10. Kapitel - Die Jagd

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Tysons POV:

Die schäbige Fassade des alten Hotels wurde völlig von dem nah stehendem Bürogebäude vor der Vormittagssonne verborgen. 

Hier unten auf dem schmalen Asphalt war es beinahe so dunkel, wie bei Nacht. 

Angewidert kickte ich eine leere Konserve aus dem Weg, die scheppernd gegen eine Mülltonne flog und eine fette graue Ratte von ihrem Mittagessen aufschreckte. 

Mein Blick flog über die verdreckte Inschrift über dem Eingang. 

"Hotel Alise" stand in roten Buchstaben da, die wenigen Fenster auf die Gasse waren flüchtig vermauert worden.  

Gewöhnlich war dies kein Ort für meine Geschäfte, doch die Informalität erforderte wohl einen solchen Ort.

Besonders in Anbetracht der Umstände. 

Sarkastisch lächelnd stieg ich die Steintreppe hoch und stieß die staubige Vordertür auf. 

Ich hatte schon üblere Orte betreten, trotzdem war es absurd hier hinein zu gehen. 

Der Empfangsraum war tatsächlich spärlich beleuchtet und während ich meinen Anzug zurecht rückte, kam eine Person durch eine Seitentür hinzu. 

"Tyson.", grüßte sie scharf. 

Sie hatte alle Förmlichkeit und letzten Versuche der gespielten Annäherung aus ihrer Stimme verbannt. 

"Hallo, Mutter." 

Ich spuckte das Wort aus, wie ein Schimpfwort. 

Das war es. 

Ein dreckiges, heuchlerisches Wort, das keinen Platz in meinem Vokabular hatte. 

"Fang ruhig an. Wir wissen doch Beide, worum sich dieses Treffen dreht.", sagte ich matt. 

Sie hob überrascht die Augenbrauen, aber lächelte dann leicht. 

"Geschäftsmann durch und durch. Aber du liegst falsch. Ich bin nicht hier wegen der Firma." 

"Sondern?", sagte ich eine Spur schärfer als beabsichtig. 

"Ich möchte unsere Streitigkeiten beiseite räumen und von vorne anfangen." 

Ich musste lachen. 

Wie absurd, dass das aus ihrem Mund kam. 

"Von vorne anfangen? Sei doch endlich einmal ehrlich, Mutter. Was willst du?"

Sie seufzte und zupfte an ihrem dunkelblauen Samtoberteil. 

"Tyson..." Sie kam beschwichtigend auf mich zu. 

Angeekelt blickte ich sie an, während sie ihre dürre Hand auf meine Schulter legte und nach oben sah.

"Nach dem Tod deines Vaters habe ich realisiert, dass ich im Unrecht bin und unser Familienunternehmen nur überleben kann, wenn wir zusammen halten."

"Zusammenhalten, sagst du? Familienunternehmen? Für wie naiv hältst du mich eigentlich?"

"Ich halte dich keinesfalls für naiv. Hör zu, ich-"

"Shut it, bitch!", zischte ich.

"Ich weiß, dass du vor Gericht gehen willst und Neion-industries unter deine dreckigen Nägel reißen möchtest."

Mit diesen Worten entriss ich meine Schulter ihrem Griff und kehrte ihr den Rücken zu. 

"Immer dieses Getue. Tu mir einen gefallen und sei einfach ehrlich."

Kurz war es still.

Dann begann diese Hexe plötzlich schrill zu lachen. 

"Ach Tyson...", lachte sie.

You take my mind [Deutsch] [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt