Elodie: Girls-Talk

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Kurz habe ich mich gefragt, ob etwas zwischen diesem wirklich gutaussehenden Cole und Ronja läuft. Der Nachhilfelehrer, was für ein süßes Klischee wäre das bitte?

Aber der kühle, emotionslose Blick mit dem meine Tochter ihren Besucher bedacht hat, sprach Bände. Ronja ist nicht interessiert.

Das einzige was ich über ihn sagen konnte war, dass er Angst vor ihr hat. Das analysieren seiner leicht hochgezogenen Schultern und wie er sich immer auf die Lippe gebissen hat... auch seine Hände waren die ganze Zeit fahrig und unruhig. Ich möchte ja glauben, dass er so nervös ist, weil er in meine Ronja verliebt ist, aber ich kenne sie und weiß, dass das wohl kaum der Fall sein kein. Ronja lässt niemanden an sich ran.

Das glaube ich zumindest. Ich weiß so gut wie nichts über ihr Liebes- geschweige denn Sexleben und irgendwie will ich es auch nicht wissen. Zumindest was Letzteres betrifft.

Aber jetzt, da dieser Cole auf einmal in ihrem Leben ist (ich kein einfach nicht anders als mir Gedanken darüber zu machen, ich bin ihre Mutter verdammt nochmal!), frage ich mich zum ersten Mal, ob Ronja noch Jungfrau ist. Sie hat nie mit mir darüber gesprochen und ich wollte sie nicht drängen, aber mit 16 wäre sie in genau dem Alter.

Sie würde mich hassen, wenn ich sie darauf ansprechen würde, also verkneife ich es mir.

Der Gedanke an Jeremy lässt mich einfach nicht mehr los. Er verfolgt mich in der Nacht und dominiert meine Träume, obwohl ich am liebsten von nichts Anderem, als Carl träumen würde. Er verfolgt mich beim Duschen, er verfolgt mich beim Kochen, er verfolgt mich beim Arbeiten und er verfolgt mich sogar beim Sex mit meinem Ehemann.

Carl wundert sich schon, warum ich im Moment so abwesend bin. Ich muss immer wieder daran denken, wie er mir das Kleid aufgerissen hat, wie sich seine großen Hände auf meiner jungfräulichen, empfindlichen Haut anfühlten und wie schrecklich es war, ihm hilflos ausgeliefert zu sein. Ich kann es nicht mehr genießen, mit Carl zu schlafen und das hasse ich.

Wenn Carl mich fesselt, ist das etwas ganz Anderes, als damals in jener Nacht, als Jeremy mich dazu zwang. Bei Carl kann ich es genießen, die Kontrolle und damit auch meine Sorgen abzugeben und muss keine Angst haben. Nein, es ist ein himmelweiter Unterschied.

Ich habe Carl nicht erzählt, dass ich ihn getroffen habe, weil er gar nichts von Jeremy weiß. Ich habe es ihm nicht vorsätzlich verschwiegen, sondern es nach unserer Versöhnung einfach nicht mehr für nötig gehalten, ihn darüber aufzuklären, warum es mir schwerfällt, zu vertrauen. Welches Trauma mein ehemals bester Freund mir zugefügt hat. Gut, ein bisschen wollte ich mir vielleicht auch beweisen, dass ich selbst stark genug bin, damit klar zu kommen.

Was ja auch so war. Aber ich habe nun Mal nicht damit gerechnet, ihm jemals wieder zu begegnen. Wenn ich Carl jetzt alles erzählen würde, könnte er denken, ich wollte es ihm nicht erzählen, weil ich, was weiß ich, mich doch irgendwie nach Jeremy sehne oder weil ich ihm nicht genügend vertraue. Er wäre jedenfalls verletzt und das will ich um jeden Preis verhindern.

Aber ich muss einfach mit jemandem sprechen. Ich kann das einfach nicht weiter in mich hineinfressen, dann würde ich früher oder später kollabieren. Die einzige Person, die wirklich verstehen wird was in mir vorgeht, wohnt glücklicher weise nur 15 Minuten von mir entfernt.

Ohne weitere Erklärungen schreibe ich Bin bei Sam, Essen steht im Kühlschrank, Liebe euch, Mom <3 auf einen Posted und klebe ihn auf den Esszimmertisch. Die Nachricht ist eigentlich mehr für Levi gedacht, Ronja ist es ziemlich egal was ich wann wo tue. Sie ist nur froh, wenn sie ihre Ruhe hat.

Ich schnalle die schlafende Juno in den Maxi-Cosi im Auto und schreibe eine kurze Ankündigungsnachricht an meine beste Freundin. Dann fahre ich Richtung Glenview, in der Hoffnung meine Sorgen auf dem Rückweg nicht mehr mit mir herumzutragen.

After my Lovestory- ShamelessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt