Endlich war es Samstag. Ich musste mich für die Klausurphase vorbereiten. Mathe und Englisch standen an. Meine Lieblingsfächer. Dilava hingegen hat Schwierigkeiten in Mathe, weshalb wir uns heute zum Lernen treffen wollten. Eigentlich bin ich ein Mensch, der nur alleine lernen kann, aber sie ist wie meine zweite Hälfte. Natürlich schätze ich es sehr, dass sie meine Hilfe haben wollte. Um 15:00 Uhr klingelte es dann. „Helin!! Dilava ist hier." schrie Papa von unten. Ich rannte schnell runter und begrüßte sie mit einer gefühlvollen Umarmung. „Wie gehts dir" , fragte ich. „Supi, wie immer". Ich freute mich , denn sie sah gelassener aus, als in der Schule. Ich denke mal, dass zuhause wieder alles besser wurde. Ihre Eltern sind zwar so so nett und liebevoll , aber sie bekommt meistens den Stress ab, weil Diyar die meiste Zeit arbeitet. Es ist normal, dass es in der Familie mal zu Streitigkeiten kommt, aber es zieht sie sehr runter , da sie ein sehr emotionaler Mensch ist. Dennoch ist sie mental stark. Ich bin so stolz auf Sie. Nach einer kleinen Klatsch und Tratsch Runde fingen wir an Mathe zu lernen. Das Thema lautete Extremstellen eines Graphen ermitteln. „Dilava du hast das Prinzip verstanden, aber du gehst dir Schritte lückenhaft durch" ,erklärte ich.
„Aber welchen Schritt habe ich vergessen??", rief sie mit einem traurigen Lächeln.
„Schau mal nachdem du die Ableitung bildest musst du die Gleichung nach 0 auflösen. Das ist die notwendige Bedingung. Danach folgt die hinreichende Bedingung."
„Ahhh ich hab's verstanden"
„ich sag doch ‚dass du es kannst. Wir machen noch zwei Aufgaben danach musst du zuhause weiter üben. Das klappt nicht von jetzt auf gleich, hab ein bisschen Geduld.", machte ich ihr klar.
Sie stimmte mir zu und löste ruhig ihre Aufgaben weiter. Ich war nebenbei damit beschäftigt eine Analyse zu schreiben zu dem Stück „A midsummer nights nightmare" von Shakespeare. Mir fiel es zum Glück leicht, da mir das Stück überraschenderweise gefallen hat. Nach ungefähr 2 Stunden waren wir auch fertig. Ich schaute auf die Uhr und es war schon 18 Uhr. Wir beschlossen eine Pause einzulegen und schauten unseren Lieblingsfilm „Alles steht Kopf". Der Film hat uns deshalb so gefallen ‚weil wir uns mit den ganzen Charakteren identifizieren konnten. Genau das war der Grund wieso ich diese Freundschaft nur lieben konnte. Wir waren füreinander da, lachen zusammen, bringen uns gegenseitig Dinge bei, halten die Hände voneinander, wenn einer mal nicht aufstehen kann. Selbst unsere Streitigkeiten sind mit Liebe gefüllt. In meinen Augen war sie das schönste Mädchen auf dieser Welt. Die schulterlangen schwarzen Haare. Die helle Haut und die tiefschwarzen Augen. Über die Wimpern und Augenbrauen brauch ich gar nicht zu reden. Ihre Figur war zierlich und sie war um die 1,65 groß. Genau 3 cm grösser als ich. Sehr oft schaue ich auf sie hinauf. Sie ist fünf Monate älter und das verstärkt nochmal die Bindung zu ihr, denn ich sehe sie als meine große Schwester. Gerade als Einzelkind brauche ich jemanden in meinem Leben, der auch meine Jugend mit mir verbringt. Ich dachte immer, dass man schon von klein auf eine Freundschaft haben muss ‚damit sie hält. Sie bewies mir aber das Gegenteil. Diese zwei Jahre Freundschaft mit Dilava haben alles übertroffen. Über sie kann man keine Texte schreiben , sie kann man nur mit Gedichten umhüllen. Ich war dankbar , dass ich eine Freundin habe, die mir alles von Herzen gönnen kann und mich unterstützt , selbst wenn ich Fehler mache. Dilava's schwesterliche Liebe zeigt mir immer aufs neue, dass ich einen Wert habe. Durch sie bin ich selbstbewusst geworden und ein komplett neuer Mensch. In der Vergangenheit habe ich nicht immer die beste Erfahrung mit Freunden gehabt. Es fing schon in der Grundschule damit an, dass ich ausgeschlossen wurde, dass man mich wegen meinen Haaren ausgelacht hat oder weil ich schiefe Zähne hatte. Ich war ein Kind. Sowas von anderen Kindern zu hören zieht einen in ein ganz tiefen Ozean ,in dem man leicht ertrinken kann. Seitdem Tag an war ich immer die ruhige. Habe kaum richtige Freunde gefunden, weil sie immer hinterrücks Aktionen abgezogen haben. Von Verrat bis zum ausnutzen. Alles war dabei. Ich hatte wirklich die Hoffnung aufgegeben eine Freundin zu finden ‚doch dann traf ich sie.
Sie hat mir beigebracht das die inneren Werte auf das äußere strahlen und Menschen nur dann schön sind ,wenn das Herz auch schön ist.
Dank Dilava weiß ich mich zu schätzen. Vorallem bei dem Thema „Selbstwertgefühl".
Ich schaue jeden Tag in den Spiegel und sehe die selbe Person. Natürlich sieht man sich satt, aber nachdem Dilava mir die Ansage gemacht hat, dass ich Reinheit ausstrahle, habe ich mich nie wieder runtergemacht. Ich finde mich nicht hässlich, ich weiß, dass ich ein schönes Gesicht habe, aber manchmal schaue ich in den Spiegel und fange an zu weinen, weil ich nicht weiß ,ob ich mich aus Mitleid schön finde oder es wirklich so ist.
Man darf niemals sein Aussehen kritisieren, das ist mir bewusst, vorallem weil es bei meiner Religion heißt, dass Allah s.w.t den Menschen in seiner besten Form geschaffen hat, aber manchmal kommen die Gedanken von früher einfach wieder hoch. Ich weiß auch woran es liegt.
95% unserer Gedanken sind unbewusst , Vorallem die Gedanken, die wir schon seit der Kindheit mit uns tragen. Ich lerne mittlerweile damit umzugehen , Dilava hilft mir auch dabei.Das war's auch mit dem tiefgründigen Thema ,dachte ich mir. Manchmal kotzt es mich an, dass ich aus jeder Kleinigkeit eine Lehre ziehen muss, aber es ist wie eine kleine Selbsttherapie. Nachdem wir den Film zu Ende geschaut haben sind wir auch schon eingeschlafen. Das passiert öfter, wenn wir Abends miteinander Zeit verbringen. Unsere Eltern sehen uns eh schon als Schwestern, also macht es keinem was aus. Das gute an unserer Freundschaft ist aber auch, dass sich unsere Eltern auch einwandfrei verstehen.
„dong" knallte es gegen mein Fenster. Ich erschrak und bin direkt aufgestanden. Dilava schlief weiter und ich wollte sie nicht wecken. Ich fing an ayat al Kursi zu rezitieren, weil ich wirklich in diesem Moment vom schlimmsten ausgegangen bin. Natürlich war mein überdenken wieder schuld. Es hätte auch einfach eine Taube sein können, die gegen das Fenster geflogen ist. Das war auch der Grund wieso ich aufgestanden bin, um zu schauen ,ob meine Theorie der Warheit entsprach.
Ich starrte aus dem Fenster aber sah nichts. Keine Taube und kein Geist.
„DONG" schon wieder am Fenster. Es war ein Stein. Dieser Stein flog so schnell gegen das Fenster, dass ich es nicht mal realisierte. Ich stand vor Schreck einfach nur da und starrte uns leere. Vom Augenwinkel sah ich etwas weißes an der rechten Ecke unten , neben den Gebüschen. Irgendjemand verstecke sich. Langsam bekam ich ein unwohles Gefühl und versuchte zu entziffern wer es war.„Junge nicht dein Ernst" raschte aus mir heraus.
Es war Diyar. Diyar, der sich mit seiner fetten weißen Jacke unten versteckt hatte. Ich riss das Fenster auf und wollte ihn anspucken sowie anbrüllen. Konnte es aber nicht, da Dilava noch am schlafen war. Sein Lächeln sah ich selbst von oben. Er rief mich an und wir fingen an zu reden.D : „ hab ich dich aus dem Schlummerland geweckt?"
H: „was fällt dir ein um 2:00 Uhr mich so zu erschrecken."
D: „Tut mir leid, verzeihst du mir." flüsterte er ironisch.
H: „Wann verzeih ich denn nicht?"
D: „Ich hatte Sehnsucht."
H: „ was hast du gesagt ?"ich habe nicht gehört was er gesagt hat, da genau in diesem Moment ein großer Windstoß kam und sein Mikro blockierte.
D: „ ich hatte meine Spätschicht, wollte nur mal abchecken was ihr so macht. Dilava ist bei dir oder ?"
H: „ ja sie schläft aber."
D : „ ah okay gut , ich geh dann mal"„Geh nicht"
dachte ich mir , aber ich konnte es ihm nicht sagen. Wir verabschiedeten uns trocken am Telefon und er ging in die Richtung seines Hauses.
Ich wartete noch bis er in die Tür trat. Anschließend ging ich wieder schlafen.Diyar's Sicht:
„Ich brauch einen größeren Stein sie macht das Fenster nicht auf" , flüsterte ich mir zu. Nach fünf Minuten hat Madame es aber auch geschafft das Fenster zu öffnen.
Ihr Engelsgesicht strahlte direkt in meine Richtung. Selbst von einer solchen Entfernung konnte ich ihr Gesicht ganz klar erkennen.
Ihr kleines rundes Gesicht mit Apfelbäckchen schaute direkt in meine Richtung. Ihre braunen Augen waren zwar dunkel, aber für mich war es das hellste Licht auf dieser Welt. Schminke brauchte sie nicht , sie war eine Naturschönheit. Das lange braune Haare wehte im Wind. Sie waren zwar glatt aber hatten trotzdem eine kleine Struktur an den Spitzen. Vor Kälte wurden ihre Wangen rot, deshalb wollte ich auch nicht all zu lange mit ihr reden. Selbst wenn ich meine Seele dafür geben würde , den ganzen Tag ihre Stimme hören zu können.
Als ich auflegte lächelte sie mir ein letztes Mal zu. Von ihren rosanen, vollen Lippen träumte ich die Nacht vor mich hin. Ich brauche aber keinen Kuss von ihr. Es reicht schon wenn sie meinen Namen flüstert.
Meine kleine Helin.