Kapitel 3

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Kapitel 3

Sie war eine Prostituierte. Nein, Moment. Die Damen, die in solchen Hotels ihre Kundschaft trafen, nannte man doch meistens Escort Girls. Und nein, vermutlich hätte sie niemand für eine solche Dame gehalten. Dafür war sie zu leger gekleidet. Aber sie passte nicht hierher. Sie wäre nie in ein solches Hotel gegangen, um hier zu übernachten. Nicht ohne ihn. Marie schaute auf ihre Uhr, während sie in der Lobby des Savoy-Hotels stand wie bestellt und nicht abgeholt. Sie war zu früh dran, viel zu früh. Eine Stunde, um genau zu sein. Sie schaute sich noch einmal um, sah, wo es zu den Aufzügen ging und wo zum Treppenhaus, überprüfte nachlässig, ob auf den Polstermöbeln kein vertrautes Gesicht zu erkennen war und verließ das Hotel dann wieder so, wie sie es betreten hatte.

Draußen lief sie einfach die Straßen entlang, ein Stück Richtung Rhein und dann in weitem Bogen zurück. Sie war nervös, oh ja. Aber das hier musste sein. Damals, bei ihrem Ex – ihrem anderen Ex – hatte sie fast ein Jahr verstreichen lassen, bis sie ihn getroffen hatte und so einen Schlussstrich hatte ziehen können. Das würde sie nicht noch mal so lange hinauszögern. Natürlich war die Trennung von Felix noch frisch. Es tat weh, seinen Namen zu denken. Und sie hatte eine scheiß Angst davor, ihn heute wiederzusehen. Zwei Monate. Nein, noch nicht mal ganz. Knapp zwei Monate waren vergangen seit jener Nacht. Sie sah noch immer die Umrisse von den beiden im Türrahmen, das aufflammende Licht, die Küsse. Nein. Sie merkte, wie die Emotionen hochkamen. Aber sie hoffte, dass sie diese gleich im Griff behalten würde.

Sie hatten sich geschrieben. Oder er ihr. Sie hatte sich Zeit gelassen mit dem Antworten und es nur getan, wenn sie sich dazu in der Lage gefühlt hatte. Sie wusste nicht so genau, wie das Gespräch heute ablaufen würde. Er wollte reden. Ihr was erklären, obwohl es da doch nichts gab. Nichts, was irgendwas ändern würde jedenfalls. Aber sie wollte auch reden. Sie wollte ihm in die Augen sehen und erkennen, wie er es geschafft hatte, sie über Monate hinweg anzulügen. Denn dass er sie lange angelogen, getäuscht hatte, da war sie sich beinahe hundertprozentig sicher. Und sie? Sie war so naiv gewesen, so gutgläubig, dass sie alle Warnsignale übersehen hatte. Sie hatte ihm so sehr vertrauen wollen, so sehr gewollt, dass das mit ihnen perfekt war. Nein, nicht mal perfekt. Sie hatte einfach gewollt, dass das mit ihnen gut war, dass es war.

Sie näherte sich wieder dem Hotel. Es war ein dunkler Klotz, aber irgendwie passte das nach Köln. Etwas zog ihre Aufmerksamkeit auf die andere Straßenseite. Sie blieb stehen, während es in ihrer Brust holperte. Felix. Sie sah sein Gesicht im Profil, er stand hinter einem Auto, machte irgendwas, vielleicht hielt er eine Tasche in der Hand, bei der er etwas überprüfte. Dann ging er weiter. Marie blieb erst stehen, folgte ihm dann ein Stück, ehe sie zwischen zwei parkende Autos trat, ohne die Absicht, die Straße überqueren zu wollen. Sie wollte nur nicht, dass er sie sah. Jetzt noch nicht. Das könnte sie nicht ertragen. Sie hörte irgendwas in ihrer Tasche. Sie sah, dass Felix wieder stehen geblieben war und nahm dann das Handy heraus. Er hatte ihr geschrieben.

Felix: Bleibt es dabei?

Jetzt sah sie, dass er die Straße querte. Er hielt sein Handy in der einen Hand, eine Papiertüte in der anderen. Sie machte sich kleiner und ging weiter Richtung Straße, aus Angst, er könnte sich umschauen und sie sehen. Aber er tat es nicht, sondern verschwand schnurstracks im Hotel.

Marie atmete durch und fühlte ein Zittern, als sie wieder auf den Bürgersteig trat. Felix. Sie war nicht vorbereitet gewesen. Dafür hatte sie sich gut geschlagen. Allerdings war es ja ein einseitiges Wiedersehen gewesen. Im Grunde nicht anders, als wenn sie ihn auf Social Media stalkte. Was sie zwischendurch getan hatte. Oder eher versucht. Er hatte sich sehr zurückgehalten.

Sie schaute Richtung Hoteleingang. Das musste sie jetzt hinter sich bringen.

Marie: Ja, es bleibt dabei. Ich bin gleich da. Wo soll ich hinkommen?

Quite Suddenly (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt