Kapitel 6

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Isabella

Vor siebzehn Jahren :Ich sitze weinend in meinem Zimmer. Muss zuhören wie meine Mutter nach Hilfe schreit. Wie sie zusammen geschlagen wird. Bei jedem einzelnen Schlag, rollt eine Träne über meine Wange.
Bitte lieber Gott...
Ich bete dass es meiner Mutter gut geht.
Ich bete dass es endlich aufhört.
Ich bete dass alles aufhört. Diese gedämpften schlage.
Es wird leise... Und dann ein lauter Schrei. Meine Tür wird aufgerissen. Es ist nicht meine Mutter. Er kommt auf mich zu und fängt an, an meinen Klamotten zu fummeln. »Mamma.« wimmelte ich leise. Und dann hörte ich ein Schuss. Ein Schuss der mich traumatisierte. Ein Schuss der für immer in meinen Gedächtnis hallen wird. Ich werde ihn nie vergessen.

Er Sackt über mich ein. Überall Blut. Mein ganzer Körper ist voller Blut. Sein Blut. Es regt sich nichts. »Es tut mir leid.« »Es tut mir so leid...« »...so leid.« wiederholt sich meine Mamma die ganze Zeit. Sie kommt auf mich zu und hebt mich hoch. Ich sehe auf ihn herab. Er ist tot. Mein Papà ist tot. Meine Mamma hat meinen Papà umgebracht. Er ist tot. Ich werde ihn nie wieder sehen. Er ist tot. Ich werde ihn nie wieder hören. Er ist tot. Ich werde ihn nie wieder spüren. Er ist tot.

Sie zieht mich aus dem Raum, wo mein toter Vater liegt. Packt ihre Sachen zusammen, und wir verschwinden. Lassen ihn dort. Wir verschwinden aus dem Haus, so wie aus seinem Leben, und er aus unserem.

»Regel Nummer eins: Verliebe dich niemals.«
Ich nicke.
Sie holt das Geld raus was sie von meinem Vater gestohlen hat und legt es auf den Tresen vor den Busfahrer. Wir setzen uns nach ganz hinten.
»Regel Nummer zwei: kein Wort darüber was Geschen ist.«
Ich nicke.
So schlafe ich ein. Und falle wieder tiefer ins Loch. Ich frage mich schon wann es endet. Denn sobald ich meine Augen schließe bin ich gefangen. Gefangen vom schwarzen Loch. Es gibt kein Anfang und kein Ende.
Kein Wort Isabella
Kein Wort über deine Vergangenheit.
Und ein Schuss.
Es tut mir leid.
Kein Wort.
Er ist tot.
Kein Wort.
...
Er ist tot.

Er war nie da. Jeden Tag war er nie da. Ich kannte ihn fast garnicht. Er war nur einer dieser Personen die kommen und gehen. Er war nicht mein Vater. Es gab schon immer nur mich und meine Mamma. Nur sie und ich. Wenn sie lacht, dann tue ich dass auch. Wenn sie weint, dann ich auch. Wenn sie tot ist, dann bin ich dass auch. Sie ist innerlich kaputt, genau so wie ich.

Und ein Schuss...

Die Liebe zwischen mir und meine Mutter ist unzertrennlich. Ich sehe aus wie sie. Unzertrennlich. Ich rede wie sie. Unzertrennlich. Ich lache wie sie. Unzertrennlich.

Es tut mir leid...

Ein Leben ohne sie unvorstellbar. »komm Isa.« wir steigen aus dem Bus. Vor uns ein riesen Schiff. Ich war noch nie auf einem Schiff. »Nur einmal, dann ist alles geklärt.« sagt ein großer Mann. Neben ihm ist ein kleiner Junge. Er ist größer als ich. Er hat hell braune locken. Braune Augen. Und einen Anzug an wie der große Herr neben ihm. Meine Mutter geht aufs Schiff und zieht mich mit. Ich fühle mich unwohl. Wir sind so dreckig. Und sie so sauber.

»Es tut mir so leid...«

Eine etwas ältere Dame kommt zu mir. »Hier Süße.« Sie gibt mir sauber Klamotten. »Willst du dich duschen gehen.« fragt sie. Ich lächle, und will aufstehen. Meine Mamma hält mich auf. Und schüttelt den Kopf.
»Regel Nummer drei: niemals etwas annehmen, wenn wir nichts zurück geben können.«
Ich nicke.
Die Dame lässt die Sachen hier und geht wieder mit einem herzlichen Lachen.

»...so leid.«

»Es wurde alles entsorgt. Keiner wird davon Wind kriegen.« meine Mutter nickt. »Willst du mir nicht deine kleine vorstellen.« sie schüttelt den Kopf. »Dass ist aber sehr unhöflich, Maria.«
»Isabella, ihr Name ist Isabella.« sie stellt mich vor.
»schön dich kennenzulernen Isabella. Ich bin Vito, und dass ist mein Sohn Le-.« er wird unterbrochen. Ein breiter Mann kommt angelaufen und nuschelt ihn etwa zu. Sofort springt er auf und sein Sohn geht mit.

Er ist tot.

Die Dame kommt wieder und stellt essen auf den Tisch. »ihr sieht hungrig aus. Ich habe dass selber gemacht, meine persönliche Spezialität.« zwinkert sie. Nichts annehmen, wenn du nichts zurückgeben kannst. Ich esse nichts. Ich mag sie. Sie ist nett.  »tut mir leid, wir hatten ein paar Probleme.« Vito setzt sich wieder und sein Sohn auch. Er nimmt etwas von dem Teller der auf den Tisch gestellt wurde. »seine Männer haben euch gesehen. Wenn wir euch in Sizilien raus lassen, bleibt am besten nicht in der Nähe. Geht am besten noch weiter.« er legt ein Haufen Geld auf den Tisch. Und meine Mamma seufzt hörbar. »ich schaff dass schon.« sie schiebt den Haufen Geld wieder in seine Richtung. »ich will ja nur helfen, Maria.« »Die brauche ich aber nicht.« sagt sie entschlossen. »und was ist dass hier dann?« er zeigt mit seinen Händen herum. »ich habe eher euch geholfen. Schließlich hatte ich die Waffe in der Hand und habe abgedrückt.« es hallt die ganze Zeit in meinen Kopf. Es setzt sich zusammen, aber wenn es kurz davor ist zu passen, verfällt es wieder. Es macht plötzlich keinen sinn mehr. Mein Gehirn ist noch zu klein für die ganzen neuen Wörter die ich dazu gelernt habe.
Vito lacht. Beugt sich nach vorne und schaut meiner Mutter direkt in die Augen. »willst du ein Dank?« meine Mamma schüttelt den Kopf. »Nein.«

Kein Wort.

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