Freitag, 22. Mai 2016, 22:45 Uhr.
Ich begegne dem Ebenbild von Alkohol auf Toilette. Es stinkt nach Übergebenem, der Gestank von Magensäure brennt sich in meiner Nase ein. Am Boden liegt ein Häufchen Elend, ein klapperdürres Wesen, zusammengerollt, mit fettigen spröden Haaren voller ausgekotzter Chips in den Spitzen. Das Mädchen ist klein und kalt und es weint.
Mir ist schwindlig, in meiner Blase aus Happy Ends und Sex on the Beach ist kein Platz für Unglück.
Gewesen.Erbarmungslos hat mich das Mädchen in die Realität befördert, also hocke ich mich neben sie. Streiche über ihre Schulter, spüre das Schulterblatt, die Maserung ihrer Knochen. Mich überkommt eine Gänsehaut.
»Hey, ist ja gut, ich bin ja da«, versuche ich es beruhigend.
Doch sie weint nur noch mehr.
Ich schnappe mir Toilettenpapier und feuchte es an, dann wasche ich ihr Gesicht ab, wische das Erbrochene von ihren Mundwinkeln, säubere ihre Haare.Mit einem Ruck öffne ich das Fenster, um gegen den bestialischen Gestank vorzugehen, dann spüle ich mehrfach die Toilette und verteile eine Ladung Deo im Raum.
Das Mädchen zittert, wimmert, verzweifelt.
Ich stütze sie, schaffe sie aus dem Raum, hoch, weg, egal, Hauptsache wir entfernen uns von den Menschenmassen und dem Alkohol.Cass erspäht mich, weitet die Augen, als sie das Wesen sieht.
Cass kommt zu mir, tritt neben mich, legt sich einen schlaffen Arm des Mädchens über die Schulter.
Ich nehme den anderen, und so torkeln wir die Treppe der Villa nach oben.
Wir sind nicht mehr Herrin unserer Sinne, der Alkoholpegel im Blut hat uns längst übermannt.
Immer wieder müssen wir anhalten, weil unse Gleichgewichtssinn nicht mehr so funktioniert, wie er sollte.Ich werfe der Besoffenen einen schnellen Blick zu, doch sie hängt nur bewegungslos in unseren Armen. Sie ist eingeschlafen oder ohnmächtig oder beides.
Wir betten sie in ein Zimmer, holen ein Glas Wasser, decken ihren zitternden Körper zu, verriegeln die Tür, damit sie in Ruhe ihren Rausch ausschlafen kann.
Alkohol ist Gift, sagt Jacob immer.
Er hat Recht.
Das Mädchen habe ich nie wieder gesehen.
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so grün wie seine Augen
Jugendliteratur»Am Ende unserer Sitzung bekomme ich ein Notizbuch in die Hand gedrückt. Moosgrün. So wie seine Augen. Ich schlucke den aufkommenden Schmerz herunter. Die Erinnerung an seinen warmen Blick schwebt zwischen meinen Gehirnzellen umher, ein Bild, das t...