„Nein!" Zoey stürzt auf den Jungen zu, aber ich lasse das Buch bereits los. Die Wände des Krankenhauses um uns herum kollabieren, verschwinden innerhalb des Bruchteils einer Sekunde, und werden ersetzt durch den traurigen Anblick des Ideenbergs. Fauliger Geruch steigt uns wieder in die Nase.
„Nein", schluchzt Zoey und läuft trotzdem noch ein paar Schritte weiter in die Richtung, wo eben noch Felix vor ihr saß, als könnte sie irgendwie zurück.
Als sie endgültig begreift, dass wir die Idee hinter uns gelassen haben, dreht sie sich zu mir um.
„Sie ist gestorben", sagt sie, als wäre es etwas überraschendes, als wäre es nicht absehbar gewesen, als wäre es nicht das natürlichste auf dieser ganzen Welt. Sie sagt es voller Bestürzung, voller Mitleid, voller Trauer. Und da schwingt noch etwas mit, etwas, das mir gar nicht gefällt: Etwas Anklagendes.
„Sie ist gestorben", wiederholt Zoey und ich sehe, wie die Erkenntnis so richtig in sie einsickert. Die schmalen Schultern sacken nach unten. Sie steht gebückt da.
„Warum?", fragt sie mich unglücklich, und da reicht es mir.
„Weil sie krank war", sage ich kalt. „Da war ein Tumor in ihrer rechten-"
„Aber warum sie?", will sie wissen.
Ich lege den Kopf schief. „Hättest du es jemand anderem gewünscht?"
Sie schüttelt den Kopf und ballt die kleinen Fäuste. „Warum bist du nicht traurig? Warum tust du nichts?"
Ich trete näher, und sie weicht zurück. „Ich kann nichts dagegen tun", fahre ich sie an. „Hast du es nicht kapiert?"
Sie zeigt mit dem Finger auf das Buch, das am Boden liegt. „Hannah hat nichts böses gemacht", sagt sie und sieht mich vorwurfsvoll an.
„Nein", sage ich langsam. „Nein. Du hast es nicht kapiert. Es gibt keine bösen Menschen und keine guten Menschen. Es gibt nur Menschen. Menschen, die sterben, irgendwann. Niemand weiß, wann, wo, wer."
Zoey schluchzt wieder und dreht sich weg. „Das ist nicht fair."
„Sieh mich an", sage ich ruhig.
Sie schaut auf den Boden.
„Sieh mich an. Zoey, sieh mich an", ich erhebe meine Stimme, und da schwingt ihr Kopf herum und sie starrt mir direkt in die Augen.
„Nichts ist fair. Ich bin nicht fair."
„Du findest es auch schlimm", widerspricht sie. „Du bist nicht so herzlos, wie du tust."
Ich straffe den Rücken und richte mich voll auf. „Ich bin genauso, wie ich tue. Ich bin genauso, wie alle sagen. Zoey, ich bin der Tod. Wenn ich jeden verdammten Menschen beweinen müsste, der abkratzt-"
Sie schaut trotzig. „Dann ist es dir egal, wer stirbt? Wäre es dir egal, wenn ich jetzt sterbe?"
Ich blinzele nicht einmal. „Ja."
Stille senkt sich auf uns herab. Zoey weint nicht mehr. Sie wischt sich die Tränen mit dem Ärmel vom Gesicht.
Als sie das nächste Mal die Augen öffnet, sind wir nicht mehr beim Ideenberg, sondern wir stehen wieder vor dem Krankenhaus.
Verwirrt blickt sie sich um. „Warum sind wir wieder hier?"
Jetzt bin ich auch irritiert. „Ich bringe dich zurück. Ich habe dir gesagt, der Ideenberg ist nichts für dich-"
„Was? Ich will wieder zurück", verlangt sie aufgebracht.
„Du willst wieder zurück, obwohl ich dir gerade gesagt habe, dass du mir egal bist? Obwohl du die Ideen gesehen hast? Du weißt, dass jede einzelne damit endet, dass ihre Besitzer sterben?"

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Zoey
Teen FictionHast du dich jemals gefragt, was mit deinen Ideen passiert, wenn du stirbst? Mit all deinen Talenten und Einfällen und Leidenschaften, die du unbenutzt mit ins Grab nimmst? All das, was du dir vorgenommen hast zu tun? Stell dir vor, dass es einen...