- 26ter Juni 2015, Saint Crowsbury -
Die alte, schwere Holztür springt mit einem kraftvollem Schwung auf und ein großgewachsener Mann stellt sich unnatürlich aufrecht und steif auf den Gehweg. Der nur wenige Monate alte Lack glänzt wie neu, kann jedoch den Charme des, fast schon antiken, handgeschnitzten Holzes nicht verdecken. Der unverkennbare Duft handgemahlener Kaffeebohnen, sorgsam gebrüht bei perfekter Temperatur, ergießt sich in einem angenehmen Schwall in die Straße. Der Himmel, gekleidet in tiefes Blau wie es nur selten vorkommt, umschließt die Welt mit einem makellosem Mantel, frei von auch nur der kleinsten Wolke. Die Sonne, wie als würde Sie mit der Schönheit und Perfektion des Himmels konkurrieren, strahlt mit ungewohnter Kraft und Brillanz.
Der Mann stöhnt als er in die Sonne tritt, die linke Hand umklammert den kühlen Eiskaffee den er sich gerade gekauft hatte. Ohne Kaffein um seinen Motor zu ölen läuft auch Er nur stockend an, es ist noch früh, gerade mal 8:23 Uhr und trotzdem übersteigen die Temperaturen schon bald die 20 Grad.
"Viel zu heiß für halb neun morgens." knurrt er vor sich hin als er mit der freien Hand an die dunkelgraue Krawatte fasst.
"Viel zu heiß für den verdammten Mai." murmelt er weiter vor sich hin als er den Knoten lockert und den Kragen des weißen Hemdes samt Krawatte weiter aufreißt. Die kalten Monate waren ihm schon immer lieber.
"Wieso muss ich auch dieses Scheißding tragen?" Abfällig schaut er auf den gehassten Strick herunter. Die Krawatte ist nun lose und weit geöffnet, jedoch ausziehen darf er sie nicht, eine neue Bestimmung der Bürofutzies, die den ganzen Tag nichts zu tun haben außer es ihm das Leben schwerer zu machen. "Um die Erscheinung der noblen Diener dieser Stadt zu stärken", er konnte nur lachen. Nobel? Die Ränke des Gesetzes in diesem stinkendem Loch dass sich Stadt schimpft sind schon lange mit Korruption durchzogen, Geld wechselt den Besitzer ständig, schamlos versteckt hinter Spenden, Förderungen oder auch einfach unsichtbar durch Bits und Bytes von offshore Bankkonten. Heilig war in "Saint" Crowsbury schon lange nichts mehr, Crow bezeichnete sie doch schon besser, schwarz wie eine Krähe war die Seele dieser Stadt. Die Summen vergleichbar mit Deals der Drogenkartelle und Waffenhändler, auch von denen werden nur manche eingekerkert, durch die vielen Lücken und Verbindungen dieses verdorbenen Systems spazieren die schlimmsten Kriminellen frei in aller Öffentlichkeit.
"Irgendwann macht jeder einen Fehler" sagt sich der junge Detective der Mordabteilung immer. "Wenn ich euch mit Blut an den Händen erwische ist's mir scheißegal wie ihr heißt, und wenn ihr dazu noch so unglaublich dämlich seit 'ne Waffe auf mich zu richten, dann hilft euch auch der geschmierte Richter nicht weiter, den Leichenbestatter zu schmieren bringt nichts." Diese Gedanken waren bei ihm jedoch keine leere Drohungen. Seine Quote von "gerechtfertigtem Entladen der Dienstwaffe" ist in dem einen Jahr seit seiner Beförderung in die Höhe geschossen.
Mit einem scharfen Zischen saugt er die Luft zwischen den Zähnen ein als er sich an die linke Schulter fasst. Noch immer schmerzt die Schusswunde die er sich vor zwei Monaten eingefangen hatte. "Guter Schütze" wäre eine Untertreibung um seine Schießkünste zu beschreiben, schon als zielsicherer und übereifriger Newcomer auf der Akademie hat er täglich Stunden damit verbracht auf dem Schießstand auf Papierfiguren zu feuern. Dass ihm die gelehrte Haltung die Dienstwaffe mit beiden Händen zu stabilisieren schon damals zu uncool war, erweist sich jetzt als Glücksgriff, denn mit der Schulter kann er nur wenige Sekunden den Arm erhoben halten, seine Zielgenauigkeit macht dies jedoch nicht aus, zu sehr hat er sich daran gewöhnt allein mit dem rechtem, ausgestrecktem Arm zu zielen und zu treffen.