Diese Stunde zog sich wie ein Kaugummi. Auch, weil der starke Geruch des Regens in der Luft lag und ich mich kaum konzentrieren konnte. Immer wieder schweiften meine Gedanken ab, während ich den Aufsatz auf das Blatt kritzelte. Es musste wohl oder übel eine Seite reichen. Ich konnte von Glück reden, dass ich nicht dran genommen wurde...Meine Lehrerin starrte mich ab und zu an, und beobachtete, wie mir langsam heiß und kalt wurde. Sofie warf mir von der anderen Seite mitleidige Blicke zu, der Rest war entweder am Schlafen oder Schreiben. Vielleicht war das auch gut so, denn so sah niemand meine Augen- meine Augen, die grün-gelb schimmerten. Allergie, Mutation, Stoffwechselunterfunktion...irgendwie machte nichts Sinn. Aber meine Nerven lagen blank, ich wollte mir jetzt nicht vorstellen, was es bedeuten könnte, wenn es Magie und ich in einer verrückten Teenieserie gelandet wäre.
,,Kurze Debatte über eure Wünsche. Ella? Du siehst heute so anders aus...vielleicht liegt es ja an deinem neuen Schminkzeug? Du hast dir ja sicher Gedanken gemacht, so beschäftigt siehst du aus." Na super, das war ich. Irgendwas sagen, am besten das, was mir gerade durch den Kopf geht; dachte ich mir. Ich ignorierte ihre ,,Schminkzeug-Aussage" (was sicherlich meine Augen betraf) und begann: ,,Also. Ich habe nicht so viele Ideen...ähm, vielleicht ein schönes Leben oder so? Tut mir leid..." Verständliches Raunen ging durch die Klasse, aber die Lehrerin schüttelte nur den Kopf. ,,Vielleicht weißt du später mehr", meinte sie. Und ich hatte das Gefühl, dass sie Recht behalten sollte.
Natürlich war heute auch noch Sport. Wir zogen uns Jacken und Mäntel an, und gingen raus- dort, wo es nicht so nass war. Ein leerer Fahrradweg stand nun vor uns, und ein einziges Stöhnen erfüllte uns. ,,Aufwärmen bitte- rennt bis zur Laterne da vorne und wieder zurück. Denkt dann an das, was wir geübt haben!" Die Luft war feucht und mir schien es, als würde sie flimmern. Aber ich musste ja. Also bewegten sich meine Beine und meine Arme, rhythmisch im Gleichgewicht. Atmen. Augen auf, Augen zu. Gedanken beiseite schieben. Ehe ich mich versah, war ich schon fertig- die anderen hinter mir. Ich schaute verwirrt meinen Lehrer an, dieser schaute nur ebenso zurück. Der Daumen-hoch von Sofie war auch komisch...war ich wirklich so schnell? Ich hatte es nicht gemerkt.
Nun war meine Klassenkameradin, die meinem verzweifeltem Blick zu sehen schien, neben mir; deutlich erschöpfter und erhitzter als ich. ,,Deine Augen- als du los gerannt bist, haben sie geglüht. Meine Augen haben übrigens auch verrückt gespielt...irgendwie waren da gelbgrüne Funken, die sahen wie Wellen aus. Ich glaube, wir sind beide übermüdet...", flüsterte sie. Nebenbei mussten wir ja noch so tun, als würden wir der Predigt zuhören. Ich murmelte zurück: ,,Weißt du was? Ich hatte heute Nacht einen Merkwürdigen Traum. Und ich glaube, das hängt alles irgendwie zusammen... Sofie, was wäre, wenn das irgendeine Form von Magie wäre? Dieser Sturm muss sie sicherlich zu uns gebracht haben. Obwohl meine Eltern-" ,,Ruhe dahinten, ich rede! Wir laufen jetzt zur Schule zurück, und zwar auf Note. Ausdauerlauf muss schließlich auch mal sein!" Na toll. Mein Gespräch war also beendet.
Später war ich schon aus der Umkleidekabine, schnappte mein Handy und schrieb Sofie. Nebenbei bemerkte ich, dass dies die erste Nachricht seit vier Monaten an sie war- der Rest war nur Hausaufgabenzeugs. ,,Will nach der Schule herausfinden, was mit mir los ist. Auf keinen Fall zu meinen Eltern. Müssen uns beeilen. Kommst du mit?" Gesendet, angekommen- und gelesen. ,,Sofie schreibt..." Ich stolperte die Treppen hoch, und mir fiel es schwer, von meinem Handy wegzuschauen. ,,Ok. Ich warte nach unseren Kursen auf dich. Pass auf deine Augen auf!"
Jetzt war ich oben im obersten Stock der Schule. Von hier aus konnte man das Meer sehen, mit vielen Möwen und einem grüngelbem Funkeln...Mein Blick wandte sich sofort ab. Was war verdammt noch mal mit mir los? Warum sollte ich auch jetzt ins Meer gehen, das war doch eiskalt... Ich verstand es nicht. Um meine Gedanken zu ordnen, drehte ich dem Meer dem Rücken zu und ging in Richtung Klassenraum. Dort würde ich mir jetzt etwas über Ökosysteme anhören müssen...
,,Und nun dürft ihr gehen. Vergesst die Hausaufgaben nicht!" Ich schnappte meine Jacke, meine Tasche und meinen Rucksack. Sah mich nochmal um, hatte ich alles? Ja, hoffentlich. Meine Beine trugen mich die Treppen herunter, den Schulhof entlang, durch das Schultor und direkt vor Sofie. Ich nickte ihr zu und wir machten uns schnellstmöglich auf den Weg zum Meer. Und das Funkeln wurde immer stärker...
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Die Welten des Wassers
FantasyEigentlich sollte es nicht wahr sein. Eigentlich sollte es nur eine Legende sein. Und doch gibt es sie- die Welten des Wassers, und ihre Geheimnisse der Tiefen... Mitten in Grünsee, einer Kleinstadt an der Nordsee, liegt der Schlüssel zu einer diese...