Kapitel 1

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Ich keuche auf. Die Luft brennt in meinen Lungen. Fast schmerzhaft bohren sich meine Finger in die Oberschenkel, ein letzter Versuch meines Körpers halbwegs aufrecht zu stehen. Ich kneife ein Auge zu und sehe zu ihm über. Er reibt sich den Schweiß mit dem Handrücken vom Hals. Ich werfe den Kopf in den Nacken und atme durch. Wie oft bin ich jetzt angelaufen? Wie oft bin ich in die Höhe geschossen? Wie viele Bälle habe ich versucht zu schlagen? Ich huste kurz und sehe wieder zu ihm. Sein T-Shirt klebt schweißnass am Oberkörper. Ich sehe wahrscheinlich nicht anders aus. Mein Blick schweift zum Netz. Ich schaffe es hoch genug zu springen, um den Ball mit Wucht hinunter zu drücken. Meine Augen wandern zum Ende der Halle und den mehr als zwanzig Volleybällen, die dort am Boden liegen. Warum zum Teufel geht der Ball nicht dort hin, wo ich ihn haben möchte? Es muss gehen. Ich muss es nur nochmal versuchen.

„Spiel mir noch einen zu.", fordere ich und bewege mich langsam von ihm und dem Netz weg. An meiner Startposition angekommen, drehe ich mich um. Er sieht mich an, streicht sich das Haar aus dem Gesicht, welches an der nassen Stirn festklebt. „Es muss gehen.", bestätigt er mich und mein Ehrgeiz entflammt erneut.

Die anderen haben bereits für heute Schluss gemacht und sind nach Hause gegangen. Er muss sich den Ball selbst hochwerfen, um ihn zu stellen. Kein Problem für ihn, den König seiner Klasse.

Als der Ball seine Hand verlässt, laufe ich los. Fokussiert und präzise halte ich die Geschwindigkeit. Ich spüre kaum, wie meine Füße den Boden berühren, weiß es nur durch meine Sportschuhe, die auf dem Hallenboden quietschen. Ich springe ab, sehe im Augenwinkel, wie er mir zuspielt. Der Ball kommt gewohnt schnell. Direkt vor mir bleibt er stehen. Ich sehe die Wasserflasche an und schlage zu. Noch während ich langsam wieder zu Boden sinke, beobachte ich die Flugbahn des Balles. Komm schon, komm schon! Das Leder knallt klatschend gegen den Hallenboden und verfehlt die Flasche um nur wenige Zentimeter. „Fast!", brülle ich und grinse. So nah dran war ich heute noch nicht gewesen. Es ging bergauf. Ich lande fast unsanft, muss mich mit einem Ausfallschritt halten, um nicht umzuknicken. Dennoch beginne ich zu lachen. „Siehst du, es wird langsam." Ich drehe mich zu ihm um, sehe wie er gerade einen Ball aufhebt. „Ja.", sagt er mit leichter Stimme, hält den Ball andächtig vor seinem Bauch fest. „Puh!", stöhne ich und strecke mich, sehe zur Wasserflasche rüber. Ich krieg dich noch, verlass dich drauf.

Mein linkes Ohr vernimmt den vertrauten Klang eines Volleyballs, der auf den Boden titscht. Intuitiv drehe ich mich in Richtung des Geräusches und sehe, dass er den Ball losgelassen hat. Dieser rollt nun langsam von ihm weg. Ich blinzele irritiert, mache eine Schritt auf ihn zu. „Wir können ruhig für heute aufhören.", lenke ich ein. Er reibt sich durch die Augen. Ich lege den Kopf zur Seite, beobachte ihn, bis er ganz still stehen bleibt, die Augen geschlossen.

„Kageyama?", tritt es aus meinem Mund, da sehe ich, wie sich seine Knie beugen. Er verliert das Gleichgewicht und kippt nach vorne.

Instinktiv starte ich einen Sprint. Wie in Zeitlupe bewegt sich sein Körper auf den Boden zu. Ich werfe mich nach vorne, wie ich es unzählige Male beim Balltauchen getan habe. Die Bewegung ist mir in Fleisch und Blut über gegangen. Ich schlinge meine Arme um seinen Kopf und drücke ihn an mich, als mein rechter Oberarm hart auf den Boden schlägt. Nun spürte ich auch wie meine Hüfte aufprallt. Ich komme auf der Seite liegend zum Stehen, halte seine Schultern und den Kopf fest in meine Arme geschlossen.

Erst jetzt setzt der Schreck ein. Was war da gerade passiert? Ich reiße die Augen auf und sehe an mir runter, blicke direkt auf seinen schwarzen Haarschopf. „Kageyama!", rufe ich aufgeregt und richte mich auf. Ich ziehe meine Beine unter die Hüfte und lege ihn auf dem Boden ab. Seine Augen sind geschlossen. „Hey!" Ich schüttle seine Schultern, doch sein Körper schwankt nur schlaff mit meinen Bewegungen mit. Er ist vollkommen weggetreten. Ich beiße mir auf die Lippe. Sein Gesicht ist ganz weiß, die Lippen leicht bläulich. Sein Kreislauf ist zusammengebrochen. „Oh je...", murmel ich, als meine Konzentration wieder einsetzt. Ich stehe auf, gehe zu seinen Beinen und lege mir seine Füße auf die Schultern. Das sollte dabei helfen, seinen Kopf wieder mit Blut zu versorgen. Ungeduldig schmiege ich meine Wange an seine Wade. „Komm schon..."

Zwischen Freundschaft und verwirrenden GefühlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt