Prolog

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Im mit Wachs versiegelten Brief befindet sich eine Schriftrolle. Schriftzeichen verschlüsseln die auf dem Papyrus geschriebenen Worte. Eine Sicherheitsmaßnahme, die Ariola nicht ohne Grund trifft.

Jaquolin betrachtet die Flamme, die von der Kerze erzittert. Beinah wirkt es wie ein Tanz. Aber die Flamme bewegt sich bloß so wie der Wind weht.

Vorsichtig hält er den Briefumschlag über die tanzende Flamme und wartet darauf, dass der Wachs schmilzt. Durch viel Übung gelingt ihm das, ohne den Briefumschlag zu versengen. Auch wenn dies einen gewissen Stil hat.

Vorsichtig öffnet Jaquolin den Brief und holt die darin enthaltene Schriftrolle hervor. Unter Bedacht rollt er diese aus und betrachtet die Zeichnungen, die ihm seine Anweisungen mitteilen. Ariola ist seine langjährige Auftragsgeberin und weiß genau, wie sie eine Nachricht verschlüsseln kann, damit er seinen Auftrag versteht.

Der frische Papierbogen neben ihm wartet nur geradezu darauf, frische Tinte verzehren zu können und so erfüllt Jaquolin ihm diesen gefallen. Während er liest, hält er zwischendurch inne um mit der Tinte, die wichtigsten Wörter aufzupinseln und festzuhalten, was er zu tun hat. Ab und an hält er inne und versichert sich der Richtigkeit seines Aufschrieb.
Ein letztes Mal über die Tinte pusten, saugt er die Worte in sich auf.

Flammen erobern die Welt,Sei du ihr Held.Sie rieseln über uns. Jeden Augenblick. Jede Sekunde die verstreicht, ist eine, deren Zeit auch sinnvoller verschwendet werden könnte. Du weißt, was du zu tun hast. Du musst die Welt beschützen, ehe sie dich und jeden einzelnen von uns zerreißt.Nur meine besten Agenten würde ich diesen Auftrag anvertrauen und ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Sicher wird es Personen geben, die versuchen wollen, dieses Vertrauen auszunutzen oder zu zerstören, aber wie ich dich kenne, wird dich das nicht davon abhalten, deinen Auftrag zu erfüllen und zu tun, was zu tun ist.Die Welt steht in Flammen und du wirst ihr Regen sein.Der Regen, der sich über sie schüttet. Der Regen, der sie retten wird. Der Regen, der ihre Flammen stillt.Du wirst für den Frieden sorgen, den die Welt braucht. Du wirst den Frieden über sie bringen, den sie als Atem benötigt, um sich gegen ihre Feinde zu stemmen. Und ihren Feinden wirst du wie Schnee sein.Bevor du jemanden vertraust, gehe sicher, dass du ihm auch trauen kannst. Erst dann bist du bereit, dein Leben in die Hände eines anderen zu legen.Zweifle nicht an mir, auch wenn dir Zweifel gestreut werden.Die Welt muss zeigen, dass sie verdient gerettet zu werden, erst dann kannst du deine Gunst über sie verbreiten. Sei wie der Hagel im Regenwald. Sei die Lava, die die Erde mit Mineralien versorgt.Baue eine Welt, die es verdient, zu leben und sorge für den Frieden, nach den wir uns so lange sehnen.Das einzige Verbot, dass ich dir auferlege, betrifft Menschenleben. Verschone jedes, was dir zu verschonen möglich bleibt. Lasse dich nicht zur Waffe machen. Du hast deine Waffe. Und deine Waffe ist mehr erfüllend als ein Gewehr Gegner bekämpft.Sei ein Kämpfer für den Frieden,Kämpfe nicht, verändere die Nutzung der Waffe,Verbreite ihn ohne Gewalt,Und die Menschen werden die Welt oder zumindest den Frieden lieben.

Ariola gibt nichts auf Höflichkeiten. Das wurde schon in den ersten Monaten deutlich. Siezen zeuge von weniger Skrupel. Auch wenn duzen direkter sei und weniger Freundlichkeit erfordere, so sei es doch eine bessere Arbeitsmoral.

Ilonas, Jaquolins Ausbilder, ist in dieser Hinsicht das komplette Gegenteil von Ariola. Bei Metaphern aber sind beide eifrig dabei. Vermutlich ist dies auch der Grund, warum sich Jaquolin weniger schwer getan hat, seine Anweisungen zu verstehen, wie seine Kollegen, die unter anderen Ausbildern ihre Ausbildung genossen haben. Jara, Jaquolins Freundin aus Kindheitstagen, hatte während ihrer Ausbildung während einer Mission ihr Leben riskiert. Ihre damalige Ausbilderin Sia hingegen bezahlte mit ihrem Leben. Jara spricht nicht gerne darüber und hat seitdem auch an keinem einzigen Auftrag mehr teilgenommen, so sehr er auch versucht hatte, sie dazu zu überreden, ihn bei seinen Aktionen zu begleiten. Stattdessen erledigt sie den Bürokram, der sonst meist unbeachtet liegen gelassen wird. Vor drei Jahren lernte sie dann ihre jetzige Lebensgefährtin kennen.

Die tänzelnde Flamme lässt Jaquolin aufseufzen. Es brachte nichts, sich Gedanken über Jara zu machen. Anfangs war er froh gewesen, dass er vor ihr kein Geheimnis zu wahren braucht, doch mittlerweile ist er sich seiner Einstellung nicht mehr so sicher. In den letzten zwei Jahren haben sich die beiden mehr voneinander entfernt, als in den Vorjahren.

Ein paar zerrissene Klamotten, ein paar Anzüge, ein Haufen einfacher und edler Kleidung. Ein Gewirr an Farben. Zwei Trinkflaschen und ein Jahresvorrat Zwieback. Ein Taschenmesser und fünf Dosen. Honig, Wachs und Kerzen. Papier und Tinte. Ein Pflanzenkunde- und ein Naturkundebuch. Ein Buch über die Sterne. All das sind nur Bruchstücke aus dem Gepäck, das Jaquolin für seinen Auftrag packt. Ein paar Münzen aus einer wenig besiedelten Region, Edelsteine und vereinzelte Gewürze als Tauschmittel, wenn er sie nicht selbst nutzen kann. Er weiß nicht, wie lange er weg ist und was er alles braucht. In welche Kleidung er sich schälen muss, welchen Anwalt oder Bettler er nachzuahmen hat, um mehr über die Welt herauszufinden, die er zu retten hat. Um die Asche in der Welt zu sehen und den Regen zu setzen.

Ein Seil, welches auch eine Funktion als Kletterseil erfüllt und einen entsprechenden Gurt, ebenso wie Kreide, etwas Seife, Handtücher und Decken. Möglichst Nützliches, was wenig wiegt. Auf Dauer trägt er sonst Rückenschmerzen davon. So wie damals, als er in der wilden Natur, den seltenen Pferden und Schlangen aufgelauert hat, die nur in dieser Region heimisch zu sein scheinen. Oder als er den Spuren des Elefanten gefolgt ist. Von den Elefantenspuren weiß er auch, dass es ratsam ist, durchaus mehr als nur eine Trinkflasche mit sich herumzutragen.

Außerdem zählt diverse medizinische Versorgung ebenso zu seinen Utensilien, wie seine Art von Waffe. Ein einzelnes Schwert, das er zu jeden seiner Aufträge mitnimmt, ist auch mit dabei. Bisher musste er niemanden köpfen oder sonst wie erdolchen. Aber dieses Schwert hat eine andere Symbolik für ihn. Weder steht es für Tod noch Kampf, sondern für Hoffnung, Überleben und Sicherheit. Es steht dafür, dass egal wie einsam er auch seien wird, er niemals alleine ist. Dass es immer jemanden gibt, der für ihn da ist. Außerdem steht es für ihn für Erfolg und Gelingen. Glück. Freude. Frieden und Leben.

Dieses Schwert stammt aus seiner ersten Mission. In einem geheimen Keller lag es gemeinsam mit einer Pyramide aus Glas. 

Der Agent der DoppelmoralWo Geschichten leben. Entdecke jetzt