Kapitel 5 - Schicksalsschläge

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Staunende Blicke hafteten auf der jungen Frau, die sich ihren Weg spielend einfach durch die gegnerische Verteidigung dribbelte. An ihrer ersten Mitschülerin zog sie mit einem Crossover vorbei; dabei wechselte sie die dribbelnde Hand und täuschte mit einer geschickten Bewegung ihres Körpers eine andere Richtung an, als die, in welcher sie letztlich vorbeizog. Ihr Drive war mehr als hervorragend, zeugte von einer guten Ballkontrolle, Wendigkeit, Schnelligkeit und einer hart erarbeiteten Körperbeherrschung. Da ihr in diesem Augenblick ohnehin schon alle zusahen und dies ihr Grande Finale an der Oberschule war, wollte sie noch einmal so richtig angeben. Bei dem zweiten und letzten Block vor dem Korb dribbelte sie den Ball mit aller Kraft durch die Beine ihrer Mitschülerin, wodurch dieser stark und hoch vom Boden abprallte. Damit schaffte sie die Grundlage eines selbst initiierten Alley-Oops, den sie natürlich auch versenken wollte. Also brach sie durch die letzte Verteidigung, sprang gen Korb, schnappte sich dabei den Ball aus der Luft und versenkte diesen mit einem Dunk.

Der Jubel der Mädchen in der Sporthalle fiel groß aus, während sich Okamura Hiromi mit einem breiten Lächeln zu ihnen wandte. „Du bist einfach der Wahnsinn, Hiro. Du wirst sicherlich zu einer erstklassigen Athletin an der Universität", sprach die Vizekapitänin des Basketballklubs der Mädchen an der Yōsen-Oberschule. Nun, jetzt war sie Kapitänin, denn Hiromi verließ mit diesem Tag die Oberschule. „Danke, dass ihr noch ein letztes Spiel mit mir gespielt habt... Danke, dass ihr mein Genörgel die letzten Jahre ertragen und mit mir durchgehalten habt. Es war eine wunderschöne Zeit hier... Ich werde mir alle Mühe an der Universität geben, allein schon, weil ihr an mich glaubt." Die hübsche Jugendliche verneigte sich vor ihrem ehemaligen Team. Ja, sie musste wirklich ihr Bestes geben, denn sie hatte ein Stipendium an der Ritsumeikan-Universität in Kyōto; der Hochschule mit dem wahrscheinlich besten Frauenbasketballteam ganz Japans. Man setzte große Stücke auf sie, betrachtete sie als eine Nachwuchssportlerin, die es wirklich weit bringen könnte. Und verdammt, ja! Hiromi wollte es so weit bringen, wie ihre Beine sie nur tragen konnten. Gott hatte sie mit ihren einhundertfünfundsiebzig Zentimetern, ihrem Körperbau und ihrem feurigen Charakter zu einer Japanerin gemacht, die in jedweder Hinsicht aus der Norm fiel. Aber das machte ihr rein gar nichts aus, denn sie hatte eine Leidenschaft gefunden, wo ihr all diese Dinge zugutekamen.

„Hey, Hiro... Dein Bruder ist da!", flüsterten ihr einige ihrer Freundinnen kichernd zu, woraufhin die Brünette mit den Augen rollte. Wieso... Wieso musste er immer seine Nase in ihre Angelegenheiten stecken? Er war seit einem Jahr kein Schüler der Yōsen mehr, er lebte mittlerweile sogar in Tokio und trotzdem war er ganz zufällig am Tage ihres Abschlusses in der Nähe und wollte mal nach dem Rechten sehen. Ja klar, sie fuhr auch immer zufällig fünf Stunden mit dem Zug, um überhaupt nicht absichtlich irgendwo zu sein. „Kenichi, wir haben abgemacht, dass du vor der Schule wartest", versuchte sie den großen Gorilla an die Abmachung zu erinnern, die er mal wieder vergessen hatte. Da war er wie ihre Großmutter; die vergaß auch immer irgendwelche Dinge, wenn sie keine Lust darauf hatte... „Ja, ich weiß... Aber das ist doch auch meine alte Schule und ich wollte ein paar Freunde wiedersehen. Außerdem wollte ich meine kleine Schwester bei ihrem letzten Spiel beobachten! Du bist wirklich eine hervorragende Basketballerin, Hiro, der ganze Stolz der Fa-" Bevor er weitermachen konnte, hatte Hiromi bereits den Ball in ihrer Hand nach ihm geworfen, weshalb er sich hinter der Tür versteckte, durch welche er zuvor gelugt hatte. Die Schülerinnen um sie herum lachten, während sie sich lediglich die Nasenwurzel massierte. Warum musste sie die Schülerin mit dem absolut peinlichen Bruder sein?

Letztlich war der Moment des Abschiedes dann doch gekommen und sie musste schweren Herzens die Yōsen hinter sich lassen. Hiromi hätte nicht gedacht, dass es ihr so schwerfallen würde, Abschied zu nehmen. Tränen waren keine geflossen, doch sie umfasste die schwarze, zylinderförmige Schachtel, in welcher sich ihr Abschlusszeugnis befand, deutlich fester, während sie neben ihrem Bruder herging. „Sei nicht traurig. Das Leben als Studentin wird dir gefallen, da bin ich mir sicher. Das wird genau dein Ding sein", versuchte Kenichi sie aufzumuntern, während sie die Straße entlanggingen. Ziel war die nächste Station, damit sie zu ihren Eltern fahren konnten, die ebenfalls in Akita lebten. „Ich freue mich, aber Kyōto ist wirklich weit weg. Da unternehme ich eine Tagesreise, wenn ich in die Heimat fahren möchte... Fast alle meine Freunde bleiben auch hier in Akita oder in den umliegenden Präfekturen. Ich werde dort ganz allein sein... Und allein sein, ist scheiße", seufzte sie und fuhr sich ein wenig durch ihre langen Haarsträhnen. „Du hast das Glück, die Gene unserer Mutter geerbt zu haben. Mit deinem Aussehen findest du sofort neue Freunde. Ich bin derjenige, vor dem immer alle direkt Angst haben." Und schon ging das Geheule ihres Bruders wieder los und er fiel in eine Phase des Selbstmitleids.

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