Prolog | Heute

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Donnerstag, 19. Januar 2018, 17:38 Uhr.

Ich sehe sie an, ihre schwarzen Haare mit den roten Strähnen, die kalten, leeren Augen, das silbrige Metall überall in ihrem Gesicht, dunkle Kunst auf ihren Armen, eingehüllt von diesigem Zigarrettenrauch.

Ich sehe sie an, und weiß nicht, wen ich vor mir habe, wer sie ist.
Ich sehe sie an, und erkenne sie gleichzeitig nicht wieder.
Ich sehe sie an, und Mum könnte genauso gut eine Fremde sein.

»Wenn du nicht wärst, Phia«, beginnt Mum, nachdem unser Blickduell ein Ende gefunden hat. »Wenn du nicht wärst.«

Und dann dreht sie sich um, verlässt den Raum, knallt die Tür zu. Ein Punkt am Ende eines unausgesprochenen Satzes. Ein Punkt, wo ein Semikolon hingehört. Ein Punkt, der zu zeitig gesetzt wurde.

Du bist Schuld.
Ich bin Schuld.

Mum denkt so von mir.
Ich weiß es.
Dass sie mich verabscheut.
Dass ich sie an ihn erinnere, mit jeder Bewegung, mit jedem Wort, mit jedem Blick. Ich entfache Nostalgie in ihr, löse eine Lawine der Erinnerungen aus.
Schneemassen aus Vergangenheit.

Mum sieht mich an und sie sieht ihn.
Ich sehe Mum an und sehe ihren Hass.
Ich sehe Mum an und weiß, dass ich sie verloren habe, am selben Tag, an dem ich meinen Bruder umbrachte.

so grün wie seine AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt