Kapitel 2

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Diese Nacht war ein Albtraum. Unruhig wälzte ich mich im Bett, immer hin und her. Ich hatte Angst- ich konnte ja auch nicht wissen, dass dieser Traum nicht real war. Wie durch eine Glaswand hörte ich die Stimmen meiner Eltern. Meine Gedanken waren weg, einfach weg. Im nächsten Moment wusste ich nicht mehr, dass es um den fürchterlichen Sturm ging. Mir war heiß, irgendwie war ich nirgends richtig da.

Doch plötzlich hörte mein Körper auf, die Geräusche von außen wahrzunehmen. Ich spürte nichts mehr, und der Traum wurde plötzlich klar.

Ich war mitten im Schwarz. Flog ich? Schwamm ich? Ich wusste es nicht. Immer weiter, als würde ich verfolgt werden. Ich drehte mich hektisch um- doch da war nichts, nur ein komisches Funkeln...aber ich war nicht erschöpft. Sollte ich nicht vor lauter Anstrengungen nach Luft schnappen? Sollten meine Beine nicht müde werden? Egal. Ich musste weiter. Mein Gefühl sagte mir, dass ich nach unten musste. Ich fühlte mich seltsam, doch bald würde sich das ändern. Bald würde ich dort sein, dort in der Schwärze, wo auch immer ich hinwollte. Nochmals blickte ich hinter mich - immernoch niemand zu sehen -, aber das machte mich noch panischer. Dann tauchte ein grauer Fleck in meinem Sichtfeld auf- ich schwebte dorthin, berührte ihn und...Es kam nicht das gewünschte Gefühl, sondern ein starkes Kribbeln und ein so heftiger Farbenwirbel, der mich mitschleuderte.

Ich war wieder woanders. Immernoch im Schwarz, aber es fühlte sich besser an- nicht gehetzt, sondern geschmeidig eher, und weich wie Wolle. In dem Schwarz befanden sich verschiedene Formen, nur langsam realisierte ich, dass das verschwommene Tiere waren. Rechts von mir befand sich ein grüngelbes Seepferdchen, was sich drehte und mir zunickte. Dann verschwand es wieder. Vor mir tauchte plötzlich ein roter Krebs auf, der seine orangenen Scheren zeigte. Er lief nach links- und verschmolz mit dem Schwarz. Links merkte ich ganz langsam eine Veränderung...Indigofarbenes Funkeln kam zuerst, dann der verschwommene Körper einer Meeresschildkröte. Ihre Augen schimmerten leicht. Ohne irgendetwas getan zu haben, verschwand sie wieder.

Und da war ich wieder, ganz alleine im Dunkeln. Nichts war zu sehen...Sollte ich jetzt irgendetwas machen? Ich hörte auf mein Gefühl und bewegte mich nach rechts. Instinktiv streckte ich meine Hände aus. Dann tauchte das gelbgrüne Funkeln auf...Es kribbelte und ein warmes Gefühl durchfuhr mich. Die Form des Seepferdchens kristallisierte sich, und es fing an, zu leuchten- Nein, zu strahlen! Seine Strahlen erhellten die Dunkelheit. Es wurde immer heller...

Meine Augen öffneten sich. Ich schlug meine Decke um, es war einfach so heiß. Schnell war ich auf den Beinen und im Bad. Zähne putzen, meinen Eltern Bescheid geben, Haare zusammenbinden- es musste schnell gehen, schließlich musste ich noch zur Schule. Ich packte mir schnell mein Essen und ein bisschen Geld in die Schultasche. ,,Tschüss, Mama und Papa!"

Nachdem ich mich verabschiedet hatte, lief ich meinen Weg zur Grünsee-Schule. Die Hausaufgabe in Deutsch -den Aufsatz- müsste ich wohl in der Stunde machen...aber statt mich darauf zu konzentrieren, schweiften meine Gedanken noch zu dem Traum ab, an den ich mich noch vage erinnern konnte...das Seepferdchen blieb in meinen Gedanken. So stark, dass jedes Mal, wenn ich daran dachte, die Bilder wieder vor meinem geistigen Auge abliefen.

Schon war ich an der Schule angekommen, ohne es wirklich zu bemerken. Verwunderte und schlecht gelaunte Blicke begrüßten mich auf dem Schulhof. Das war ich gewohnt - schließlich mag niemand hier Schule -, aber diesmal war es anders. Die Blicke waren direkt auf mich gerichtet, und ihre Mimik sagte etwas, was ich nicht verstand...

Nach Minuten des Schweigens unterbrach eine Klassenkameradin, Sofie, unsere gedankenverlorenen Blicke. ,,Seit wann trägst du eigentlich diese krassen Kontaktlinsen?" ,,Ich?", warf ich in die Runde. ,,Ja, dich meine ich, Ella." Und damit war das Chaos komplett.

Ich blickte nicht mehr durch und fragte überrascht zurück: ,,Was ist mit meinen Augen? Ich versteh und weiß es nicht, wirklich." ,,Komm mit!", erwiderte Sofie und ich folgte ihr auf die Schultoilette. ,,Heute noch nicht im Spiegel angeschaut?" ,,Ne." Als ich in den Spiegel blickte, erkannte ich, was los war: meine braunen Haare waren wie immer, aber meine Augen...sie waren nicht mehr richtig braun -so, wie sie eigentlich sein müssten-, sondern besaßen einen grüngelben Schimmer. Die Iris sah aus, als wären Pflanzen urplötzlich aus der Erde gewachsen. Sie verdrängten das Braun.

Nach dem Begreifen dieses Umstandes fiel mir nur eines ein: ,,Scheiße. Was machen wir jetzt?". Meine Klassenkameradin zuckte nur mit den Schultern. ,,Okay...dann tu ich mal so, alles wäre normal, ich hätte Kontaktlinsen für mich entdeckt- Ach ja, hast du den Deutschaufsatz gemacht?" ,,Ein bisschen. Ich kann dir helfen, dafür müssen wir uns aber beeilen!", erklärte Sofie mir und wir schlossen die Tür der Toiletten.

Aber der Traum, er blieb mir immernoch im Hinterkopf...und vielleicht war er die Lösung meines Problems.

Die Welten des WassersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt