Kapitel 6

68 8 0
                                    

Seit zwei Tagen bin ich wieder zurück aus Tokio und heute werde ich das erste mal wieder mit meinen Teamkameraden gemeinsam trainieren. Ganz regulär, wie früher. Ich lächle voller Vorfreude, während ich beherzt in die Pedale trete. Gleich bin ich an der Schule. Dort werde ich auch Hinata wiedersehen. Gestern hatte seine kleine Schwester Geburtstag und da meine Eltern mit mir Essen gehen wollten, habe ich noch keinen Kontakt zu ihm gehabt. Mein Herz klopft schneller. Als ich dies bemerke, lege ich die Hand auf meine Brust. Seit wir uns am Bahnhof ge... geküsst haben, haben wir uns nicht mehr gesehen. Wie es wohl ist, ab jetzt...? Mit ihm zusammen zu sein... ob es sich jetzt anders anfühlt?

Ein wenig aufgewühlt schließe ich mein Fahrrad an der Seite des Schulgebäudes fest und laufe rüber zur Sporthalle. Ich höre bereits von draußen Sportschuhe quietschen. Ich bin spät dran, ungewöhnlich für mich. Aber meine Mutter wollte unbedingt noch eine Bentobox für mich zubereiten und hatte das Ei anbrennen lassen, also habe ich gewartet.

Ich trete durch die Schiebetür und sehe Daichi und Sugawara, die gemeinsam das Netz aufstellen. Es scheint sich verknotet zu haben, denn sie stehen dicht bei einander, haben die Köpfe zusammengesteckt, während ihre Hände im Netz vergraben sind.

Ich wende meinen Blick nach links. In der Ecke sind Azumane und Nishinoya. Sie helfen einander beim Dehnen und lachen dabei. Als ich gerade nach rechts sehen will, klingt eine vertraute Stimme an mein Ohr. „Kageyama!", hallt der fröhliche Ausruf durch die Halle und ich drehe mich um. Gerade noch rechtzeitig, um einen Ausfallschritt zu machen, sonst hätte mich der Schwung seines Ansturms umgerissen. Er schlingt die Arme um meinen Hals, springt vom Boden ab, wirft die Beine um meine Hüfte und drückt sich fest an mich. Überrascht hebe ich die Hände, als er sich an mich klammert. Hinatas Lachen schüttelt unsere Körper. Total überfordert stehe ich einfach nur starr da. Damit habe ich nicht gerechnet. Er lässt seine Füße wieder sinken und löst den Klammergriff. Nun steht er vor mir und kratzt sich verlegen am Hinterkopf. „Entschuldige." Er lächelt breit. „Ich freue mich so, dass du wieder da bist... und auch wieder hier bleibst." Er sieht zu mir auf und ich blinzele ein paar mal, bis ich mich wieder gefangen habe. Dann nicke ich ihm lächelnd zu. „Ja, das bin ich auch." Er lacht.

***

Direkt nach dem Unterricht haben wir ein Trainingsspiel gegen den Nachbarschaftsverein. Endlich wieder mit Hinata und den anderen zu spielen fühlt sich gut an, einfach richtig.

Wir spielen im selben Team, preschen harte Angriffe heraus und gehen schnell in Führung. Im gegnerischen Team spielen Azumane und Nishinoya mit. Ihre neue Angriffskombi funktioniert auch sehr gut und bald erzielen sie den Gleichstand. Das Feuer und der Siegeswille sind in mir entfacht und so wie Hinata mich ansieht, scheint es ihm genauso zu ergehen.

Ich spiele ihm den Ball zu und er schlägt ihn präzise an Azumane vorbei. Nishinoya erreicht ihn zwar noch, doch er fliegt ins Aus. Ich drehe mich zu Hinata, will mit ihm einschlagen, doch er sitzt am Boden. „Autsch...", sagt er leise.

„Alles ok?", frage ich schnell und neige mich zu ihm runter.

„Ja.", er lacht verlegen und kratzt sich am Kopf. „Ich bin mir selbst auf den Fuß getreten."

„Idiot..." Ich schüttele den Kopf.

Er lacht. „Alles beim Alten." Hä?

***

Das Spiel geht hitzig weiter, dauert lange. Immer wieder schaffen beide Seiten den Ausgleich. Der Satz will einfach nicht abschließen. Ich spiele alle Angriffe über Hinata. Als er plötzlich daneben schlägt, sehe ich ihn überrascht an. Er reibt sich durch die Augen. „Tut mir leid...", seine Stimme klingt erschöpft. Habe ich ihm zu viel zugemutet?

Zwischen Freundschaft und verwirrenden GefühlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt