Zwei Wochen war die Begegnung mit Liam nun her und ich hatte ihn natürlich nicht wieder zu Gesicht bekommen. Was wahrscheinlich auch besser so war. Die Brücke hatte ich allerdings nicht mehr betreten. Ab und zu dachte ich noch an die Begegnung aber wenn ich dann daran dachte, wie ich mich einen Tag danach aufgeführt hatte, konnte ich nur lauthals anfangen zu lachen.
Besonders heute fühlte ich mich wirklich gut, wie ich mich eben sonst so gefühlt habe. Frei, anders und selbstbewusst. Es war schon nach zwölf , als ich wieder aus meiner Tür trat. Meine Beine trugen mich an einen bestimmten Platz, ich wusste wohin, hielt mich selbst aber nicht auf. Das war immer noch mein Platz und den konnte mir so ein dahergelaufener Typ nicht wegnehmen.
Ich lehnte mich ans Geländer, genoss den Ausblick und seufzte. Die frische Nachtluft wehte meine Haare ins Gesicht, die ich mir daraufhin einfach in einen Pferdeschwanz band. Ich versank in meinen Gedanken, während ich mir eine Kippe anzündete und den Rauch immer wieder inhalierte. Ich grinste vor mich hin, wieso hatte ich die Brücke überhaupt gemieden? Er würde ja eh nie wieder hierher kommen!
Und plötzlich lachte jemand hinter mir auf eine Art und Weise, die mir einen angenehmen Schauer den Rücken hinunter jagte. Langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite. Unterbewusst wusste ich ganz genau, wer dort stand, doch mein Verstand wollte es nicht wahr haben.
"Eigentlich dachte ich, zu seinem Lieblingsplatz kommt man öfters als nur alle zwei Wochen", schmunzelte mir Liam entgegen. In einer Sache war ich der absolute Überflieger, unübertreffbar. Ich konnte meine wahren Gefühle vor anderen ganz einfach überspielen.
"Tja, wie ich schon gesagt habe, wollte ich alles darauf setzen dich nie wieder zu sehen!", grinste ich zurück und zwinkerte ihm zu. Er kam auf mich zu und lehnte sich neben mich an das Geländer. "Hat wohl nicht so ganz geklappt!"
Sein melodisches Lachen schallte an den Wänden der verlassenen Straßen, durch die wir mittlerweile schon eine gefühlte Ewigkeit liefen, wider. Es war nie schadenfroh oder gemein, es war ein atemberaubend schönes, ehrliches Lachen, was mich selbst automatisch zum lächeln brachte.
Wir tauschten zwar viele lustige Geschichten über unsere Kindheit aus, aber dennoch wusste ich nicht mal wie alt er war oder was er beruflich machte. Ich wollte ihn fragen, mehr als einmal, aber dann müsste ich ihm auch Auskunft über mein Leben geben. Und das wollte ich vermeiden. Ich hatte nicht gerade viele Freunde, hatte ich noch nie. Es reichte mir einer, dem ich dann aber ganz und gar vertrauen konnte. Ich öffnete mich nicht schnell fremden Leuten und wahrscheinlich war genau das der Grund für meine fehlenden Freunde. Ich war, seit ich klein war, eine typische Einzelgängerin und war auch gern mal allein. Das ist bis heute immer noch so und wird sich höchstwahrscheinlich auch nicht ändern.
Liam dagegen schien für mich von Anfang an wie jemand, der sehr viele Freunde hatte und sich schnell öffnete. Als ob er bei jedem beliebt war. Eben das genaue Gegenteil von mir.
Wir lachten nicht mehr und die erdrückende Stille schien mir lauter als ein Presslufthammer direkt neben meinem Ohr.
"Wann hast du eigentlich vor mir deinen Namen zu nennen?", brach Liam glücklicherweise doch die Stille. "Hm, weiß nicht, vielleicht nach dem dritten Date" Er boxte mir leicht gegen den Oberarm, woraufhin ich spielend verletzt zur Seite stolperte. "Aber schon noch vor der Ehe, oder?" Wir fingen beide an zu lachen und stützten uns gegenseitig.
Plötzlich bemerkte ich eine Gruppe stark und gut gebauter Männer, die uns entgegen zu kommen schienen. Meine Schritte verlangsamten sich automatisch als die Dreier Gruppe weiter auf uns zu kam und ich bemerkte, dass sie schon reichlich Alkohol intus hatten. Liam war schon einige Meter vor mir bis ihm auffiel, dass ich nicht mehr neben ihm war. Besorgt blieb er stehen und wartete auf mich: "Alles okay?" Ich nickte schlicht, ohne die Männer aus den Augen zu lassen.