Zoey schlendert das Tal zwischen den Ideen entlang. Sie wirkt so winzig neben riesigen Hügeln.
"Bist du oft hier?", fragt sie, während sie ihren Blick über die vielen vergessenen Ideen schweigen lässt.
Ich schüttele den Kopf. "Ab und zu. Um nach den Albträumen zu sehen."
Sie bleibt stehen. "Warum wachsen die Albträume hier?"
Ich sehe mich um. Alles ist düster, verfault und grau. "Wo sollten sie sonst herkommen?"
Sie nimmt die Antwort hin und läuft weiter vor mir her.
Ich folge ihr mit ein paar Schritten Abstand und stelle mit Besorgnis fest, dass ihre Umrisse fester und dann wieder dünner werden. Ob sie weiß, dass sie sich jede Sekunde in Luft auflösen könnte?
Der Gedanke versetzt mir einen schmerzhaften Stich, den ich so noch nie - oder eher, schon lange nicht mehr - empfunden habe. Aber die Vorstellung, wieder alleine zu sein, mit niemandem zu reden, für vielleicht Jahrhunderte, ist fast erdrückend.
"Wo endet der Ideenberg?"
"Ich weiß es nicht. Er ist sehr groß."
Sie legt den Kopf schief. "Meinst du, er ist unendlich?"
Ich schüttele den Kopf. "Warum sollte er unendlich sein? Es gibt nicht unendliche viele Menschen."
Sie hüpft auf eine lange Holzbank und balanciert sie entlang. "Weil es unendlich viele Ideen gibt. Unendlich viele Möglichkeiten, die Menschen hätten wählen können. Unendlich viele alternative Universen."
Ich reiche ihr meine Hand und sie springt die Holzbank hinunter wieder auf den Boden. Dort lässt sie meine Hand nicht mehr los.
"Kann sein. Darüber habe ich nie nachgedacht", gebe ich zu.
"Denkst du, der Ideenberg wird eines Tages aufhören, zu wachsen?"
Ich sehe zu ihr hinunter. "Ich denke, ja. Aber nicht weil die Menschen keine Ideen mehr verschwenden. Es ist nur...nichts kann für immer dauern."
Sie bleibt stehen und sieht zu mir auf. "Was war vor den Menschen?"
"Kein Ideenberg."
"Was ist mit den Tieren? Haben die keine Ideen?"
"Ich weiß es nicht."
Sie überlegt. "Und was wird nach den Menschen sein?"
"Kein Ideenberg."
"Und was ist mit dir?"
"Es spielt keine Rolle, was mit mir ist. Ich bin nur da, wo Dinge leben."
Ihre blauen Augen verengen sich leicht. "Das ist kompliziert."
"Schon", gebe ich zurück.
Die kurze Schwermut, die sich über ihr Gesicht gelegt hat, weicht wieder ihrer aufgeschlossenen, leichten Fröhlichkeit. "Ich hab die nächste Idee", verkündet sie jetzt.
"Welche?"
Sie zeigt mir einen schmalen, silbernen Ring. Beim genauen Hinsehen ist es eine Art kleiner Kompass, mit Blättern geschmückt.
"Hey, wann hast du den bitte aufgehoben?"
Sie kichert und für einen kurzen Moment kann ich mir wirklich einreden, dass sie nur ein ganz normales siebenjähriges Mädchen ist. Gesund, freundlich und offen. Verspielt. Ein bisschen naiv, wie Kinder es eben sind. Behütet. Sicher. Nichtsahnend von dem Übel, das einen umgeben kann.
"Eben", sie lässt meine Hand los und Kälte breitet sich dort aus, wo ihre Wärme eben noch war, "als du nicht hingeschaut hast, hab ich ihn aufgehoben."

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Zoey
Teen FictionHast du dich jemals gefragt, was mit deinen Ideen passiert, wenn du stirbst? Mit all deinen Talenten und Einfällen und Leidenschaften, die du unbenutzt mit ins Grab nimmst? All das, was du dir vorgenommen hast zu tun? Stell dir vor, dass es einen...