Kapitel 24

12 2 0
                                    

Ein Geräusch. Ein immer wiederkehrendes Geräusch. Erst nahm ich es kaum wahr, da es im Hintergrund verschwamm, doch jetzt piepte es mir die Ohren voll. Ich brauchte eine Weile, bis mir bewusstwurde, dass es sich um meinen Wecker handelte. 7:15 Uhr. Mühsam rappelte ich mich auf und fragte mich, warum ich mir den Wecker gestellt hatte. Ach ja, die Evakuierung. Die zweite Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Ich musste Tayla finden, aber leider waren mir die Ansätze ausgegangen. Ich konnte ja schlecht die gesamte Stadt durchkämmen. Insgeheim verfluchte ich sie für ihr Verschwinden, trotz der Sorgen. Wenn ich wenigstens nicht den Druck durch die Aliens und die Evakuierung hätte, würde ich mir wahrscheinlich die Mühe machen, in jedem Winkel nach ihr abzusuchen. Allein war es hoffnungslos.

Einweihen konnte ich allerdings auch niemanden. Wie sollte ich erklären, wie wir uns kennengelernt hatten und weshalb sie mir so wichtig war, ohne dabei ihr wahres Ich auszuplaudern? Schließlich wollte sie sich als Mensch für reine Forschungsanalysen ausgeben. Sollte ich die Wahrheit sagen, wusste ich nicht, ob derjenige es für sich behielt. Wer würde schon freiwillig ein Alien suchen, von dem alle glaubten, es sei mörderisch? Wahrscheinlich hatte ich einfach zu viel Angst jemanden, den ich mochte, zu verlieren. Ich behielt es lieber für mich, denn ich wollte vor allem die Liste der Probleme nicht noch weiter verlängern.

Nachdem ich mich fertig gemacht hatte, mich vorher mit unnötigen Dingen aufhielt, die Zeit eng wurde, weil ich vorher noch Tayla suchen musste, sich dann meine Tasche samt Inhalt über den Boden verteilte, ich alles hektisch einsammeln musste, kam ich schließlich an meinem Auto an und ließ mich schwer auf den Sitz fallen. Immerhin hatte ich noch eine dreiviertel Stunde, bevor ich spätestens zum Abmeldungsstand musste.

Also fuhr ich ziellos durch die Straßen und hielt nach Tayla Ausschau. Die Zeit verstrich schneller, als ich befürchtet hatte. Es war nicht schwer den Überblick über die Straßen und Fußwege zu haben, weil sehr wenig los war. Die vielen Autos hätte ich an meinen Fingern abzählen können. Ehrlich gesagt, hatte ich auch nicht daran geglaubt, sie jetzt irgendwo in der Stadt rumspazieren zu sehen. Ich begann wieder daran zu zweifeln, ob ich sie jemals wieder umarmen könnte. Sowohl Trauer als auch Leere breitete sich in mir aus. Mich beschlich ein ungutes Gefühl in Bezug auf ihr plötzliches und spurloses Verschwinden. Das war doch nicht mit rechten Dingen zugegangen. Oder hatte ich etwas falsch gemacht? Ist sie wegen mir fort? Nein, ich konnte nicht der Grund sein, denn ihre Aliengefährten wussten ebenfalls nicht, wo sie abgeblieben war. Wenn ich sie nicht fand, würden sie es. Wahrscheinlich mit Folgen wie Panik der Menschen, aber darum musste ich mich kümmern. Zwar würde es nicht leicht werden, doch aller Anfang war schwer.

Schließlich fuhr ich mich abmelden und leider war es schon viertel vor um neun. Ich hatte nicht vor, mir ein Bußgeld einzufangen, wenn ich blieb. Wahrscheinlich müsste ich dafür schon etwas mehr tun, als nur da zu sein, obwohl es verboten war, aber trotzdem wollte ich dieses Risiko nicht eingehen. Gerade als ich meinem Auto näherkam und es per Knopfdruck öffnete, bemerkte ich einen Zettel. Er war unter die Scheibenwischer geklemmt. Wie kam der dahin? Und warum sollte sich jemand die Mühe machen, mir einen Zettel zu schreiben, statt persönlich mit mir zu reden, vor allem, weil ich nicht lange weg gewesen war. Das kam mir schon alles ziemlich seltsam vor. Da traf mich ein Geistesblitz. Er könnte von Tayla sein. Vielleicht steckte sie in Schwierigkeiten, wurde verfolgt, wollte nicht gesehen werden oder was auch immer. Mit gingen tausend Möglichkeiten durch den Kopf. Aber konnte sie denn überhaupt in meiner Sprache und Schrift schreiben? Tayla konnte sie zwar sprechen, aber das musste nichts bedeuten.

Gerade als ich ankam und schon fast meine Hand danach ausgestreckt hätte, hielt ich inne. Ich hatte einmal den Trick eines Diebes im Internet gesehen, dass sie ein Stoffstück um die Scheibenwischer banden, damit der Eigentümer ihn nicht kommen sah, wenn er sich anschleicht, um ihn zu überfallen. Stattdessen sollte man es einfach dran lassen und so schnell wie möglich losfahren. Später konnte man es immer noch abwickeln. Vielleicht war das hier genauso eine Situation. Nur mit einem Papierstück. Während ich es las, könnte ich ausgeraubt werden, was gar nicht so abwegig war, da es ziemlich menschenleer war und es keine weiteren Zeugen geben könnte. Trotzdem hatte ich Angst, dass es ein wichtiger Zettel von Tayla war, welcher während der Fahrt davonfliegen könnte. Welches Risiko sollte ich also eingehen?

So unauffällig ich es hinbekam, scannte ich die Umgebung ab und suchte nach allem und jedem, der verdächtig aussah. Nichts. Vielleicht versteckte sich auch derjenige hinter der nächsten Ecke. Also schnappte ich mir unvorhergesehen und blitzschnell den Zettel, setzte mich ins Auto und fuhr los. Für diesen einen Moment hatte sich mein Herzschlag beschleunigt. Nachdem ich mehrere Straßen hinter mir gelassen und mich vergewissert hatte, dass mich niemand verfolgte, stellte ich den Wagen am Rand auf einem Parkplatz ab und begann das Geschehene zu verarbeiten. Sollte der Zettel nur dazu dienen, mich abzulenken und ausgeraubt zu werden, während ich ihn las? Aber trotzdem musste ich wissen, was drinstand. Bevor ich noch vor Neugier platzte, griffen meine zittrigen Finger das Papier und falten es auseinander. Es war tatsächlich etwas darauf geschrieben. Die Schrift war völlig normal, nichts Außergewöhnliches. Es könnte also jeder geschrieben haben. Zumindest kannte ich keinen mit dieser sauberen Handschrift. Aber ich kannte selbst längst nicht jede von Bekannten oder Verwandten. Also begann ich einfach zu lesen und es herauszufinden.

Komm heute in die Lichtenstraße hinter das Einkaufscenter. Warte vor dem Augenoptiker Apollo. Wir werden dich dort erwarten.

Als ich die ersten Zeilen las, wurde mir übel. Irgendjemand wollte sich mit mir in einer dunklen Gasse treffen, der zu feige war, es mir selbst zu sagen. Auf gar keinen Fall! Es war vollkommen ausgeschlossen, dass ich hingehen würde. Nicht mal im Traum könnte ich daran denken. Was für ein gruseliger Kerl hatte vor, mich zu entführen? Wer weiß, was er mit mir anstellen würde. Jeder bei gesundem Verstand würde das sein lassen. Im Ernst, was war das für ein kranker Psycho. Dachte er ernsthaft, ich würde kommen? Das konnte er sich abschminken! Vor allem hatte der Anonyme »wir« erwähnt. Gegen mehrere hätte ich keine Chance. Auch wenn meine Entscheidung bereits feststand, konnte ich nicht anders, als auch die letzten Zeilen zu lesen.

Wir wollen uns selbst von dir überzeugen, nachdem wir auf deine Videos aufmerksam geworden sind. Außerdem haben wir Informationen, die dich interessieren könnten.

Jemandem sind meine Aufklärungsvideos aufgefallen. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung, dass ich dadurch etwas erreichen konnte.

Wir wissen nämlich, wo Tayla ist.

Ich schnappte nach Luft. Hatten sie meine Alienfreundin entführt? Woher konnten sie die Verbindung zwischen mir und Tayla herstellen? Das hieß, sie wussten mehr, als mir lieb war. Womöglich kannten sie sogar ihr Geheimnis.

Alienwar - Ist das der Untergang?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt