"Die Millers würden dich gerne adoptieren, Keylam."
Das Haus der Millers war relativ groß, die Familie schien ganz nett, Ich war auch nicht unbedingt unglücklich, mit nur neun Jahren war Ich bereits ein eher in sich gekehrter Junge, mir machte es Spaß meine Freizeit damit zu verbringen zu lesen und meine Bildung zu erweitern, so wie Liza es mir damals beigebracht hatte.
Denn solange Ich am Leben war, wollte Ich etwas draus machen, das hatte Sie mir gelehrt. Meine Träume zu erfüllen solange Ich konnte, denn kurz vor meinem Tod wollte Ich nicht auf meinem Sterbebett liegen und denken, "Oh, Ich hatte ja diese ganzen Ziele und Träume und von all diesen habe Ich es geschafft absolut gar keine zu erreichen."
Ich erinnerte mich wie als wäre es gestern gewesen, mein erster Tag bei den Millers.Die große weiße Tür öffnete sich uns und zum Vorschein kam ein junges Mädchen, älter als Anna damals war, mit Sicherheit, aber doch ungefähr fünfzehn oder sechzehn. Äußerlich ähnelte Sie Anna jedoch überhaupt nicht. Ihre Haare waren gekräuselt und von einem matten bräunlichen Ton, die Haut übersehen von Unreinheiten, ebenso war sie generell eher fülliger und trog dementsprechend breite Kleidung, welche an ihr herunterhing und ihren Körperbau vor der Öffentlichkeit versteckte. Ihre Augen waren klein, die Stirn gerunzelt, eine unfreundliche Miene verzogen, Sie schien nicht erfreut über meine Anwesenheit.
Schüchtern blickte Ich Sie von unten an, mein neuer Vater an meiner Seite, ich spürte seine Hand auf meiner Schulter, sie schien wie in Flammen, da sein Griff aus irgendeinem Grund unglaublich fest war.
Ich schluckte, plötzlich fühlte Ich mich ziemlich unwohl, dieser Ort, diese falsche idealistische Atmosphäre der Nachbarschaft, was wohl die Wahrheit verbarg..?
Irgendwann war wohl Miss Miller von hinten erschienen, denn wir traten endlich hinein in das Haus, sobald die schwere große Tür hinter uns ins Schloss fiel, fühlte sich die leibliche Tochter des Ehepaars scheinbar wohl genug ihre Stimme laut zu erheben.
,,Wer ist das? Was zur Hölle soll das?! Ich hab gesagt ihr könnt ihn nicht ersetzen, also hört gefälligst auf irgendwelche scheiß Kinder zu adoptieren!" Ich zuckte zusammen, ich hatte es nicht erwartet, dass sie ihren Abscheu mir gegenüber so offen zeigen würde. Die laute quietischige Stimme des Mädchens erfüllte jedoch schon bald das ganze Haus, denn nachdem sie einen Satz heraus bekommen hatte, hörte Sie nicht mehr auf und gab sich mit den kurzen Antworten ihrer Eltern ebenso wenig zufrieden.
Es roch nach Blut in diesem Haus, Ich wusste es nie einzuordnen.
Der Flur unter mir war hart und ähnlich quietschig wie die Stimme des Mädchens sobald Ich mich in Bewegung setzen wollte. In den nächsten Tagen traute Ich mich nur noch auf Zehenspitzen durch das Haus, weil Ich dieses Geräusch nur noch meidete, meine sensiblen Ohren, welche an die ruhige klassische Musik in Lizas Haus gewöhnt waren, wollten sich nicht gewöhnen, nicht an das ständige Geschreie, nicht an die unangenehme Lautstärke, welche in diesem Haus stets herrschte.
Irgendwann schien dann der Kragen zu platzen und der Hass von Lexi Miller, der leiblichen Tochter, übertrug sich auf ihre Eltern.
Sie schienen selber zu realisieren, dass Ich nicht ihr Sohn war, welcher wohl kurz vor meiner Ankunft eine Klippe hinuntergestürzt war.
Mein Alltag bei den Millers nahm eine unschöne Wende.
Nach nicht einmal zwei Wochen wurde mein Zimmer in die Abstellkammer verschoben, ein winziger Raum, ohne Heizung, ohne Fenster.
Ich erinnerte mich an die stickige Luft und den Geruch von unangenehmen Kräutern in der Luft, säurehaltig, nicht ein erholsamer Schlaf konnte mich einholen. Ständig verfolgten mich die Gedanken an Liza und ihre letzten Worte bevor Sie verschwand.
„Ich hoffe diese Erfahrungen werden euch niemals heimsuchen." Damals war Ich verwirrt und nahm ihre Worte kaum ernst doch während meiner Zeit in der Abstellkammer der Millers, konnte Ich nicht aufhören daran zu denken.
Es schien, als hätte Liza damals genau die Kinder adoptiert von denen sie wusste, dass es Ihnen sonst niemals gut ergehen könnte.
Und sie sollte Recht beibehalten.
Die Zeit bei Liza fühlte sich an wie ein Traum, wie eine Fantasiewelt, welche Ich mir in meinem trostlosen Zustand eingebildet hatte, und wer weiß, vielleicht war Sie das auch.
Vielleicht konnte mein junges Gehirn damals nicht akzeptieren, dass es in meinem Leben Dinge wie Glück und Wohlstand nicht geben würde und erstellte diese fiktive Vorstellung eines perfekten Lebens.
Jede Nacht verließ Ich die winzige Stube, aus Gründen wie der Atemlosigkeit, mindestens einmal und setzte mich auf die altbekannte Fensterbank. Sie befand sich im Untergeschoss im Wohnzimmer, da sich alle Schlafzimmer oben befanden, brauchte Ich mir eigentlich keine Sorgen zu machen, so bildete Ich es mir zumindest ein.
Ich war noch keine zehn Jahre alt, als es geschah, mein neuntes Lebensjahr neigte sich lediglich dem Ende zu.
Wieder einmal hatte Ich es mir auf der Fensterbank gemütlich gemacht, meinen Kopf zurück gelehnt und die Augen geschlossen.
Wie als hätte man mir den Atem geraubt versuchte Ich wie wild frische Luft in meine Lungen zu bekommen, manch einer könnte meinen Ich erlitt in diesem Moment eine Panikattacke oder sogar einen Asthmaanfall doch war es mittlerweile ein Ding der Gewöhnung geworden.
Die Stickige Luft der Abstellkammer fühlte sich an wie Gift, welches langsam aber sicher meinen Körper ergriff.Die Schritte hörte Ich aus diesem Grund nicht, zu sehr vertieft im verzweifelten Akt meine Lunge zu reinigen, nicht nur das doch war mein Gehirn zudem vollkommen benebelt.
In meinen Gedanken spielte Ich auf einem Orchester am Klavier, vor mir ein riesiges Publikum, alle waren sie begeistert, meine Ohren wollten nur noch die Töne des klassischen Liedes „Nuvole Bianche" hören.
„Keylam? Warum bist du nicht in deinem Zimmer?" Die Stimme war schneidend, sie durchbrach meinen Traum, wie ein Mauerfall zerfiel mein Klavierspiel, genauso das begeisterte Gejubel meines Publikums, mein Kopf schoss in die Höhe und mein Atmen, schmerzend in der Brust nun, verlor hoffnungslos an Rhythmus.
Blitzschnell bewegte sich mein Körper, sodass Ich nun vor Frau Miller stand, meinen Kopf neigte Ich vor ihr, ein Zeichen meines Respekts.
„Was machst du denn, Ich hab nicht gesagt, dass du dich zu verbeugen brauchst." Lachte die Frau nur, wieder einmal hallte ihre Stimme ungewöhnlich laut durch den leeren, sonst totstillen, Raum.
Ich zuckte zusammen, bei dieser Frau kam in mir stets ein Gefühl des Unwohlseins auf, es war etwas in der Art wie sie sich zu präsentieren vermochte, so redete Ich es mir ein.
„Keylam." Ihre Stimme war plötzlich leiser geworden, bedrohlicher und doch besaß sie einen süßen Unterton, süß, aber für mich fühlte es sich an wie Gift, schlängelnd, hinterlistig, genauso wie die stickige Luft der Abstellkammer wollte es mich vollkommen einnehmen.
Ein Schein, der sich in meiner gesundheitlichen Lage bemerkbar machen sollte.
„Ich muss hier raus." Rief Ich mir in Gedanken zu, wieder und wieder schrie Ich mich selbst an, meine eigene Stimme dröhnte in meinem Kopf, nur im Hintergrund konnte Ich Frau Miller sprechen hören, nur ganz leise, doch das Gift, das Gift fühlte Ich trotzdem, in meinem ganzen Körper.
Die einzige Lichtquelle war der finstere Schein des Mondes, der Schein der mich normalerweise beruhigte, mich einlullte und mir zärtliche Lieder in mein Ohr hauchte, mich entlastete und dafür sorgte, dass Ich mich frei fühlte, denn die Außenwelt war doch so viel größer und alles was Ich brauchte waren meine Erinnerungen an Liza um mir Motivation zuzurufen etwas Größeres aus mir zu machen.
Doch in dieser Nacht glich der Schein des Mondes einem Ruf des Teufels.
,,Du bist ein wirklich schönes Kind, nicht? Hattest du auch schon eine Freundin in der Schule?" Ich schluckte schwer, meine Augen glitten panisch von einem Winkel zum anderen.
Doch Frau Miller trat mir nur immer näher, mit jedem Schritt nahm Ich einen zurück.
Hätte Ich nur auf meine innere Stimme gehört. Sie hatte mich gewarnt...
„Aber das würdest du nicht tun. Dich so herumhuren. Nein, du bleibst bei deiner Mutter, nicht?" Immer giftiger wurde ihre Stimme, immer lauter dröhnte mein Geschreie in meinem Kopf, es fühlte sich an als würde man mir gegen den Schädel hämmern, immer wieder und wieder, irgendwann würde er explodieren.
Ich fragte mich, was würde dann passieren? Wäre Frau Miller, dann voller Matsch? Wie würde Sie wohl reagieren? Wäre sie wütend, würde sie vielleicht ihre Stimme erheben?
Denn sie war so leise, sie redete so leise und doch so giftig.
Und dann spürte Ich die kalte Fensterbank an meinem Rücken, sie drückte, sie tat mir weh, aber ich bewegte mich nicht weg, endlich blickte Ich auf, Frau Miller stand noch immer vor mir, doch nah, zu nah.
,,Entschuldig-," Meine Stimme brach und Ich spürte die erste Träne herunter rollen, sie hatte sich wohl schon länger in meinem Augenwinkel gebildet, jetzt war sie endlich gefallen.
,,Entschuldigung!" Brachte Ich es endlich raus, schneller, panischer, noch mehr Tränen rollten herunter.
Ich spürte wie Sie sich an meinem Kinn ansammelten und schließlich zu Boden tropften.
Meine Unterlippe bebte, aus irgendeinem Grund sah Ich Liza vor Augen und die Trauer, welche sich tief in mir aufgebaut hatte über das letzte Jahr fand endlich Charakter.
,,Es tut mir leid!" Rief Ich erneut, meine kleinen Fäuste bewegten sich zu meinen geröteten Wangen und versuchten hoffnungslos die Tränen fort zu reiben. Ich fühlte mich wieder wie mein fünf-jähriges Selbst, so wirkungslos und klein, hilflos, dem Elend vollkommen ausgeliefert.
Dem Elend... Ich spürte eine Hand auf meiner Faust, brennend wie Feuer fühlte sich Frau Millers Berührung an.
Ich spürte Schmerz in meiner Brust, Schmerz und Leere, es fehlte etwas in meinem Herzen, Liebe, mir fehlte es an Menschen die sich um mich kümmerten.
Mir fehlte es an Menschen, die sich für mich interessierten.
Ich wollte den Händen von Frau Miller entkommen, doch ließ Sie mich nicht mehr los.
Als ihre Hände sich plötzlich unter mein Hemd vortasteten, schien Ich erst den Ernst der Lage zu realisieren, noch immer bedrückt, aber nun auch panischer versuchte Ich verzweifelt wegzukommen, aber die Frau griff mir nur fest in das Haar, so fest, dass es anfing weh zu tun.
Ab irgendeinem Punkt hörten meine Tränen auf zu fließen, mein Blickwinkel war auf den Mond gerichtet, denn dessen Schein gelang es stets mich der Realität zu entnehmen.
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Demons - Ein Pfad ins Verderben
Mystery / ThrillerDemons - Ein Pfad ins Verderben Keylam war kein normaler Junge, das stand schon seit seiner Geburt fest. Er wuchs auf im Waisenhaus, extrem einsam, da er sich im Kindheitsalter stets ausgeschlossen fühlte. Adoptiert wurde der Junge trotzdem, immer w...