Kapitel 1

351 31 0
                                    

Ein Lachen erschallte im Meer, als zwei kleine Meerjungen in einem Wettrennen durch die Riffe schwammen. Kanja sah, wie der Blondschopf mit den unglaublichsten braunen Augen, die er je gesehen hatte, neben ihn in Führung ging. Seine Augen blieben fasziniert an dessen langer Schwanzflosse hängen, die in den Farben Gelb, Rot und Blau schimmerte.

Kanja war nicht so schillernd. Er hatte schwarze Haare und seine Schwanzflosse schimmerte in den Farben Lila, grün und schwarz, wie es bei den meisten Einwohnern ihres Reiches der Fall war. Das Einzige, was man an ihm als besonders bezeichnen könnte, waren seine grünen Augen, die er von seiner Mutter geerbt hatte.

„Nero, nicht so schnell", rief er und versuchte seinen Freund einzuholen. An einem großen Riff hielt dieser an und schaute ihn mit einem strahlenden Lachen an. Das Licht fiel auf sein Gesicht und seine Haare leuchteten golden. Seine Flosse ließ das Wasser um ihn herum schimmern, ein Anblick, der das Herz des kleinen Meerjungen springen ließ. Er ist so schön. Nie hatte er jemand schöneres erblickt. Doch nicht nur sein Aussehen war schön, seine Inneres auch.

Nero war das freundlichste, offenste und herzlichste Wesen dieses Reiches. Er urteilte nicht, war verständnisvoll und hatte einen scharfen Verstand. Doch er war auch loyal und stand für seine Überzeugungen ein. Der perfekte König, denn das würde dieser werden, wenn er erwachsen war. Nero war der Prinz von Talja, das Reich der Meerwesen, in dem sie lebten.

Der Blondschopf schwamm auf ihn zu und ergriff seine Hand, dann schwamm er los. „Los Kanja, lass uns gehen", erklang seine herzliche Stimme und lachend ließ sich Kanja mit ihm mitziehen. Ich werde dir überall hin folgen.

༻✧༺

Einige Jahre später...

Nero wich dem gekonnten Schlag aus, parierte einen weiteren und setzte mit seinem eigenen Schwert nach. Kanja machte eine schnelle Ausweichbewegung und mit einem starken Schlag seiner Flosse, war er plötzlich hinter seinem Freund. Als er ihn umgreifen wollte, vollführte dieser jedoch eine schnelle Bewegung nach oben, traf dessen Schwerthand mit der Flosse, sodass es aus dessen Hand flog.

Mit einem weiteren Zug war er schließlich hinter Kanja und umarmte ihn. „Hab dich", sagte er lachend.

Für einen Moment hielt Kanja still. Er spürte die Nähe, auch wenn ihre Kleidung zwischen ihnen stand. Sie waren beide fünfzehn und bald würde sie ihre Reife durchlaufen, würden zu Männern werden. Sein Herz schlug schnell, denn die Berührung und auch der Geruch von Nero weckten seine schlafenden Sinne und ein Ziehen, ein Sehnen entstand in seiner Brust.

Der Prinz war einer der talentiertesten Schwimmer – wendig und unglaublich schnell. Kanja trainierte hart, um ihm ebenbürtig zu sein.

„Lass uns etwas auf das Sonnenriff sitzen", erklang die freundliche Stimme des Blondschopfs hinter ihm und er nickte einfach nur. Sie schwammen zu dem nicht weit entfernten Riff, welches mit zahlreichen Korallen und anderen Unterwasserpflanzen bedeckt war. Die Sonnenstrahlen, die auf dieses trafen, erschufen ein wahres Farbenspektakel.

Neros himmelblaues Oberteil, dass ihm bis zu den Hüften reichte und die Oberarme freiließ, passte perfekt zu dem Hintergrund. Kleine Fische kamen aus ihren Verstecken und schwammen um den Prinzen, begrüßten ihn. Ein weicher Gesichtsausdruck trat auf dessen Gesicht und er streckte die Hand aus, berührte diese kleinen Wesen mit Ehrfurcht. Dann begann er leise zu singen und die Zeit blieb stehen.

Die Fische sammelten sich um diesen, schwammen um ihn, sodass ein kleiner Strom entstand. Ihre Schuppen reflektierten das Licht, sodass es aussah, als würde Nero in einen Strom aus Licht getaucht werden.

Kanjas Herz schlug heftig in seiner Brust und Wärme breitete sich in dieser aus. In den letzten Monaten war ihm bewusst geworden, dass diese Gefühle tiefer gingen als Freundschaft. Es waren zärtliche Gefühle, die er zunächst tief in sich verschlossen hatte, doch in letzter Zeit drangen sie immer wieder an die Oberfläche. Sein Blick fiel auf die leicht rosigen Lippen und eine Sehnsucht trat in seine Augen. Würde er es heute wagen? Unauffällig rückte er näher zu Nero.

Als Nero das Lied beendete, wurden die Fische langsamer. Er sah Kanja an, wollte etwas sagen, als plötzlich die Fische panisch auseinanderstoben. Eine Reflexion blendete den jungen Schwarzhaarigen, doch er realisierte zu spät, dass dies eine Klinge war.

Nero wurde gepackt und von ihm fortgerissen, die Klinge grub sich leicht in seinen Hals. Hinter ihm war ein maskierter Meermann mit einem dunklen Umhang. Angst stieg in ihm auf und sein Herz schlug vor Panik in seiner Brust. Blutstropfen traten an seinem Hals hervor. Er sah, wie eine Meerfrau Kanja packte und in einen Würgegriff nahm, gegen den er sich wehrte.

„Ist der Blonde der Richtige?", fragte sie und ihre Stimme jagte Kanja einen Schauer über den Rücken. Dort war keinerlei Wärme, nur eisige Kälte. Er sah die Angst in Neros Augen.

„Die Beschreibung passt auf ihn. Er muss der Prinz sein. Töte den anderen Junge und lass uns verschwinden", sagte der Mann hinter ihm.

In diesem Moment fühlte der kleine Prinz etwas, das er noch nie zuvor gespürt hatte. Nein. Sie werden ihn töten. Eine Kraft wallte in seinem Körper auf, denn diese Angst trieb ihn an. Er konnte und würde nicht zulassen, dass sie Kanja verletzten. Also packte er die Hand mit dem Messer, riss sie nach vorne und riss gleichzeitig seinen Kopf nach hinten, sodass sein Hinterkopf auf die Nase des Angreifers prallte.

Mit einem Grunzen ließ dieser ihn los und schneller, als er reagieren konnte, schwamm Nero zu seinem Freund. Mit einem Fauststoß, der auf das Gesicht der Meerfrau zielte, sorgte er dafür, dass sie ihn losließ. Sofort packte er Kanjas Hand und riss ihn mit sich. Sie schwammen so schnell sie konnten, doch die Verfolger waren älter, erfahrener. Der Palast kam in Sicht, die Wachen dort bemerkten sie.

„Scheiße, wenn wir ihn nicht entführen können, werden wir ihn töten."

Die Worte ließen dem Prinzen das Blut in den Adern gefrieren. Bald, wir haben es bald geschafft. Sie waren nicht mehr weit entfernt. Erneut reflektierte das Licht, blendete ihn. Die Klinge schoss auf ihn zu. Nein. Er würde es nicht schaffen. Bevor er reagieren konnte, wurde er zur Seite gerissen und die Klinge bohrte sich tief in den Bauch seines besten Freundes. Als diese zurückgerissen wurde, begann das Blut aus dessen Bauch zu fließen und ein roter Nebel breitete sich um sie aus.

„Hölle, das war der Falsche", schrie die Meerfrau. Die Wachen waren nicht mehr weit entfernt, also ergriffen sie die Flucht.

Nero schwebte zitternd vor Kanja. Dessen Augen waren geschlossen und er war bewusstlos in der Schwebe, seine Haut wurde mit jeder Sekunde blasser und der rote Nebel dichter. Sein Herz drohte aus seiner Brust zu springen, dann schrie er. Er schrie. Seine Hand presste sich auf die Wunde.

„Du darfst nicht sterben,Kanja", schluchzte er. Er presste seinen Freund an sich, und zitterte. „Dudarfst nicht sterben, hörst du." Wieso?Wieso hatte er ihn weggezogen? Doch Kanja antwortete ihm nicht. Er schwieg. Die Person, die ihm am wichtigsten war,würde wegen ihm sterben.

Symphonie des MeeresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt