Zigarette auf den Gehweg vor mir. Ich trat drauf, damit die übrig gebliebenen Fünkchen der Asche auch noch erloschen. Danach blies ich den Qualm, welchen die Zigarette zurückgelassen hatte, aus meinem Mund in die kühle Abendluft und genoss die wenigen Sekunden, in denen ich das Nikotin in meinem Körper noch spürte.

Meine Schritte verlangsamten sich, als ich jemanden an dem Brückengeländer lehnen sah. Er hatte eine Flasche Tequila in der Hand, der allerdings erst ungefähr 3 Schlucke fehlten. Er trug eine Lederjacke, deren Ärmel hochgekrempelt waren, darunter ein schlichtes weißes T-Shirt. Auf seinen leicht hoch gegelten Haaren saß eine rote Snap-Back, die ihm wirklich gut stand. An seinem rechten Unterarm sah man ein Tattoo, welches aus vier Pfeilen bestand, die zu seiner Hand zeigten.

Verwundert kam ich immer näher, bis ich mich einfach neben ihm anlehnte und seine Flasche musterte. Eine Weile standen wir einfach nebeneinander da und niemand sagte etwas. Dann räusperte ich mich ein wenig: "Um diese Zeit, ist hier normalerweise nicht eine Menschenseele".

Der junge Mann neben mir fuhr erschrocken zu mir herum und starrte mich verwundert an. Er scheint mich vorher wohl nicht bemerkt zu haben. Seine Augen waren glasig und seine Wangen gerötet. Ich hatte das Gefühl, er wollte mit dem Alkohol irgendwelche Probleme wegspülen, doch anscheinend klappte das nicht so ganz, wie er sich das vorgestellt hatte.

"Alles okay bei dir?" Sein Blick richtete sich auf seine Schuhe und dann begann er plötzlich wie ein Wasserfall seine Lebensgeschichte zu erzählen: "Meine Freundin hat vor ein paar Tagen mit mir Schluss gemacht und in meiner Band läuft alles scheiße, weil die Jungs kein Bock mehr auf mich haben, wenn ich die ganze Zeit nur Trübsal blase. Aber wie soll ich jemals wieder glücklich sein, wenn mir die Liebe meines Lebens das Herz gebrochen hat und nichts mehr von mir wissen will?".

Sein Blick richtete sich wieder auf mich und er schaute mich abwartend an. "Also wenn du jetzt 'n Rat oder so brauchst, ist dafür die Mülltonne da drüben wahrscheinlich besser geeignet als ich", lächelte ich leicht und versuchte mich dann rückwärts aus dem Staub zu machen, denn dafür war ich wirklich die falsche Person. Er seufzte jedoch nur theatralisch und redete einfach weiter, sodass ich quasi stehen bleiben musste. Nicht zu fassen dieser Typ.

"Weißt du, es ist nur so, ich habe so eine Leere in mir drin, aber zwischendurch bin ich einfach so wütend, dass ich irgendjemanden zusammen schreien könnte" Es herrschten ein paar Sekunden Stille, in denen ich ernsthaft versuchte eine Lösung für diesen Typ zu finden. Warum auch immer...

"Wieso tust du es dann nicht einfach?", zuckte ich mit den Schultern, dabei grinsend über meine sonst nicht vorhandene Kreativität. "Was?! Ich kann doch nicht einfach irgendjemand unschuldigen zusammen schreien!" Ich lachte kurz auf. "Hier ist doch niemand, schrei' einfach all deine Wut aus dir heraus und vielleicht verschwindet dann auch die Leere in dir!" Überlegend rieb er sich das Kinn und drehte sich daraufhin mit dem Gesicht zur Brücke. Er atmete tief ein und murmelte ein "Okay, alles klar" vor sich hin.

Dann kam ein leiser Schrei aus seinem Mund und ich kugelte mich fast auf dem Boden vor Lachen. Er zog eine Augenbraue nach oben und schaute mich vorwurfsvoll an. Ich strich mir meine dunkelbraunen Locken aus dem Gesicht, bemüht mein Lachen zu unterdrücken, und fragte dann entsetzt: "Ist das dein Ernst? Das nennst du einen Schrei?" Beleidigt drehte er sich weg und nahm einen Schluck aus der Tequilaflasche. Er schüttelte sich sofort und verzog das Gesicht. Schon wieder musste ich mir ein Lachen verkneifen.

"Ich zeig dir wie man das macht!" Ich schrie mir die Seele aus dem Leib und taumelte danach von dem Geländer zurück. Der junge Mann schaute mich beängstigt an und schluckte dann. Ich grinste: "Na los, du bist dran!" Er drehte sich wieder zum Geländer und schrie, lauter als ich, die gesamte Umgebung zusammen. Als er fertig war applaudierte ich ihm und grinste ihn dann an: "Den hat man bestimmt Kilometerweit gehört!"

"Das war... echt befreiend!", schmunzelte er erst erstaunt und brach dann in einen Lachanfall aus. Ich grinste einfach nur vor mich hin, nahm ihm die Flasche Tequila aus der Hand und ging weiter. Ich war schon ein paar Meter gelaufen, als ich ihn hinter mir her rufen hörte: "Hey du, warte!"

Ich drehte mich um und sah ihn auf mich zu laufen. Ein wenig außer Atem blieb er vor mir stehen und lächelte mich an: "Danke! Und ich bin übrigens Liam" Er hielt mir seine Hand hin, die ich auch entgegen nahm. "Kein Ding!", lächelte ich zurück und wollte wieder gehen.

"Verrätst du mir deinen Namen nicht?" Ich grinste ihn an, nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche, drückte ihm diese danach wieder in die Hand und grinste ihn beim rückwärts gehen nochmal an: "Ich denke nicht, dass wir uns jemals wiedersehen werden" Bevor ich mich umdrehte zwinkerte ich ihm zu und ließ ihn dann ziemlich verdattert an meinem Lieblingsplatz stehen.

Fuck!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt