Gute Laune

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Sobald das Essen vorbei ist, hetzen Ethan und ich zurück ins Seehaus, um unser Chaos zu beseitigen.
Die anderen werden in der Zeit uns decken damit unser verschwinden unentdeckt bleibt.

»Also wenn du mich fragst, dann muss ich da nicht mehr raus«, meint Ethan zu mir, während er gerade die Kissen auf den Sofas ausschüttelt und gerade rückt.
Ich sammle die stehenden Flaschen und Gläser ein und stelle sie zurück zur Bar.
Die Gläser wasche ich im Spülbecken der kleinen Bar aus, trockne sie ab und stelle sie zurück ins Regal. Die Flaschen sortiere ich irgendwie wieder ein.

Ethan wirft sich wieder auf ein Sofa und legt die Beine über die Lehne.
»Manchmal wäre ich gerne wie Vio«, sagt er und macht für einen Moment die Augen zu. »Manchmal wären wir alle gerne wie Vio«, verbessert er seine Aussage.
»Wie meinst du das?«, frage ich mit ernster Interesse und ziehe die Augenbrauen hoch. Das Geschirrtuch in meiner Hand lege ich auf die rustikale Oberfläche und gehe zum Sofa gegenüber von Ethan.

»Ich liebe meinen Job und das ist mein absoluter Lebensinhalt, aber manchmal kotzt mich das Ganze dann doch an.« Er massiert sich mit immer noch geschlossenen Augen seine Schläfen, ehe er sich wieder vom Sofa hievt und normal setzt. »Wie du weißt muss Vio das alles hier nicht tun. Sie muss nicht hier sein, sie muss sich nicht mit Sherman Westwoods unterhalten und sie muss auch nicht von solchen Veranstaltungen ins Seehaus flüchten. Meine Brüder und ich aber schon.«
»Auch wenn ich bisher ganz glücklich bin und das sicherlich auch noch eine ganze Weile sein werde, glaube ich deinen Punkt zu verstehen. Ist nicht schön 365 Tage im Jahr von Arbeit umgeben zu sein, was?«
Ethan nickt.
»Exakt! Seitdem ich begreife, was meine Eltern tun, höre ich nichts anderes als juristisches Gelaber. Bei mir hört es nicht auf, wenn ich aus der Kanzlei nach Hause komme. Es hört nicht auf, wenn ich im Urlaub bin. Es hört nicht auf, wenn ich krank bin. Es hört nie auf - für keinen von uns.«
»Und das kommuniziert ihr auch so?«, frage ich nach und streiche über mein Kinn.
»Untereinander auf jeden Fall! Es ist wichtig, weil wir uns einander oft den Rücken frei halten, wenn jemand mal raus muss.«
»Klingt logisch«, räume ich ein.
»Ist es auch. Das Problem an allem ist nur, dass gerade, weil wir unsere Arbeit so lieben, wir keine gesunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit finden. James ist der Einzige mit einer Freundin, denn finde mal ein Mädchen, welches so verständnisvoll ist, wie...«
Er stockt.
»Wie deine Schwester. Ethan, Viola ist wirklich eine unglaubliche Frau und das ist mein Glück...« Schweigen tritt auf. Verlegen senken wir beide den Blick. Ich glaube, dass er genau weiß, was ich noch auf der Seele habe...

»Das hat sie von Mom«, sagt er schließlich lächelnd und durchbricht diese grausame Ruhe. »Das ist unsere Vio und das bewundern wir so an ihr. Keine, die uns über den Weg gelaufen ist, hat so viel Verständnis für unsere Arbeit und unsere mangelnde Zeit, aber Vio würde dir niemals Vorwürfe dafür machen, dass du deine Arbeit an erster Stelle setzt. Sie würde dich niemals zu Dingen zwingen, die du nicht kannst. Sie liebt aufrichtig, das ist dir nach wie vor bewusst, das weiß ich, aber...« Er seufzt. »Es ist wegen Rosie, oder?«
Streng mit mir selber lasse ich die Schultern hängen. »Ethan, deine Schwester ist ein Hauptgewinn und ich schätze sie ziemlich und ich habe mein Bestes gegeben, um ihr ein guter Mann zu sein, aber ich bin schwach!« Ich werfe den Kopf in den Nacken. »Mister McCain hat mir vor ein paar Tagen ein Angebot gemacht, welches ich nicht abschlagen kann. Ich soll Rosalie ins Ausland begleiten...«
»Verstehe. Weiß Vio schon davon?«
Ich schüttelte beschämt den Kopf. »Ich bringe es einfach nicht übers Herz ihr zu gestehen, dass ich voraussichtlich die nächsten sechs Monate, ausgerechnet mit Rosalie McCain mein Leben verbringen werde, aber du hättest Rosie mal sehen müssen! Sie hat so große Träume und ist zugleich so verletzlich - sie will einfach nur die Welt sehen...«
»Sicher, Will, wie wir beide wissen, wirst du Vio damit verletzen. Für mich als Bruder nur schwer zu ertragen und eigentlich sollte ich dir dafür eine rein hauen, aber als dein Kumpel, verstehe ich dich. Wie ich rausgehört habe handelt es sich um ein rein geschäftliches Arrangement und du sollst den Babysitter für die Tochter deines Bosses spielen - das wird Viola verstehen -, aber...«
Jetzt liegt es an mir auszusprechen, was wir beide denken.
»...ich kann für nichts garantieren - ich kann deiner Schwester nicht mein Wort dafür geben, dass ich als ihr treuer Freund gehe und auch als dieser wiederkomme.«
Erneut beschämt senke ich den Blick. Es zu denken ist die eine Sache, aber die Worte auszusprechen und dabei auch noch in das Gesicht ihres Bruder zu schauen, lässt die Schuld in mir hochkommen.

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