#5 Nichts wie weg!

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,,Aber Papa, ich kann doch einfach mit ihm zusammen lernen oder-", er tat es schon wieder. Seit ich versuche ihn dazu zu überreden, dass Minho bleiben dürfte, fiel er mir ins Wort. Mir wurde nicht einmal der Hauch einer Chance gelassen, einen wirklich vernünftigen Vorschlag anzubringen. ,,Jisung, das letzte Mal, als ihr beide zusammen gelernt habt, was hast du da in der Klausur geschrieben?", ich biss die Zähne zusammen, weil ich nicht anders meine Wut zu kompensieren wusste. In der Klausur habe ich 12 Punkte erreicht, womit ich fast den besten Test der Klasse geschrieben habe, was nicht ausreichend genug war. Es reichte nicht, dass meine Noten nur fast die Besten waren. Es reichte ihnen nie irgendwas. 

,,Zwölf... Aber Pa-", in mir starb etwas, wie so oft, wenn meine Eltern an mir herumkritisieren, obwohl kein triftiger Grund im Raum steht. ,,Obwohl du doch ach so viel mit ihm hier gelernt hast.", abfällig zeigte er mit seinem Daumen auf meinen besten Freund, der die Lippen zusammenpresste und seine Augenbrauen hochzog, während sein Blick haltlos im Raum herumwanderte. ,,Du lernst heute allein und Minho braucht auch gar nicht auf dich warten.", entrüstet stieß ich die Luft in meiner Lunge stark durch meine Nase aus und machte ein Gesicht, das kaum grimmiger sein konnte. 

Das eine oder andere Mal schon haben sie Minho vor die Tür gesetzt, der dann draußen auf mich warten musste, bis ich endlich raus, oder er rein durfte, aber nie schickten sie ihn gänzlich nach Hause. Damit wurde mir zum ersten Mal der Kontakt zu meinem Freund verboten, was ich nicht auf mir sitzen ließ. Es reichte mir schon, dass sie wertvolle Zeit meiner Kindheit und Jugend rauben, jetzt aber auch noch den Menschen, der mir am liebsten ist? ,,Entschuldige Minho, Jisung hat bestimmt die Tage wieder für dich Zeit.", dass mein Vater noch den Nerv besitzt, sich höflich bei ihm zu "entschuldigen", während er ihn unserer Wohnung verweist, ließ das Blut in mir kochen.

,,Tschüss Ji...", hörte ich nur leise hinter mir, wozu ich nichts erwidern konnte. Ich wusste, dass meine Stimme brechen würde, fände sie jetzt einen Einsatz. Auch wusste ich, dass ich den Damm meiner Tränen nicht aufrecht halten könnte, würde ich in meinem Zustand Minho ins Gesicht schauen. Denn in mir lag alles brach, wie so oft, wenn eine solch angespannte Stimmung in der Luft hing. Was Minho nämlich nicht weiß, ist was kommt, sobald er mein zu Hause verlässt. So schlecht gelaunt ist mein Vater selten, aber wenn er es ist, lässt er es an mir aus.

Zwar erhebt er nicht seine Hand gegen mich, jedoch seine Stimme. An Tagen wie diesen muss ich immer besonders auf meinen eigenen Tonfall achten, darauf, ob ich eventuell zu laut bin und ich muss alle Pflichten des Haushaltes übernehmen, nur weil meine Eltern keine Lust dazu haben. Immer schieben sie es dann darauf, dass ich in meinem Alter Selbstständigkeit lernen muss und dass sie zu ihrer Zeit schon allein auf eigenen Beinen standen. Meine Eltern verglichen mich immer mit unrealistischen Idealen und dabei änderten sich diese fast täglich. 

Können sie denn nicht einfach wenigstens einmal stolz sein? Stolz darauf, dass ihr Sohn freiwillig lernt, sich an die Hausregeln hält, in der Schule nie auffällt und verhältnismäßig gute Noten schreibt? Wenn schon nicht stolz, dann wenigstens zufrieden? Zufrieden damit, dass ihr Kind kein Problemkind und körperlich gesund ist? 

In meinem Nacken spürte ich den Luftzug, der entstand, als mein bester und einziger Freund die Tür hinter mir zufallen ließ. Mit diesem Moment veränderte sich sofort die Mimik meines Vaters, bevor er sich umdrehte und von mir entfernte. Er war wütend, was er mich spüren lassen wollte. Doch das ließ ich diesmal nicht mit mir machen. Seiner Aufforderung ins Wohnzimmer zu kommen, weil er ein Wörtchen mit mir zu reden habe, schenkte ich keine Aufmerksamkeit. Ich wollte mir meinen Tag nicht von meinem Vater versauen lassen, sondern meinen Triumph über die Fotos mit Minho feiern. 

Dieser Wunsch in mir war so groß, dass ich geistesabwesend kehrt machte und die Tür öffnete, aus der Minho eben herausgetreten ist. ,,Jisung? Wage es nicht jetzt...-", die ermahnenden Worte meines Vaters waren in diesem Augenblick nicht mehr als dumpfe Geräusche, die in meinem Kopf dröhnten. Wie in Trance ignorierte ich sie. Als würde mich jemand fernsteuern, setzte ich einen Fuß vor den anderen und entließ mich damit in die Freiheit. Meine Schuhe hatte ich glücklicherweise noch an, weil ich sonst bestimmt barfuß auf der wenig befahrenen Straße wieder zur Gesinnung gekommen wäre. 

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