1. Auspacken

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Ein Klicken ertönt, als ich den Schlüssel drehe. Das Schloss springt auf, die Tür öffnet sich. Die Tür zu meiner neuen Wohnung.

Ich atme tief durch. Hoffentlich war es nicht dumm mein BWL Studium hinzuschmeißen, um mit dem Kunststudium zu beginnen. Zurück kann ich jetzt schließlich auch nicht mehr.

Seufzend hänge ich den Schlüssel an das Brett neben der Tür. Eines der wenigen Gegenstände, welche der Vormieter in dieser kleinen Einzimmerwohnung zurückgelassen hat.
Ich überprüfe jedes einzelne Zimmer, ob es dem Zustand entspricht, wie ich es beim Besichtigungstermin vorgefunden habe.

Ich schaue mir das Bett und die Kommode in meinem neuen Schlafzimmer an. Tatsächlich passt auch nicht wirklich mehr in den Raum hinein. In der Küche öffne ich jeden Schrank, um sicherzugehen, dass nichts vergessen wurde.
Im Bad beende ich meine Qualitätskontrolle und habe keine Mängel vorzuweisen.

Das ist jetzt also mein neues Zuhause. Die Wohnung ist wirklich klein, jedoch völlig ausreichend für eine Person. Für immer hier wohnen werde ich auch nicht, da bin ich mir sicher.
Noch einen weiteren Moment bleibe ich in dem Badezimmer stehen.

Ich atme ein zweites Mal tief durch und schließe meine Augen. Bevor ich den Raum wieder verlasse binde ich meine Haare zu einem Dutt zusammen.
Naja, wie ein Dutt sieht es nicht gerade aus, als Messy Bun geht es auch nicht wirklich durch, eher als Vogelnest. Ja, Vogelnest trifft es ganz gut, aber wem soll ich denn auch schon begegnen?
Ich mache das Licht aus, verlasse das Bad und greife nach meiner Handtasche.
Vor der Eingangstür lasse ich den Ledergriff los. Die Tasche nutze ich kurzerhand als Türstopper, etwas Besseres finde ich auf die Schnelle nicht.

Auf der Treppe hallen meine Schritte durch das gesamte Gebäude, dabei trage ich wie gewohnt nur Sneaker und keine High Heels. Immerhin wohne ich im 1. Obergeschoß, wodurch der Weg zu meinem vollbepackten Auto nicht weit ist.

Piepend öffnet sich mein Kofferraum, die Sicht auf eine Wand voll Pappkartons erstreckt sich vor mir. Seufzend hebe ich einen der oberen Kartons heraus. Glücklicherweise ist er nicht ganz so schwer.

Auf dem erschwerten Weg nach oben, wünschte ich meine Eltern hätten Zeit gehabt. Mein Vater hat allerdings nicht frei bekommen und meine Mutter einen wichtigen Kunden zu bedienen. Sie haben mir zwar angeboten die Kosten für ein Umzugsteam zu zahlen, was ich jedoch als nett, aber unnötig empfunden habe. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als die Sache alleine durchzuziehen.

Ich stolpere mehr, oder weniger in die Wohnung und stelle den Karton mit einem lauten Seufzen ab. Das Gewicht habe ich scheinbar doch unterschätzt. Einzig und allein mein Ehrgeiz und Stolz es ohne ein Umzugsteam zu schaffen treibt mich voran.
Ich laufe erneut nach draußen und hole den nächsten Karton.

Kurz nachdem ich diesen Pappkarton neben den ersten abstelle klopft es plötzlich an meiner offenen Wohnungstür.
Verwundert drehe ich mich um. Hervor schaut eine Frau, die nicht viel älter sein kann als ich, vielleicht zweiundzwanzig, oder dreiundzwanzig.
Ihr glattes schwarzes Haar streift gerade so ihre Schulter. Zwei grüne Augen blicken mir freundlich entgegen, ihr aufrichtiges Lächeln unterstreicht das Strahlen der Augen.

„Kann ich dir irgendwie helfen?"
Für einen Moment gehen mir unzählige Fragen durch den Kopf. Aber ich scheine keinen klaren Gedanken fassen zu können.
Die Frau vor mir kippt ihren Kopf leicht zur Seite, ein Schmunzeln umspielt ihre Lippen.
„Hey, ich bin Alice, die Nachbarin dir gegenüber." Sie nimmt ihre rechte Hand aus der Hosentasche und hält sie mir hin.

Perplex blinzle ich und erlange so wieder die Kontrolle über meinen Körper. Schnell putze ich meine schwitzigen Hände an meiner Hose ab.
Ich bekomme ihre Hand zu fassen und drücke sie kurz. Sie ist weich und angenehm warm.
„Hi, ich heiße Chloé."
Kurz macht sich Stille breit. Erwartungsvoll schaut sie mich an. Mein Blick fällt auf ihr Septum in der Nase.
„Kann ich irgendwo mit anpacken?"
Ah, verdammt. Ich habe nicht auf ihre Frage geantwortet. Wie peinlich von mir.

Auf einmal roch die Pappe nach VanilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt